Gastautor / 15.01.2024 / 06:00 / Foto: Pixabay / 23 / Seite ausdrucken

Eigener Strom macht souverän

Von Edgar L. Gärtner.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich entschieden, in der Energiepolitik nicht auf die EU zu hören, sondern lieber auf eine eigenständige und sichere Stromerzeugung zu setzen. Wer will schon dem deutschen Irrweg folgen?

Auch wenn gerade eine Kältewelle im anrollen ist, haben die Franzosen in diesem Winter zum ersten Mal seit Jahren keinen Grund, sich Sorgen um einen möglichen Blackout infolge von Strom- und Wassermangel zu machen. Die Talsperren für die Wasserkraftwerke sind trotz der langen Trockenperiode im vergangenen Jahr durch die ergiebigen Regenfälle gegen Jahresende bis zum Rand voll. Auch die Gasspeicher sind trotz der Unterbrechung der Versorgung aus Russland zu 100 Prozent gefüllt – und zwar überwiegend mithilfe von teurem Flüssiggas aus den USA.

Nicht zuletzt ist der französische Nuklearpark nach dem reparatur- und wartungsbedingten monatelangen Ausfall von fast der Hälfte der Kernreaktoren jetzt wieder überwiegend in Betrieb. Aktuell gilt eine gesicherte Kapazität von 300 bis 330 TWh abrufbar. „Das französische Energiesystem ist zur Normalität zurückgekehrt“, meldet der Top-Ingenieur Philippe Charlez auf der regierungskritischen Plattform „Boulevard Voltaire“. 

Im letzten Winter blieben die französischen Stromkunden allerdings nicht nur durch Importe aus Deutschland, Italien, Spanien, der Schweiz und Belgien vor dem Blackout bewahrt, sondern auch durch das außerordentlich milde Wetter. Der elektrische Leistungsbedarf überschritt höchstens für Augenblicke die Marke von 70 GW, während er bei der letzten großen Kältewelle im Februar 2012 wegen der weiten Verbreitung von Elektroheizungen 100 GW und mehr erreichte. Außerdem ist der Strombedarf Frankreichs im letzten Jahr um fast 10 Prozent gesunken.

55.000 Unternehmen sollen ihren Betrieb eingestellt haben

Verantwortlich dafür waren aber weniger bewusste Energiesparmaßnahmen, für die die Regierung Macron/Borne mithilfe ermüdend oft ausgestrahlter TV-Spots über „sobriété énergétique“ (am besten zu übersetzen mit Energie-Knausrigkeit) warb, sondern eher eine Welle von Konkursen vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen. Nicht weniger als 55.000 Unternehmen sollen nach ersten Schätzungen im vergangenen Jahr ihren Betrieb eingestellt haben. Das bedeutet eine Verdoppelung im Vergleich zum Jahr 2021, in dem bereits die wirtschaftlichen Auswirkungen des Covid-Lockdowns spürbar waren.

Inzwischen hat Frankreich wieder in seine Rolle als klassisches Elektrizitäts-Exportland zurückgefunden. Es exportiert jeden Tag zwischen 5 und 10, an manchen Tagen sogar 15 Gigawattstunden. So sorgen die Franzosen dafür, dass die deutschen Stromkunden nach der Abschaltung des letzten Kernkraftwerkes immerhin etwas „klimaneutral“ erzeugten Strom bekommen. Glück hatten die Franzosen auch mit der Entwicklung des Gaspreises, der in der EU bis zum Ende dieses Jahres aufgrund des in der EU geltenden Merit order Systems der Strompreisbildung noch immer indirekt die Strompreise beeinflusst.

Der Gaspreis ist seit November 2022 von 150 € je Megawattstunde auf 32 €/MWh gefallen. Der Gestehungspreis für Strom bewegte sich in Frankreich im vergangenen Jahr zwischen 50 und 100 €/MWh. Um die Jahreswende 2021/22 war der Strompreis schon vor dem Stopp der Gasimporte aus Russland wegen des Ukraine-Krieges über 400 €/MWh geschossen und hatte viele Unternehmen in Schwierigkeiten gebracht.

Allerdings kommen die Endverbraucher kaum in den Genuss dieser beeindruckenden Verbilligung, denn die französische Regierung setzt seit Anfang 2023 streng nach Plan die schrittweise Aufhebung des Tarif-Schutzschildes (bouclier tarifaire) um. So werden die Strompreise in Frankreich noch bis Anfang 2025 kräftig ansteigen. Aber dank der Renaissance der Kernenergie haben die Franzosen zumindest keinen Blackout zu fürchten.

Die EU war nicht hilfreich

Die Franzosen können sich glücklich schätzen, dass sie ihren überaus EU-freundlichen Staatschef Emmanuel Macron dazu gebracht haben, in der Energiepolitik nicht auf Brüssel zu hören. Macron musste sich (wahrscheinlich à contre-coeur) dafür einsetzen, dass die Kernenergie in der EU-Taxonomie zur Umsetzung des „Green Deal“ als „klimaneutral“ anerkannt wird. Er musste sich dabei gegen eine mächtige, von Berlin gesteuerte Lobby für 100 Prozent „Erneuerbare“ durchsetzen.

Wie es seine Art ist, versuchte Macron den Konflikt zu entschärfen, indem er beides versprach: Kernkraftwerke und „Erneuerbare“. Dabei liegt es auf der Hand, dass Kernkraftwerke Anlagen zur Gewinnung von „Zappelstrom“ wie Windräder, Photovoltaik-Anlagen u.ä. völlig überflüssig machen und deren Ausbau durch Kapitalverschwendung obendrein beeinträchtigen. 

Sicher wäre es weit verfrüht, davon auszugehen, dass Frankreich die Energiekrise dauerhaft überwunden hat, zumal sich auch dort die grüne Unvernunft ausbreitet. Aber es ist klar, dass Frankreich sich nun in der Energiepolitik auf seine nationalen Stärken besinnt. Dem trug Macron in seiner Neujahrsansprache Rechnung, in der er zwar, wie gewohnt, mit schönen Worten so gut wie nichts sagte, sich aber auch auf den Nationalstolz und das „Interesse der Nation“ berief.

Gleichzeitig sprach er aber von „europäischer Souveränität“. Er weiß sehr wohl, dass bei den bevorstehenden Debatten vor den Wahlen zum Europa-Parlament am 9. Juni die Frage der Umwandlung der EU in eine Art Föderalstaat großen Raum einnehmen wird. Denn die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen und ihre Getreuen werben nun schon seit Monaten für die Ablösung des heute im EU-Rat noch geltenden Prinzips der Einstimmigkeit durch qualifizierte Mehrheitsentscheidungen. 

Für die meisten Franzosen ist ein europäischer Bundesstaat hingegen ein rotes Tuch, denn sie gehen davon aus, dass die Nation das größte politische Gebilde ist, mit dem ein normaler Mensch sich noch identifizieren kann. Staatspräsident Macron weiß, dass das Ansinnen, die nationale Souveränität der Mitgliedstaaten, also der Nationen, noch stärker zugunsten der EU einzuschränken, bei den Franzosen auf heftigen Widerstand stößt. Er hat weder im Parlament noch in der Bevölkerung eine Mehrheit hinter sich und ist heute deshalb oft gezwungen, gegen seine eigene Überzeugung das Richtige zu tun.

Ein Vergleich der Entwicklung in Frankreich und Deutschland zeigt, dass es nicht ratsam ist, den aktuellen energiepolitischen Herausforderungen mit dem hierzulande verbreiteten und vom WEF geförderten Tabula-rasa-Denken zu begegnen. 

 

Edgar L. Gärtner ist studierter Hydrobiologe und Politikwissenschaftler. Seit 1993 selbständiger Redakteur und Berater, als solcher bis 1996 Chefredakteur eines Naturmagazins. Bis Ende 2007 Leiter des Umweltforums des Centre for the New Europe (CNE) in Brüssel. In Deutschland und in Südfrankreich ist er als Autor und Strategieberater tätig. Dieser Beitrag erschien zuerst in einer längeren Fassung beim Europäischen Institut für Klima und EnergieEike"

Foto: Pixabay

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Alexandra Klabuter / 15.01.2024

Man sollte nicht vergessen, dass die Franzosen ihren AKW-Park fast immer im Sommer über warten und dafür eingeabschalten. Im Sommer ist der Energieverbrauch wesentlich geringen (keine Heizungen), so dass diese zur Wartung einfacher vom Netz genommen werden können. Desweitern sind die französischen Reaktoren “traditionell” (im Vergleich zu den abgeschalteten Deutschen AKWs) weniger verfügbar (65% zu ca. 95%) - die “Gallier” scheinen da etwas schlampig zu sein. Wer mehr wissen will: der “NukeKlaus” gibt Aufklärung.

Sam Lowry / 15.01.2024

Nur mal am Rande: Was passiert eigentlich auf Intensivstationen, wenn nach einem Blackout die Notstromaggregate trocken gelaufen sind?

A.Schröder / 15.01.2024

Elektrifizierung des ganzen Landes, das wußte schon Lenin vor über hundert Jahren, ist Macht. Deutschland verabschiedet sich gerade in die Finsternis. (Lesen sie das bevor es dunkel wird. Es wird sie erleuchten, aber nicht den Raum)

Volker Kleinophorst / 15.01.2024

Wir sind doch nicht mal als Staat souverän.

Sam Lowry / 15.01.2024

In Ba-Wü rechnet man aktuell mit einem möglichen Blackout und hält die Leute zum Stromsparen an…

F. Michael / 15.01.2024

Der Tag wo hier die Lichter aus gehen kommt und darauf freue ich mich schon, mal sehen was unsere Goldstücke dann tun werden.

Andy Malinski / 15.01.2024

@Arthur Sonnenschein: Den Spruch von den gut gefüllten Gas-Vorratslagern hörte man zuletzt wieder häufig - was ich allerdings vermisse, sind Vergleiche von Absolut-Mengen Speicher vs. Verbrauch/Bedarf - denn 95% von zu wenig und/oder teuer ist immer noch schlecht ...

J. Braun / 15.01.2024

Das mit den französischen Unternehmen, die den Betrieb einstellen, kann man nicht mit Deutschland vergleichen. In Frankreich gibt es unzählige Handwerksbetriebe, die als SARL firmieren und das dann mit einer lächerlichen Einlage von vielleicht 1200 Euro. Das bedeutet schlicht, wenn nur ein einziger Kunde nicht bezahlt, entweder weil er kein Geld hat oder wegen Mängeln die Zahlung verweigert, dann fehlt das Geld für die nächste Rate des Fahrzeugs. Aus diesem Grund verlangen französische Bauhandwerker bei etwas größeren Aufträgen auch grundsätzlich Vorschüsse von 50% des Angebots. Da aber in Frankreich das gesamte Bauhandwerk ohne den Meisterzwang eher amateurhaft arbeitet und der Maurer auch gern ein Dach deckt und dann die Balken und Latten mit der Kettensäge zurechtschneidet, darf man sich über Mängelrügen nicht wundern. Und dann fehlt das Geld und man geht zum drittenmal hintereinander pleite. Macht nichts, man haftet ja nur mit 1200 Euro.

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