Die Bundesregierung gibt bekanntlich zig Milliarden Euro für die Bekämpfung von Fluchtursachen aus. Was das bringt, erschließt sich aus einer aktuellen Meldung: „Das Wiener ‚Internationale Zentrum für migrationspolitische Entwicklung‘ erwartet für die nächsten zwölf Monate einen gewaltigen Anstieg der Migration nach Europa. Es drohe eine Wiederholung der Zustände von 2015 und 2016.“ Wenn also schon Unsummen an Geldern nicht effektiv zum Verbleib der Leute in ihrer Heimat beitragen: Was ist angesagt, wo die Fluchtursache rein ideologisch begründet ist?
Soweit es sich um den Iran handelt, gibt es nach langen erfolglosen diplomatischen Mühen vorerst eine Antwort, wie Hourvash Pourkian von der Initiative „International Women in Power“ (IWP) am Rande einer Pressekonferenz zum Thema „Totalitäre Strukturen im Iran“ vorschlug: Eine Anzeige gegen das Mullah-Regime beim Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Neben all den Menschenrechtsverletzungen seien allein bei regierungskritischen Protesten im November 1.500 Personen kurzerhand erschossen worden. Als Institution könne die EU mit einer Anzeige tätig werden.
Die hatte übrigens den brutal agierenden Kommandeur der iranischen Quds-Brigaden, Qasem Soleimani, auf ihrer Terrorliste vermerkt. Seine Ermordung durch einen gezielten US-Drohnenangriff darf aus menschenrechtlicher Sicht dennoch nicht unwidersprochen bleiben. Ein italienischer Professor für Neuroethik etwa hat das gegenüber einer katholischen Zeitung so getan: „Wenn Amerika ein Rechtsstaat ist, müsste dazu ein Prozess stattfinden. Seit 2002 gibt es einen internationalen Strafgerichtshof, dessen Statut allerdings weder die USA noch Iran beigetreten sind. Wenn aber eine Regierung ohne Prozess oder Bestätigung durch andere staatliche Einrichtungen einfach beschließen kann, wer zu töten ist, dann wird es schwierig, etwas Prinzipielles dagegen einzuwenden, wenn auch ein Staat wie Iran zu solchen Mitteln greifen sollte.“
„Verbreitung islamistischen Gedankengutes“
Da der Iran das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs bisher nur unterzeichnet, aber nicht ratifiziert hat, müsste man an völkerrechtlicher Stelle in Bezug auf eine Anzeige gegen das Mullah-Regime also erst einmal die Zuständigkeit prüfen. Wogegen klar vorgegangen werden kann: Wenn mitten in Hamburg Anhänger des Mullah-Regimes dem getöteten Soleimani als Held und Märtyrer Gedenkzeremonien widmen. Die IWP hat auf Initiative von Hourvash Pourkian Proteste vor der Imam-Ali-Moschee (Träger: das vom Verfassungsschutz beobachtete Islamische Zentrum Hamburg IZH) durchgeführt.
Die Exil-Iranerin reichte zudem eine Strafanzeige gegen das IZH bei der Hamburgischen Generalstaatsanwaltschaft ein. Formulierter Tatbestand: „Bildung einer terroristischen Vereinigung sowie der Unterstützung von Terroristen“ sowie „Verbreitung islamistischen Gedankengutes“. Der rot-grüne Senat setzt allen Warnungen von diversen Seiten zum Trotz weiterhin auf Dialog mit dem IZH, während Pourkian die Moschee am liebsten geschlossen und zu einer Begegnungsstätte umfunktioniert sähe.
Noch zum Selbstverständnis der Iraner: Die Einführung der Scharia als Staatsdoktrin habe man mehrheitlich nie gewollt. Das Land war auch vor der Regierungszeit des 1979 vertriebenen Schahs – bis auf Zeitabschnitte in der Frühgeschichte – nicht streng islamisch, sondern von moderner Mentalität geprägt. Pourkian greift bis in die Antike zurück: Kyros der Große (ca. 590–530 v.Chr.) gelte weithin als ursprünglicher Begründer der Menschenrechte. Nachgesagt wird dem Herrscher beispielsweise eine bemerkenswerte Güte und Toleranz und dass er die Juden 538 v.Chr. aus dem babylonischen Exil befreit habe, die dann nach Jerusalem zurückkehren und ihren Tempel wieder aufbauen konnten. 1879 buddelten britische Archäologen den „Kyros-Zylinder“ aus, der gemeinhin als erste Niederschrift von Menschenrechten gilt. Laut „Länder-Informations-Portal“ verstehen sich die Iraner als „Teil eines der ältesten Kulturvölker der Erde“.
Rückgratlosigkeit der Bundesregierung
Geradezu jämmerlich, was unter der Theokratie seit 1979 aus der „mehrtausendjährigen Zivilisationsgeschichte“, die nun aus Schulbüchern getilgt sei, geworden ist. Eine ehemalige Anwältin für Familienrecht, die 2015 nach Deutschland floh und aus Angst vor Verfolgung anonym bleiben will, berichtet: Das Richterwesen im Iran bestehe inzwischen aus einem korrupten Netzwerk. Frauen dürfen in der Regel nicht als Richterinnen arbeiten. Von studierten Anwältinnen werde sexuelle Gefügigkeit erwartet – was übrigens nicht scharia-konform sei. Wer nicht gefügig ist, werde in der Arbeit massiv blockiert.
Vertrauliche Gespräche im Kreis der juristischen Kolleginnen waren der Familienrechtsanwältin nicht vergönnt: viele hätten die sexuellen Übergriffe aus Kapitulation heraus verharmlost. In der Familie konnte sie ebenfalls nicht darüber sprechen. Schließlich wandte sie sich an eine christliche Gemeinde. Dort fand sie zwar Gehör, bekam aber daraufhin politische Probleme. Die Juristin war zunehmend traumatisiert. Sie fing an, ihre Arbeit zu hassen. Sie floh. Ihre Familie ist im Iran geblieben.
Pourkian beklagt fehlende Solidarität der hiesigen Politik mit den iranischen Oppositionellen: Es verwundere, dass Iraner wegen terroristisch agierender Radikalislamisten nach Deutschland flohen und nun hier genau dieses wieder vorfinden. Die folgenschwere Rückgratlosigkeit der Bundesregierung ist vor allem dort erkennbar, wo die großzügige Verteilung hart erarbeiteter Steuergelder nicht greift. Denn den Iranern fehlt es nicht an Geld, sondern an Freiheit. Dass sich gerade jene, die ständig „Demokratie“ und „Zivilcourage“ wie einen Popanz vor sich hertragen, hier keine eindeutige Haltung einnehmen und mutig vertreten, verdeutlicht, wie es ihnen tatsächlich darum bestellt ist. Das soll die Problematik einer Lösungsfindung nicht verkennen. Jedenfalls ist es nach jahrzehntelanger Erfahrung mit dem Einsatz der Diplomatie ein Fakt, dass dies keinen Millimeter weit zur Freiheit der iranischen Bevölkerung beigetragen hat.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.