Robert von Loewenstern / 13.07.2018 / 15:30 / Foto: Kirk / 12 / Seite ausdrucken

„Ein Festivalzelt für die Periode“

Vor 25 Jahren ging ein Werbespot des Tampon-Herstellers o.b. auf Sendung, der rasch Kultstatus erlangte. Eine „Bettina Schmitz, Journalistin“ führte angenehm seriös durch den 30-Sekünder, dem Anschein nach im Home Office. Sie eröffnete mit dem heute legendären Satz: „Die Geschichte der Menstruation ist eine Geschichte voller Missverständnisse.“

Nach dem starken Einstieg klärte der Spot zwar keines dieser Missverständnisse auf, schuf dafür aber zum Ausgleich ein neues. Investigativjournalistin Schmitz: „Ein o.b. bleibt nicht außen vor wie Binden, sondern nimmt die Regel ganz natürlich da auf, wo sie passiert: im Inneren des Körpers.“ Dabei legte sie in Großaufnahme einen Tampon in ihre Handinnenfläche und umschloss ihn fest mit den Fingern. Wie viele weiße Saturday-Night-Jeans die Information, wo genau die Regel passiert, ruiniert hat, ist nicht bekannt. 

Dieser Meilenstein der Werbegeschichte ist so heute nicht mehr denkbar. Zum einen würde sich in Zeiten von „Lügenpresse“ keine Agentur mehr trauen, ihrem Werbekunden eine Journalistin als glaubwürdiges Testimonial vorzuschlagen. Eher schon einen Gebrauchtwagenverkäufer. 

Zum anderen lautete der damalige Slogan: „o.b. Damit die Regel sauber und diskret abläuft.“ Das passt natürlich längst nicht mehr in die Zeit, denn „sauber und diskret“ klingt nach Tabu, und Tabus gilt es heutzutage unbedingt aufzubrechen.

Gut daher, dass es in der neuen Zeit auch neue Agenturen gibt, die den aktuellen Vibes nachspüren. Zum Beispiel die Berliner goalgirls, die mit einer Art Merkel-Raute als Logo auftreten und sich als CREATIVE GIRLPOWERHOUSE FOR BRAND EXPERIENCES verstehen. Kreativdirektorin „Kaddie“ erklärt das Geschäftsmodell genauer: „Wir verknüpfen progressive Marken mit den Bewegungen der zeitgenössischen Pop-Kultur – so impulsiv wie der Strom der Zeit.“ 

„Bloody Marys trinken und gemeinsam menstruieren“

Apropos „Strom der Zeit“: Die goalgirls engagieren sich für Red Tent, „ein Festivalzelt für die Periode“. Um die Monatsregel angemessen abzufeiern, können sich dort „menstruierende Festivalbesucher kostenfreie Periodenprodukte abholen, an Workshops teilnehmen, Bloody Marys trinken und gemeinsam menstruieren.“ Das Red Tent-Logo, passend in Rosa bis Braunrot gehalten, vermittelt sogar noch ein bisschen mehr Mumu-Power als die goalgirls-Raute.

Auf die Idee mit den Menstruationszelten kam die Kaddie, als sie mal „die Periodenthematik“ genauer recherchierte: „Was wir herausgefunden haben, war ein Schock für uns. Von der Schädlichkeit von Tampons bis zu deren Versteuerung als ,Luxusware‘ – es hat sich alles irre falsch angefühlt.“ Dass die Kaddie eine „Idee“ hatte, fühlt sich allerdings auch ein bisschen falsch an. Red Tent gibt es nämlich schon seit vielen Jahren, jedenfalls im Ausland. Macht nichts, lieber gut geklaut als schlecht erfunden, lautet ein alter Grundsatz, nicht nur der Werbeindustrie.

Irre richtig fühlt sich dagegen an, Red Tent als Crowdfunding-Projekt aufzulegen. Da kann nämlich jede/r Berufene aus der „Community“ für die gute Sache mitspenden, damit die Powerschwestern „das Design des Zeltes verbessern und das Programm weiter ausarbeiten“ können. Denn: „Um dieses Projekt so großartig wie möglich zu machen, brauchen wir den Support der Community – auch kleine Beträge helfen uns, die Produktion von coolen Aktionen in Gang zu setzen. Von Glitzer für unsere Glitzertampon-Ohrringe oder rote Farbe für die Bärte der Männer – es gibt endlos viele Ideen!“

Stimmt. Da ich persönlich eher selten Tampon-Ohrringe oder regelrote Männerbärte trage, spenden ich hiermit eine andere Idee: Wie wär’s mit Bloody Corners in Szene-Cafés? Dort könnten Menschen mit Menstruationshintergrund auf zweckdienlichen Red Chairs ungestört der Natur freien Lauf lassen, direkt in die praktischen Auffangbehälter von Lunette.

Das würde sich gut fügen, denn der Produzent von Menstruationstassen ist rein zufällig einer der Auftraggeber der goalgirls, die so geschockt sind über die „Schädlichkeit von Tampons“. Und noch ein Zufall: Aktuell erscheinen in kleinen bis großen Medien Meldungen über Red Tent – kurz, bevor der Finanzierungszeitraum für das Crowdfunding abläuft, das den PR-Etat von Lunette zufällig so angenehm entlastet.

Crowdfunding hin, goalgirls her: Irgendetwas sagt dem erfahrenen Werbetreibenden, dass die Lunette-Menstruationstasse trotz aller Anstrengungen nicht nahtlos an den Welterfolg des o.b.-Tampons anknüpfen wird. Ist nur so ein (Verzeihung) Bauchgefühl.

Robert von Loewenstern ist Jurist und Unternehmer. Von 1991 bis 1993 war er TV-Korrespondent in Washington, zunächst für ProSieben, später für n-tv. Er lebt in Bonn und Berlin.

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Bernhard Freiling / 13.07.2018

Und dann macht sich “Kaddie”, oder war’s “Penelope”,  auch stark dafür Hygieneprodukte, die im Zusammenhang mit der Menstruation zu sehen sind, von der Mehrwertsteuer zu befreien. Schliesslich seien Frauen die einzigen, die hiervon betroffen seien und im Laufe der “Fruchtbarkeit” kämen da schon schnell mal 2.000 Euro oder so nur für Angehörige dieser Personengruppe zusammen. Als ich das auf WO las, dachte ich so bei mir, jou, der Forderung kannste dich anschliessen. Unter der Voraussetzung, daß auch Rasierer, Rasiercreme und After Shave von der Besteuerung ausgenommen werden. Schliesslich ist der Bartwuchs, der meist durch Rasieren “bekämpft” wird, ein Alleinstellungsmerkmal (zum allerüberwiegenden Teil zumindest) von Männern. Und im Laufe einer 50 bis 70 Jahre andauernden Rasiererkarriere kommen da auch schon mal 5.000 oder mehr € zusammen.

Peter Katz / 13.07.2018

Warum auch nicht, da es ja keinen Themenbereich mehr gibt der nicht in die Öffentlichkeit gezerrt wird um dort gewinnbringend ausgewalzt zu werden - stets mit dem hochnäsigen Hinweis es handele sich dabei um irgendwas mit Feminismus, wundert mich auch diese Pop-Kulturelle Entgleisung keinswegs. Man sollte am besten gleich noch blutrote Girlieshirts mit der Aufschrift “Proud to Menstruate” (oder so ähnlich) verteilen damit es auch dem letzten Honk aufgenötigt werden kann der nicht schnell genug das weite suchen konnte. Ist es für manche Frauen eigentlich noch ein denkbares Konzept das es Menschen gibt die gewisse Dinge über Körper und befinden von Frauen nicht wissen wollen? Wäre es im Gegenzug nicht genauso gewinnbringend wenn man ein BlueTent aufstellte, indem gratis Viagra verteilt würde… ? Mit verzweifelten Grüßen P.Katz

Gabriele Schulze / 13.07.2018

Post-post-menopausal, aber sprachlich update: boah ne, ist das eklig!!

U. L. Kramer / 13.07.2018

So ganz gesund können Tampons nicht sein, steht doch auf dem Beipackzettel (in der Verpackung, also erst lesbar nachdem man diese gekauft hat) ein Warnhinweis, bzgl. eines Bakteriums welches u. U. sogar zum Tod führen kann. Es soll zwar sehr selten vorkommen, aber wenn man die eine Frau von Vielen ist, die es bekommt und daran stirbt, dann hätte man sich vielleicht gewünscht, lieber keinen Tampon benutzt zu haben. Ob nun allerdings diese Menstruationstasse besser ist, das weiß ich auch nicht. Allerdings finde ich es recht albern, dass man in der heutigen Zeit über Alles und Jedes reden muss, obwohl das Thema doch sehr privat ist und vielleicht zwischen Mutter und Tochter oder guten Freundinnen besprochen werden sollte, aber nicht unbedingt in der Öffentlichkeit. Ich finde man sollte gewisse Themen einfach in der Privatsphäre belassen. Nichtsdestotrotz darf und sollte man natürlich tabufrei aufklären und informieren. Aber einen Event aus der Monatsblutung zu machen, das muss nun wirklich nicht sein. Da gibt es doch viel schönere Themen um einen Event zu machen, oder?

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