Henryk M. Broder / 31.10.2014 / 00:31 / 24 / Seite ausdrucken

Fremde Feuer

So etwas hatte Köln noch nie erlebt, nicht mal während der „fünften Jahreszeit“, der Karnevalssaison. Etwa 5.000 „gewaltbereite Hooligans“ lieferten sich letzten Sonntag auf dem Breslauer Platz hinter dem Hauptbahnhof eine Schlacht mit der Polizei, die mit 1.300 Beamten zahlenmäßig weit unterlegen war.

Man habe weder mit so vielen, noch mit dermaßen gewalttätigen Demonstranten gerechnet, zudem fanden in Nordrhein-westfalen zwei Bundesligaspiele statt, bei denen ebenfalls einige Hundert Polizisten eingesetzt werden mussten, um die Fans auseinanderzuhalten, gab ein Polizeisprecher bekannt, als am Abend die Bilanz des Tages fest stand: 49 zum Teil schwer verletzte Polizisten auf der einen, 17 Festnahmen und 57 Ermittlungsverfahren auf der anderen Seite, den Sachschaden nicht mitgerechnet, darunter einen umgeworfenen Polizeibus.

Das Absurde an der Situation war aber etwas Anderes: Die „Hooligans“ hatten, unterstützt von Neonazis und anderen Rechtsradikalen, zu einer Demonstration gegen „die Salafisten“ aufgerufen. Was man sich etwa so vorstellen muss, als hätte die SS zu einer Demo gegen die SA aufgerufen, um Unheil vom deutschen Volk abzuwenden.

Die Salafisten freilich nahmen die Herausforderung nicht an, sie blieben daheim, worauf sich die Hooligans an der Polizei abreagierten.

Aber es kommt noch besser: Während in Köln der Straßenkampf tobte, machte sich der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier wieder auf den Weg.

Kaum von einer Dienstreise nach Armenien und Aserbeidschan zurück, wo er beide Seiten aufforderte, ihre Streitigkeiten beizulegen, startete er in Richtung Nigeria, um der Regierung von Präsident Goodluck Jonathan Hilfe im Kampf gegen die Terrorgruppe Boko Haram zuzusagen. Dabei hatte der nigerianische Außenminister nur eine Woche zuvor seinen deutschen Kollegen in Berlin besucht und ihm versichert, die Regierung in Abuja habe einen Waffenstillstand mit Boko Haram geschlossen, was die Gruppe ihrerseits allerdings nicht bestätigte.

Am 9. November, dem deutschen Schicksalstag, wollen die Hooligans in Berlin demonstrieren. Vor Steinmeiers Tür. Aber da wird der Außenminister wohl wieder unterwegs sein, um fremde Feuer zu löschen.

Erschienen in der Weltwoche vom 30.10.14

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Horst Nietowski / 31.10.2014

Es gab keine Strassenschlachten, es gab lediglich kleinere Rangeleien. Ich war dabei und habe es erlebt. Wer etwas anderes behauptet, der lügt entweder oder glaubt der Presse jedes Wort. Diese Lügerei geht mir nur noch auf den Sack, unglaublich sowas. Tschau, Horst

Herwig Mannhalter / 31.10.2014

Alle möglichen Videos angesehen - Gewalt, die nur ANNÄHERND an linke Demos herankommt - keine entdeckt. Können Sie, werter Herr Broda, wenigstens diesbezüglichetwas präsentieren, oder ist es doch nur taktisches Kalkül, um es sich nicht ganz mit den linksgrünen Medien und deren Politknechte zu verderben. Wenn das degenerierte, feige Bürgertum kneift, dann müssen halt solche Typen den “Das hat nichts mit dem Islam zu tun”-Dreck wegräumen.

Martin Wessner / 31.10.2014

Das Gleichnis von der SS, die die SA bekämpft, um Schaden von Deutschland abzuwenden, trifft voll ins Schwarze. Sowohl die Hooligans als auch die Salafisten sind von ihrer Weltanschauung her, um mich mal vorsichtig auszudrücken, ziemlich “konservativ” eingestellt. Stünde nicht die Ethnie und die Religion zwischen Ihnen, sie könnten Blutsbrüder werden, wie ehedem Winnetou und Old Shatterhand. Davon aber mal abgesehen, verstehe ich die benahe hysterische Erregung ob der Krawalle in Köln nicht, wo man geradezu so tut, als ob es in der fast 70jährigen Nachkriegesgeschichte Deutschlands noch nie zu gewalttätigen Demonstrationen gekommen wäre und dass das nun eine voll total neue und erschreckende Erfahrung sei, von der man geglaubt hatte, das “wir” eine solche Situation bei uns niemals erleben müssten. Kann sich denn niemand mehr an die Zeiten in den 80zigern, 90zigern und 00er Jahren erinnern, wo sich in Berlin oder in Hamburg Hausbesetzer und/oder die autonome Szene zu gegebenen Anlässen(zB. 1.Mai) Strassenschlachten mit der Polizei lieferten, die den Namen auch wirklich verdienten? Mit Barrikaden, mit brennenden Autos und teilweise mit geplünderten und brennenden Supermärkten, wo ganze Straßenzüge so aussahen, als wäre von der Enterprise Beirut nach Kreuzberg gebeamt worden? Oder kann sich noch jemand an die teilweise erbittert geführten Zusammenstöße von “Demonstranten” und der Polizei bei diversen Weltwirtschaftsgipfeln erinnern? Na, dann soll man auch nicht so verdattert tun, als hörte man zu ersten Mal, dass die Kinder nicht vom Klapperstorch, sondern vom Klappern mit seinem Storch kommen. Damalig hatten die Medien fast schon reflexartig bei den Bildern der öffentlichen Verwüstung mit zentimetertiefen Sorgenfalten auf der Stirn gefragt: “Was haben “WIR” falsch gemacht, dass es erst zu dieser Gewalt kommen musste?” Ja gut, dann muss man sich jetzt ebenso fragen: “Was haben “WIR” falsch gemacht, daß die armen, an der Gesellschaft leidenden Hooligans sich, -entgegen ihre ansonsten pazifistischen Grundhaltung- genötigt sahen, in der Domstadt so auf den Putz zu hauen?” Die ersten Selbstgeisler bitte schon mal zur Tonprobe( “Pfffd”...Klopfklopf…“Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei.”) vortreten. Diesbezüglich hat der Bundesinnenminister Thomas de Maiziere vor ein paar Tagen beispielgebend ein selbstreflektierendes, reuevolles Eingeständnis deutscher…ähh, “Kollektivverantwortung” mit gepresster Stimme ins Microphon der Presse gehaucht. “„Es sind unsere Söhne und Töchter“, so der Politiker. „Ein Großteil wurde hier geboren. Sie sind in unsere Schulen gegangen, in unsere Moscheen, in unsere Sportvereine. Wir tragen für deren Radikalisierung Verantwortung“. Yo! Yo! Wenn Dschihadist_Innen “unsere Kinder” sind(was ja nicht falsch ist), dann sind Hooliganist_Innen und die Neonazist_Innen ja wohl gewiss ebenso die Kinder unserer Gesellschaft, für deren Radikalisierung -zumindest nach der demaizierschen Logik- “WIR” Verantwortung tragen, denn diese Typen wurden gewiss nicht über Nacht von Außerirdischen mit Fallschirmen aus ihren fliegenden Untertassen heraus über Deutschland abgeworfen. Um dieses Klientel muss sich also die Politik und der Sozialstaat dann mindestens genauso fürsorglich und liebevoll kümmern, wie um heimkehrende IS-Kämpfer, die vom vielen Kopfabscheiden einen Burnout erlitten hatten. Alles andere wäre reine Bigotterie und Doppelmoral hoch Drei!

Gerhard Sponsel Lemvig / 31.10.2014

The German Fire Figther, der im Nebenerwerb noch Außenminister ist, machte sich auf den Weg nach Korea um die Stabilität in der Region zu stärken. In allen Regionen des blauen Planeten hat die BRD und der Außenminister Partner und gute Freunde. Am 9. November wird er zum stabilisieren unterwegs sein. Ist ja auch wichtig immer unterwegs zu sein. Vielleich unterliegt der Emsige zwischendurch mal den Zauber der Kurischen Nehrung. Vom Nida aus soll man angeblich so herrlich   die See- und Luftmanöver der Russen an den Grenzen der Nato beobachten können. Fremde Feuer quasi mal vor der Haustür!

Sebastian Michel / 31.10.2014

Der Vergleich, Hools gegen Salafisten sei in etwa wie SS gegen SA, hinkt doch gewaltig. Die Ideologie von Hools und rechten Gruppen steht doch in krassem Gegensatz zu der Ideologie der Salafisten. SA und SS dagegen hatten die selbe Ideologie als Hintergrund.

Frank Jankalert / 31.10.2014

Ehrlicherweise ist Steinmeier Außenminister und deshalb schon für die Situation im Ausland zuständig. Trotzdem halte ich genauso wenig von ihm wie Herr Broder. Seine dem Ausland gegebenen Versprechen haben mit unseren Interessen selten etwas zu tun. Zuständig wären doch Innen- und Justizminister. Denen gleiten die Probleme von Extremismus und Gegenextremsimus gerade völlig aus den Händen. Da sind wir aber wieder bei den Außenbeziehungen. Wer den eigenen Extremismus nicht unter Kontrolle bringt, sollte sich nicht noch den von anderen Ländern und Kulturen aufhalsen. In dieser Beziehung sind wirklich alle Regierungsmitglieder hoffnungslose Fälle.

Karl Helger / 31.10.2014

Manchmal ist der Broder einfach Mainstream. Augstein vergleicht den Totalitarismus zwischen Islamisten und der Achse des Guten und man schmunzelt hier darüber. Broder vergleicht Menschen, die gegen Grundgesetz und Freiheit der Menschen sind (Salafisten) mit Menschen, die für Grundgesetz und Freiheit der Menschen sind (Hooligans) und wird anscheinend nicht rot dabei. Wie kommt das? Muss man den Druck, den man von Augstein bekommen hat, bei der Achse jetzt irgendwie weiterreichen?

Rudolph Starhemberg / 31.10.2014

Die Profidemokraten in den Parteien und den Medien überschlagen sich augenblicklich mit Horrormeldungen über Ausschreitungen der „Hooligans“ bei der Antisalafistendemo in Köln. Allerdings belegen die gelieferten visuellen Beweise nicht die besagten Meldungen. Außer dem umgekippten Polizeiauto und einem undefinierten Wasserwerfereinsatz ist nicht all zu viel zu sehen. Das läßt vermuten, daß die Behauptungen so nicht stimmen. Die penetrant wiederholten Szenen gleichen eben nicht den bekannten Bildern von Vermummten, Molotov-Cocktails-Werfern, brennenden Autos und eingeworfenen Schaufernstern, obgleich die Antifa mitmischte. “Das Absurde an der Situation” war wohl für viele, daß nicht “Hooligans”, sondern überhaupt jemand massenhaft gegen den Salafismus und die Islamisierung demonstrierte. Der Islamismus wird halt weder hier, noch sonst auf der Welt von älteren linksliberalen Intellektuellen mit Artikeln, noch von entsprechenden Kommentatoren bekämpft, sondern hauptsächlich von jungen “Normalos.”

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