E-Flugzeuge: Von wegen Energiewende am Himmel

Beim Kampf gegen den Erzfeind CO2 werden bekanntlich E-Autos diskutiert, gefordert und gefördert, und es gibt wohl keinen deutschen Autokonzern, der nicht so etwas im Portfolio hätte. Das Publikum aber hält sich noch zurück. Es traut dem Frieden und den Versprechungen nicht ganz. Und auch der von der Deutschen Post für seine Auslieferungen eingesetzte elektrische Streetscooter hat die Erwartungen als strategische Geheimwaffe gegen den Verbrennungsmotor nicht erfüllt.

Dennoch bleibt es nicht aus, dass man nun auch im Himmel, so wie auf Erden, den E-Antrieb fordert. Politiker und brave Journalisten lassen sich mit E-Planes ablichten und künden ein neues Zeitalter für den Luftverkehr an.

Zuhauf finden wir Überschriften wie diese:Why the age of electric flight is finally upon us“ (Deutsch: „Warum endlich das Zeitalter der E-Flüge anbricht“, Anm. d. Red.), BBC News.

Ich schlage vor, wir schauen uns das mal an.

Der Preis des Auftriebs

Wenn Sie als Kind den Arm aus dem Autofenster gestreckt haben, dann spürten Sie den Druck des Fahrtwinds. Das funktioniert übrigens auch bei Erwachsenen, die jung geblieben sind. Je nachdem, wie die Hand gedreht wird, wirkt da eine Kraft nach oben oder nach unten, auf jeden Fall aber nach hinten. Die nach oben, auch „Lift“ genannt, ist nützlich für die Fliegerei, damit können wir Maschinen fliegen lassen, die schwerer sind als Luft. Die Kraft nach hinten stört uns, weil sie das Flugzeug abbremst. Sie heißt „Drag“.

Die Tragflächen an einem Flieger will man nun so gestalten, dass sie möglichst viel Lift bei wenig Drag produzieren, mit anderen Worten, man will das Verhältnis Lift / Drag (L:D) so groß wie möglich machen. Darüber haben die Ingenieure viel nachgedacht und herausgefunden, dass dieses L:D umso besser wird, je länger man den Flügel macht und je kürzer das Maß von Vorder- zur Hinterkante der Tragfläche ist, genannt „Sehne“.

Bei Segelflugzeugen finden wir extrem lange Tragflächen mit ganz kurzen Sehnen. Das gibt ein optimales L:D, bis zu Zahlen von 40 oder 50. So ein Segelflieger sinkt bei ruhiger Luft gerade mal einen Meter und kommt 50 Meter voran. Aus guten Gründen haben Motorflugzeuge nicht so schlanke Flügel, aber man kommt dennoch auf ein L:D zwischen 10 und 20. Dabei wird der Drag natürlich nicht nur von den Tragflächen geliefert, sondern auch von Rumpf und Zubehör. Letzteres kann durch glatte, aerodynamische Formen stark gemindert werden – so wie bei Ihrem Sportwagen.

Ein Helikopter, dessen Tragflächen sich nicht geradeaus bewegen, sondern im Kreis, hat ein L:D von 4–5; in dieser Kategorie liegen auch die Drohnen. Und der König der Lüfte und Schrecken der Fische, der Albatros, bringt es bei einer Spannweite von 3,5 Metern auf ein rekordverdächtiges L:D von 20. Egal, wie der Flieger angetrieben wird, durch Muskelkraft, elektrischen Strom oder Benzin, und egal, wie wir ihn „streamlinen“, der Drag der Tragflächen wird immer bleiben. Das ist der Preis, den wir für den Lift bezahlen müssen.

Unterwegs in der Boeing 737

Eine volle Boeing 737 wiegt 70 Tonnen und hat ein L:D von 14. Der Luftwiderstand in Flugrichtung entspricht also 70:14 Tonnen = 5 Tonnen. Das sind, als Kraft ausgedrückt, 50.000 Newton. (Die Zahlen, die Sie hier lesen – außer die 737 – sind übrigens nicht auf das Hundertstel genau, aber das tut der ganzen Betrachtung keinen Abbruch. Denken Sie sich vor jeder Zahl immer ein gedrucktes „etwa“. Lieber ungenau und richtig, als genau und falsch.)

Jetzt kommt noch etwas mehr Physik: Um einen Gegenstand mit bestimmter Kraft und Geschwindigkeit zu bewegen, brauchen wir eine bestimmte Leistung = Kraft x Geschwindigkeit. Die Kraft bei unserer B737 wissen wir schon, das sind die 50.000 Newton. Ihre Geschwindigkeit ist 250 m/sec. Multipliziert ergibt das eine Leistung von 12.500 Kilowatt. (Das gilt im Reiseflug. Die Triebwerke der B737 müssen bei Bedarf wesentlich mehr leisten als die oben geforderten 50.000 Newton, etwa bei Start und Steigflug.)

Dafür wollen die Triebwerke gefüttert werden. Auf einen Flug von sechs Stunden nimmt man, einschließlich Reserve, Treibstoff für acht Stunden mit. Dann berechnet sich der an Bord notwendige Energievorrat – sei es Kerosin oder elektrischer Strom – folgendermaßen: 12.500 Kilowatt mal 8 Stunden, das sind genau 100.000 Kilowattstunden. (Tatsächlich braucht man mehr, weil die eingespeiste Energie nicht zu 100 Prozent in Antrieb umgesetzt wird, aber so genau wollen wir das jetzt nicht wissen.)

Batterien: Verdammt schwer

Normalerweise ist das Futter für die Motoren in Form von Kerosin an Bord, aber wir wollen ja jetzt elektrisch fliegen. Bauen wir also Elektromotoren an den Flieger und packen Batterien an Bord. Wie viele?

Eine typische Autobatterie hat 12 Volt Spannung und die Kapazität von 80 Amperestunden. Damit hat sie ziemlich genau eine Kilowattstunde gespeichert. Davon bräuchten wir jetzt nur 100.000 in den Flieger zu stellen und los geht’s. Als verantwortungsvolle Piloten checken wir vor Abflug gerade noch das Gewicht, das wir uns da einladen. Eine Batterie hat so etwa 20 kg, wir packen uns also 100.000 x 20 kg = 2.000 Tonnen Batterien ein. Das passt mit den 70 Tonnen Maximalgewicht unserer 737 nicht so recht zusammen!

Zu recht weisen Sie mich jetzt darauf hin, dass diese schweren Bleibatterien von vorgestern seien, und dass Elon Musk für seinen Tesla eine wesentlich leichtere Lösung gefunden hat. Einverstanden, die bringen aber immer noch 6 Kg pro kWh auf die Waage, also 600 Tonnen für den Betrieb unserer Boeing. Und auch die bringen wir in besagten 70 Tonnen nicht unter.

Sie wenden ein, dass es in der Vergangenheit schon immer unerwartete technische Durchbrüche gab, welche die geheiligten Thesen der Vergangenheit Lügen straften. Mag sein, aber hier wäre es nicht unerwartet, sondern herbeigesehnt. Und da kann man sich die Wartezeit nur damit vertreiben, dass man an inkrementellem Fortschritt arbeitet. Wir müssten aber eine Gewichtsminderung der Batterien um den Faktor 20 erreichen, um mit Kerosin gleichzuziehen. Das hört sich verdammt schwierig an.

Ein elektrischer Biber

Jetzt aber halten Sie mir den ultimativen Trumpf vor die Nase, einen Zeitungsausschnitt von „The Guardian“ vom Dezember 2019. Da steht es schwarz auf weiß:

„… Das E-Flugzeug – ein 62 Jahre alter DHC-2 de Havilland Beaver mit sechs Passagieren, die mit einem 750 PS starken Elektromotor nachgerüstet war – wurde von Greg McDougall, Gründer und Geschäftsführer von Harbour Air, pilotiert. 'Für mich war dieser Flug wie das Fliegen einer Beaver, aber es war eine Beaver voller elektrischer Steroids. Ich musste tatsächlich die Leistung zurückdrehen', sagte er nach der Landung. McDougall hatte das Flugzeug kurz nach Sonnenaufgang auf eine kurze Reise entlang des Fraser River in der Nähe des internationalen Flughafens von Vancouver genommen, vor rund 100 Zuschauern. Laut AFP-Journalisten vor Ort dauerte der Flug weniger als 15 Minuten.“

Ein interessanter Artikel. Aber haben Sie auch den letzten Satz gelesen?

Wie funktioniert das? Der Motor leistet 750PS, das sind circa 560 kW. Die brauchte er aber nur zum Start, dann wurde Leistung zurückgenommen – hat er selber gesagt – auf 60 Prozent. Dann hat er also eine viertel Stunde lang 60 Prozent von 560 kW = 336 kW verbraten, macht circa 84 kWh. Und dann ist er gelandet.

Woher hat er die 84 kWh gehabt? Vielleicht von Freund Musk. Eine Standard Tesla-Batterie wiegt 540 kg und lieferte 85 kWh – dann ist sie leer. Eine halbe Tonne „Sprit“ für 15 Minuten Flug!

Reality Check

War das ein guter „Reality Check“ in Sachen E-Flugzeug?

Ich selbst bin zwar nie eine Beaver geflogen, dafür die Beech Bonanza. Sie ist etwas schlanker und hübscher als die Beaver, und schneller. Die sechssitzige A36 hat einen 220 kW 6-Zylinder Boxermotor, den man auf Strecke mit 60 Prozent Leistung fliegt und dabei pro Stunde 50 Liter Flugbenzin verbrennt. Das sind 0,3 Kilogramm Sprit pro Kilowattstunde im Vergleich zu 6 Kilogramm bei der Tesla-Batterie. Anders ausgedrückt, mit den 540 Kilogramm der Tesla-Batterie als Sprit an Bord könnte man über 10 Stunden unterwegs sein, im Vergleich zu 15 Minuten im E-Beaver – am Fraser River entlang.

Und noch etwas: Mit jeder Stunde Flug wird der Tank der Bonanza um 40 Kilogramm leichter. Die Batterien aber bleiben immer so saumäßig schwer, auch wenn sie ganz leer sind. Elektrisches Fliegen ist ein attraktives Thema für Start-Ups, die mit guter PR Investoren ausfindig machen. Das ist eine realistische Zielsetzung. Die Physik aber lässt sich auch von bester PR nicht beeindrucken. „You cannot fool Nature.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf Hans Hofmann-Reineckes Blog Think Again sowie im Buch „Grün und Dumm“.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Hein Noog / 13.04.2020

Wie sagte ein früherer Chef von mir, wenn ein MA etwas kritisch hinterfragt hat: “Bedenkenträger können wir hier nicht gebrauchen”. Was ist mit der Brennstoffzelle und Wasserstoff? Wie wärs mit fliegenden Stromtankstellen, anlog zum Auftanken bei Militärflugzeugen. Oder noch verrückter Oberleitungen am Himmel wie bei der Bundesbahn. Den grünen Zukunftpropheten wird da schon noch etwas einfallen, hat sich Frau Baerbock und Herr Habeck dazu noch nicht geäußert. Aber ich schlage vor wir widmen uns erst mal den wirklichen Problemen, die uns derzeit belasten.

J.P. Neumann / 13.04.2020

Die elektrische De Havilland der Kanadier (Firma Harbour Air) wurde inzwischen außer Betrieb gesetzt.  Sie ist nur ein einziges Mal geflogen.  Man hofft auf weitere Tests sowie verbesserte Batterietechnik anno 2021.  Die angeblich vielversprechende deutsche Entwicklung, das Flugtaxi von Firma Lilium bei München ist leider abgebrannt. Ein weiterer Prototyp existiert noch, fliegt aber nicht. Auch hier hofft die Entwicklerfirma Lilium auf verbesserte Batterietechnik.

Richard Rosenhain / 13.04.2020

@ Zdenek Wagner: selbst bei 99% Wirkungsgrad reicht die Energie wegen der Strahlungsdichte (Energie pro Flächeneinheit) nicht. Sie sollten auch daran denken, dass Fläche Geld kostet und zusätzliche Gewichtskraft verursacht. Eigentlich trivial, wenn man sein Gehirn vor Betätigung der Tastatur einschaltet.

Volker Kleinophorst / 13.04.2020

@ K. Dörre Sie haben recht. Ein E-Hummer ist schwer vorstellbar. Und erst der E-Panzer. Ist aber egal, Krieg ist ja eh nicht unbedingt klimafreundlich. Die Antwort ist selbstredend C.

Volker Kleinophorst / 13.04.2020

Klasse Text. Im Flugzeug ist die E-Mobilität noch absurder als im Auto. Physik ist halt kein Mädchenfach. Und das Merkel Physikerin ist? Huah, Huah, Huah… Ihr Bruder ist allerdings einer. Der hat mal im Interview gesagt (aus der Erinnerung), er habe mit seiner Schwester nie über Physik geredet. Warum wohl?

Jürgen Kunze / 13.04.2020

Ich wusste es: an der Spitze der Nahrungsmittelkette zu stehen und gleichzeitig ein großes, weitgehend ungenutztes Gehirn zu haben, kann nicht gut gehen!

Richard Rosenhain / 13.04.2020

@B. Schillke: „ Vielleicht sollte man in Zukunft nicht von Naturgesetzen sprechen, sondern von Naturparametern. Ach so ich vergaß, das ist den bildungsfernen…..“. Sie sind selber bildungsfern, weil Sie nicht einmal zwischen einem naturgesetzlichen Wirkungzusammenhang („Naturgesetz“) und einem Parameter unterscheiden können. Ich liebe solche Kommentare, die man hier in reicher Auswahl findet.

Zdenek Wagner / 13.04.2020

Mit Elektrizität fliegen, oder gar schwere Lasten transportieren zu wollen, ist hoffnungslos und wird es auch für immer bleiben - es sei denn, irgendein Genie erfindet eine Batterie aus Styropor, oder Solarzellen, mit einem 99%-igen Wirkungsgrad.  Andere Wege zeigt Dr. Steven M. Greer in seinem Buch “Offiziell Geleugnet”. Für mich eines der wichtigsten Bücher der letzten 50 Jahre.

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