Roger Letsch / 13.02.2022 / 16:00 / Foto: Achgut.com / 11 / Seite ausdrucken

Faktenchecker und Crack-Pfeifen

Die Biden-Regierung plante, ein Programm zu fördern, das Crack-Pfeifen an bedürftige „People of Color“ verteilen wollte. Nach einem Shitstorm ruderte Biden zurück, während die Faktenchecker Überstunden machen mussten.

Ach, was muss man oft von bösen Faktencheckern hören oder lesen! So zum Beispiel auch von diesen, die bei Snopes die Fakenews gießen. Doch genug von Wilhelm Busch, die Sache ist lustig genug, wenn man sie in Prosa fasst. Die Biden-Regierung hat im vergangenen Jahr ein Förderprogramm aufgelegt, um das grassierende Drogenproblem in den USA besser in den Griff zu bekommen. Vergleichbares kennen wir aus Deutschland und es ist auch prinzipiell richtig, wenn die Adressaten die abhängigen Konsumenten sind. Organisationen, die Mittel aus dem Förderprogramm erhalten wollen, hatten bis zum 7. Februar 2022 Zeit, Anträge in Washington zu stellen. Eines der für förderwürdig gehaltenen Programme schaffte es am 9. Februar in die amerikanischen Schlagzeilen – und zwar unabhängig von deren politischer Färbung. Es ging um die Finanzierung eines Programms, das kostenlos Crack-Pfeifen verteilen wollte, um „sicheres Rauchen“ zu ermöglichen.

Die Vorstellung, der Staat würde durch die Verteilung kostenloser Crackpfeifen seinen Teil zur Verbreitung dieser desaströsen Droge beitragen, ließ viele Medien – darunter Newsweek (hier aus dem Webarchiv) – am Verstand der US-Regierung zweifeln. Da braucht es natürlich argumentative Unterstützung von jemandem, der stets genau weiß, was Sie da draußen und da drüben in den USA von ehrenwerten Regierungsprogrammen zu halten haben!

Auftritt der Faktenchecker

Snopes macht in den USA etwa das, was Correctiv in Deutschland versucht: sich schützend vor die ausgegebenen und heiligen Narrative zu werfen. Im Fall der Crackpfeifen kam Snopes dann auch am 9. Februar 2022 (hier das Original aus dem Webarchiv) pflichtschuldigst zum Urteil „größtenteils falsch“ über die empörten Meldungen „rechtsgerichteter Medien“. Die Crackpfeifen seien nämlich nur ein kleiner Teil des Programms. Es gehe auch um Spritzen, Nadeln und allerlei andere tolle Dinge. Die Meldungen waren aber nicht falsch, sondern höchstens unvollständig.

„Es stimmt zwar, dass in der Beschreibung der Finanzhilfe die Bereitstellung von Raucherkits gefordert wurde – ein bewährter Bestandteil der Strategie zur Schadensminimierung –, aber in Wirklichkeit stellten diese Kits nur eine von mehreren Unterkomponenten einer noch längeren Liste von Anforderungen an die Empfänger der Finanzhilfe dar.“

Bloß nicht „Crackpfeifen“ sagen, denn das würde ja verstanden! Der Versuch, das Programm in ein positiveres Licht zu rücken, machte jedoch am Ende alles nur noch schlimmer.

Bevorzugt in „historisch unterversorgten Gemeinden“ tätig werden

Wer in Deutschland einen Wirkverstärker braucht, um an die Fleischtöpfe des Staates zu kommen, der schreibt irgendwas Bedrohliches über den Klimawandel oder die AfD in die Antragspapiere hinein. In den Staaten ist die Farbpalette der Hauttöne das gern verwendete Glutamat, denn wenn es irgendeine Ungerechtigkeit gegenüber „people of color“ oder anderen Minderheiten zu beseitigen gilt, hüpft der Steuerdollar vor Freude. Entsprechend enthält der Antrag auf Förderung der Pfeifenverteilung natürlich einen Hinweis, wem vor allem die hilfreichen kostenlosen Dinge zur Verfügung gestellt werden sollen. Sie raten richtig, liebe Leser: die „people of color“ pfeifen ohne Pfeifen auf dem letzten Loch, da muss Abhilfe her!

Auch hier grätscht Snopes in die Argumentation hinein. Es ginge nicht primär darum, „racial equity“ voranzutreiben. Der Antragsteller wolle lediglich bevorzugt in „historisch unterversorgten Gemeinden“ tätig werden und trügen damit eher indirekt zu diesem wünschenswerten Ziel bei. Das hätten diese rechten Medien einfach falsch verstanden!

Irgendwie kam die Vorstellung, staatlich finanzierte Crackpfeifendistributoren würden in „historisch unterversorgte Gemeinden“ gehen, um dort Drogenabhängige mit den dringend benötigten Pfeifen auszustatten, dann doch nicht so gut an. Schließlich sind es dieselben Leute, die mit ihren neuen Pfeifen an anderer Stelle (Crack-Konsum ist, soweit ich weiß, immer noch illegal in allen US-Staaten) von der Polizei wegen Drogenkonsum verhaftet werden können. An die Dekriminialisierung des Konsums als ersten Schritt hat man wohl nicht gedacht! Auch daran nicht, wie genau sich die typische Crack-Klientel zusammensetzt und dass es oft gerade die Milieus von Minderheiten in eher schlechten Wohngegenden sind, die Opfer dieser Teufelsdroge sind. Denen auch noch Pfeifen zu bringen, ist wohl keine so gute Idee.

Die Biden-Regierung war drauf und dran, unter dem Qualitätssiegel „racial equity“ eine offen rassistische Drogenpolitik zu unterstützen. Die Zuspitzung „Did Biden Admin Fund Crack Pipes“ fasste das Dilemma also recht gut zusammen. Es muss wohl auch der Biden-Administration zu Ohren gekommen sein, wie solche Meldungen beim Wähler ankommen, weshalb sich das Gesundheitsministerium entschloss, diesen Teil des Programms schnell zu beerdigen. Das war noch am 9. Februar 2022, der ganze Sturm hatte also nicht mal zwei Tage gedauert.

Zu dumm nur, dass die Faktenchecker von Snopes schon gesprungen waren und nun in der Luft hingen mit ihrer seltsamen Verteidigung. Denn warum ein Programm stoppen, das nach Auskunft von Snopes so segensreich sei und das die „rechten Medien“ nur nicht richtig verstanden hätten? Ein Berichtigung des Faktenchecks musste her:

Neue Bewertung bei Snopes: Veraltet

„Nach einer Welle grob irreführender Berichterstattung im Februar 2022 legte das US-Gesundheitsministerium fest, dass im Rahmen eines Subventionsprogramms zur Reduzierung von Schäden durch Drogenmissbrauch keine Bundesmittel verwendet würden, um Pfeifen in Kits zum sicheren Rauchen aufzunehmen. Dieses neu festgelegte Detail war ursprünglich nicht verfügbar, was bedeutet, dass die Behauptungen, die in einer ersten Berichterstattungswelle gemacht wurden, veraltet waren“, heißt es bei Snopes.

Schnell noch den Freunden von Google einen Wink geben und dann zur Tagesordnung übergehen. „Größtenteils falsch?“ – war da was? Haben wir das gesagt? Google betätigt sich für jeden, der nach den Schlagzeilen mit den Pfeifen sucht, als Pfeifenreiniger und schaltet den Suchergebnissen folgenden Disclaimer vor: „Anscheinend ändern sich die Ergebnisse sehr schnell. Wenn es sich um ein neues Thema handelt, kann es manchmal eine Weile dauern, bis Ergebnisse von vertrauenswürdigen Quellen hinzugefügt werden.“

Das soll wohl heißen: „Liebe Benutzer, unsere Nachrichtenkette ist leider unterbrochen, weil unsere Schönschreiber momentan in der argumentativen Klemme stecken, seit die Regierung, der wir treu ergeben sind, im Sprung das Pferd gewechselt hat. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, diesen Glitch in der Matrix zu reparieren und werden Ihnen bald eine Erklärung für den Richtungswechsel liefern, den ihr Hirn widerstandslos akzeptieren kann.“ Ich tippe ja auf eine rechte Medienverschwörung. Irgendwas mit Fox News, Trump, Q-anon und kanadischen Truckern. Ja, so könnte es gehen!

Die angeschlossenen Medien fangen inzwischen an, die „Crack Pipes“ durch „Safe Smoking Kits“ zu ersetzen. Sieht doch gleich viel besser aus! Bald kann die Matrix rebooten.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Jan Kandziora / 13.02.2022

die Crackpfeife: Journo auf Crack

Ludwig Luhmann / 13.02.2022

Biden weiß eben, was er seinem N-Wort Hunter schuldig ist.

Volker Kleinophorst / 13.02.2022

“Crack-Pfeifen an bedürftige „People of Color“. Kann man nicht erfinden. Moderne Zeiten. alte Idioten. Schilda ist da zu schwach. Wenn überhaupt: Black Schilda (Das Black bezieht sich auf Schwarze Magie nicht auf Hautfarben).

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