Wer oder was, würden Sie sagen, ist ein Held? Ich persönlich definiere einen Helden als jemanden, der sich durch außerordentlichen Einsatz an einer bestimmten Person oder um die Allgemeinheit verdient gemacht hat und dies vielleicht sogar unter Einsatz seines Lebens oder seines Hab und Guts.
Tante Wiki beschreibt einen Helden wie folgt: „Ein Held ist eine Person, die eine Heldentat, also eine besondere, außeralltägliche Leistung vollbringt.“ Das kann der Feuerwehrmann sein, der unter Lebensgefahr einen Säugling aus einem brennenden Haus rettet, das kann der Soldat sein, der im Auslandseinsatz getötet wird, während er seinen Kameraden das Leben rettete, das kann eigentlich jeder sein, der einem anderen in einer Notsituation beispringt. Kurios wird es jedoch da, wo denn Helden dann eigentlich gedankt und gedacht werden sollte.
Im richtigen Leben sieht das so aus: Da bekommt die Feuerwehr eine Rechnung, die Partei, die den Soldaten in den Krieg schickt, verweigert ihm das Andenken, diejenigen, die am Lautesten über „Zivilcourage“ schwadronieren, können sich nicht zu einer posthumen Anerkennung durchringen.
In einer Konfettiparade durch das Brandenburger Tor fahren
Aber Halt! So hart will ich dann doch nicht sein. Denn es gibt sie doch noch, die wirklich wahren Helden, die wahre Heldentaten in wahren Krisensituationen vollbringen, die sich heroisch und selbstlos verhalten und uns allen wie ein Fanal voranleuchten sollten! Sie erinnern sich vielleicht, als wäre es erst letzte Woche gewesen: Eine Gruppe finsterer Meuchelnazis wollte den Reichstag – oder vielmehr seine Treppe – stürmen und da Selfies machen, und nur dem mutigen, tapferen Einsatz dreier selbstloser Polizisten ist es zu verdanken, dass irgendetwas vielleicht Schlimmeres bis hin zum Staatsstreich oder dem Betreten des Bundestags ohne gültige Eintrittskarte außerhalb der Geschäftsöffnungszeiten verhindert wurde. Durch Brüllen („Ich will, dass Sie da weggehen“) und das engagierte Wutschen und Wedeln mit einem Schlagstock wurden mindestens, wenn nicht noch viel mehr Usurpatoren aufgehalten.
Ja, diesen drei Helden wurde endlich einmal öffentlich Dank gezollt. Nicht nur die Mindestanforderung, der Empfang bei dem höchsten formalen Amtsinhaber dieser (gerade noch einmal so davongekommenen) Republik wurde erfüllt, nein, es werden weitere Stimmen laut, diesen lebensgefährlichen Einsatz noch weiter zu würdigen. Wenigstens muss den Beamten auch das Bundesverdienstkreuz verliehen werden. Denn jene haben es sich „für Leistungen, die im Bereich der politischen, der wirtschaftlich-sozialen und der geistigen Arbeit dem Wiederaufbau des Vaterlandes dienen“ erarbeitet, und der Orden soll ja auch eine „Auszeichnung all derer bedeutet, deren Wirken zum friedlichen Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland beitragen“. So zumindest der diesmal erstaunlich humorbefreite Wolfgang Kubicki. Außerdem sollen sie schneller befördert werden. Also, in der Laufbahn. Nicht in der Berliner S-Bahn.
Aber genügt das wirklich, um echte Helden zu würdigen? Ich meine: Nein. Auf keinen Fall. Sehen wir uns doch einmal an, wie echte Helden früher gefeiert wurden: Warum lassen wir die wackeren Verteidiger des Reichstags nicht in einer Konfettiparade durch das Brandenburger Tor fahren? Wir könnten, ganz umweltfreundlich, ja ein offenes Elektroauto und Rosenblüten verwenden? Was ist mit Jungfrauen, Lerchenzungen und anderen erlesenen Benefits und Speisen für unsere Helden? Auch wenn es natürlich mit Jungfrauen über dem justiziablen Alter in Berlin eher mau aussehen dürfte? Schickt Weihrauch, Gold und Wencke Myhre! Helden wurden uns geboren! Flechtet ihnen Kränze! Aus Lorbeer, Eichenlaub und Fenchel!
Muss es jedes Mal erst Krieg geben?
Lasst Herbert Grönemeyer hymnische Elogen auf sie komponieren! Und von Steinmeiers Lieblingskapelle „Feine Sahne Fischfilet“ vortragen! Leute, da muss was gehen. Wann sah man je seit der Eröffnung des ersten Apple-Stores in Berlin derartige Heldentaten? Ja, verdammt, warum wird der Reichstag nicht illuminiert? Ist allen Ernstes kein Scheinwerfer aufzutreiben, der das Logo der Berliner Polizei in den Himmel wirft? Ist es einer so reichen Stadt wie Berlin, einem so reichen Land wie der Bundesrepublik nicht möglich, ein 7-tägiges Festbankett für alle Bürger Berlins zu geben? Wenn das normalerweise sogar ein kleines gallisches Dorf schafft? Wieso führen wir bei der Polizei keine Jodo-Wettkämpfe im Gedenken an unsere Helden ein? Lasst uns Spiele feiern, in denen die blutunrünstigen Treppenterrier von wilden Polizeihunden zerfleischt werden!
Und was wurde eigentlich aus dem guten alten Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Schwertern, Brillanten und güldenem Eichenlaub? Muss es jedes Mal erst Krieg geben?
Ein Empfang! Vielleicht auch noch mit Häppchen aus der Metzgerei neben dem Schloss Bellevue oder was? Das kann es doch nicht gewesen sein! Wann sinniert der Berliner Innensinnierer Geisel über die Umbenennung von Straßen oder Plätzen nach? Statt der drögen „Straße des 17. Juni“ böte sich doch „Allee der tapferen Volks-Polizisten“ an? Und neben dem sowjetischen Ehrenmal ließe sich doch prima noch ein Denkmal nach Vorbild der Ninja-Turtles errichten: „Dem selbstlosen Einsatz gegen die Erstürmung des Reichstags“? Wir könnten sogar ganze Vergnügungsparks mit Treppen errichten, in denen zweimal am Tag die Abwehr der Erstürmung des Reichstags nachgestellt wird! Winnetou läuft in Bad Segeberg ja auch in der Endlos-Schleife! Und den hat es nie gegeben!
Und last but not least: Wann dreht Oliver Hirschbiegel gemeinsam mit Roland Emmerich „Der Treppen-Aufgang“? „Nach wahren Begebenheiten“? Das Original des brüllenden Polizisten hat ja bereits Schauspielerfahrung. Und für die behelmten anderen beiden Helden könnte man vielleicht „Toto und Harry“ gewinnen? Als hetzende Unheilpraktikerin mit kulturell unverschämt angeeigneten Rastalocken könnte ich mir Lilli Schweiger oder ihren Vater vorstellen, und den besten Bundespräsidenten, den es je gab, würde ich mit Morgan Freeman besetzen. Obwohl der für die Rolle viel zu gut wäre! Als Höhepunkt und zwar unhistorisches, aber dramatisches Moment (und damit Menschen mit ohne Migrationshauptgrund nicht zu kurz kommen) könnte ja Attila Hildmann mit der türkischen Fahne und einem Kochbuch die Treppenstürmer unter dem Schlachtruf „Wir haben geronnen“ anführen. Die Szene kulminiert dann in einem fernostkampftechnischen Fight auf Leben und Lebenlassen mit einem der Helden der Polizei, und Hildmann wird mal wieder verhaftet. Am Ende gibt es dann den Deutschen Filmförderpreis am Gängelbande.
Doch, das würde ich mir auf ARTE ansehen. Leider muss ich ja alles selbst machen.
(Weitere Elogen des Autors auf www.politticker.de)