Thilo Schneider / 17.01.2021 / 10:00 / Foto: Bundesarchiv / 25 / Seite ausdrucken

Durch die Bank krank

Ich muss zum besseren Verständnis die Vorgeschichte erzählen, denn das war so: Dadurch, dass auf dem Häuschen, das ich gekauft habe, noch eine Gebäudeversicherung war, habe ich diese gekündigt und von einer großen und namhaften Versicherungsgesellschaft den überbezahlten Betrag als – Überraschung – Scheck bekommen. Digitalisierung hin oder her, ein derart antikes Zahlungsmittel muss man nach wie vor auf die Bank bringen und am Schalter einlösen. Übrigens sehr zur Freude der Bankangestellten, die so etwas ja auch nur noch selten zu sehen bekommen und dann untereinander Retro-Erlebnisse austauschen, wenn sie älter als 35 Jahre sind.

Jetzt dachte ich, es genügt, dass ich eine Maske aufsetze und jenes Kleinod vordigitalen Zahlungsverkehrs in meine zu den „gesetzlichen Öffnungszeiten geöffnete“ Bankfiliale trage. Aber nicht in Zeiten von Corona in Bayern: Direkt an der nur halb geöffneten, schicken Glastüre erwartete mich ein ganz in schwarz gekleideter Fitnessstudiobesucher, auf dessen Wollpullover, in Silber auf schwarzem Grund, das Wort „Security“ prangte. Ich habe Frankfurter Clubs gesehen, die weitaus schwächere Türsteher haben. Herr Security stoppte mich mit einer eindeutigen Handbewegung: „Entschuldigung, aber wir haben hier Zugangskontrollen“, erklärte er und hob mir ein Gerät im Geldbörsenformat vor die Stirn. „Temperaturmessung“, erläuterte er sein Tun. Sein Arbeitsmittel gab ein kurzes Fiepen von sich und zeigte eine Temperatur von 36,8 Grad an, was ich, als jemand, der eben von der winterlichen Straße hereinkam, als ziemlich gut betrachtete. „Temperatur normal …“ brummelte er.

„Ich wollte auf die Bank, einen Scheck einlösen“

„Haben Sie derzeit oder hatten Sie in den letzten 48 Stunden Symptome wie Husten, Schnupfen, Heiserkeit, Augentränen, Geschmacklosigkeit, Verminderungen des Hör- oder Sehvermögens, Schwindelanfälle oder Übelkeit mit und ohne Erbrechen?“, wollte er dann wissen. Ich musste überlegen: Ich hatte am Montag Fisch zum Abendessen, den ich nicht lange bei mir behalten habe, aber das war schon fünf Tage her und lag wahrscheinlich an dem Fisch. Ich huste außerdem alle halbe Stunde, weil ich Raucher bin, was ich vor allem morgens nach dem Aufwachen merke und was Geschmacklosigkeiten angeht, fand ich bei einer kurzen Revue meiner bisherigen Liebschaften (so viele waren es ja nicht) und meiner derzeitigen Wohnungseinrichtung meinen Geschmack ganz annehmbar.

„Ich kann Rotwein von Weißwein unterscheiden und Augentränen hatte ich das letzte Mal als 11-Jähriger, als die Schweine Winnetous Pferd Ri getötet haben“, antwortete ich brav und fügte „also Nein“ hinzu und wollte an ihm vorbei in die Schalterhalle witschen. Aber Herr Security war noch nicht fertig. „Moment“, sagte er, „wir sind noch nicht fertig. Leiden oder litten Sie in den letzten 48 Stunden unter Brustbeklemmung, Atemnot, Kurzatmigkeit, Schlafstörungen, Hautausschlägen, depressiven Verstimmungen, unkontrollierten Panikattacken, Durchfall oder Verstopfung oder haben Sie bei sich unerklärliche Verschlechterungen des Gesundheitszustandes und des allgemeinen Wohlbefindens vermerkt?“ „Ich wollte auf die Bank, einen Scheck einlösen“, gab ich zwar korrekt, aber an seiner Fragestellung vorbei, zurück. Er bemerkte es: „Sie können den Scheck gerne einlösen, wenn ich sicher bin, dass Sie gesund sind“, bemerkte er streng.

„Brauchen Sie noch Röntgenbilder?“

Okay. Konnte er haben:

„Ich bin 54 Jahre alt, ich habe etwas Übergewicht, bin also leicht adipös, laut Bundeswehr habe ich Senk-, Spreiz- und Plattfüße, was diese aber nicht gehindert hat, mich zu den Fallschirmjägern einzuziehen, vor dem ersten Kaffee morgens bin ich eher schlecht ansprechbar und dementsprechend verstimmt, mein EKG ist für einen Mann meines Alters ganz in Ordnung, die Cholesterinwerte sind so lala, bezüglich der Prostata halte ich es mit dem Sprichwort ‚Fließt es nicht, so tröpfelt es doch‘, ich leide nicht unter Erektionsstörungen, außer gerade vor Ihnen jetzt im Moment, meine Libido ist nicht mehr so wie mit Zwanzig, aber durchaus noch gelegentlich vorhanden, ich habe, wenigstens laut Auskunft meiner Ex-Frau, drei Kinder gezeugt, einen Baum gepflanzt und ein Haus gekauft und deswegen hier einen netten Scheck von meiner Ex-Gebäudeversicherung, den ich gerne einlösen würde, und wenn Sie von mir noch eine Urin- und/oder eine Stuhlprobe haben möchten, dann machen Sie nur so weiter, dann kann ich das instant liefern. Ich muss nämlich langsam auf die Toilette. Ich schließe hiermit meine Beweisführung ab, Euer Ehren!“

„So genau wollte ich es nicht wissen“, gab Herr Security etwas irritiert und erschrocken zurück. „Doch, wollten Sie!“, entgegnete ich patzig. „Darf ich jetzt rein oder brauchen Sie noch Röntgenbilder?“, schob ich nach. „Nein“, gab er mit einem bedauernden Gesichtsausdruck Auskunft. „Aha, und warum nicht?“, fragte ich verärgert nach, als ich das Knirschen der Glastürenmechanik vernahm. „Weil wir jetzt schließen“, erklärte er, „kommen Sie bitte morgen wieder! Und bringen Sie das letzte Blutbild, nicht älter als 48 Stunden, eine FFP2-Maske und einen Arbeitsschutzanzug mit.“ Sprach’s, trat einen Schritt zurück, während sich die Glaswand der Schalterhalle majestätisch zwischen ihn und mich schob und mich bescheckt, zornig und mit rotem Kopf im Eingangsbereich mit hämisch leuchtenden Geldautomaten zurückließ.

Ich habe die Geschichte später meinem besten Freund erzählt, der meinte, ich hätte eine echt kulante Bank. Seine Spaßkasse hätte nämlich eine Virenschleuse mit medizinischem Personal vor die Schalterhalle gesetzt und er sei schon dreimal an einem Antikörpertest gescheitert, weswegen er derzeit keine größeren Beträge abheben könne. Den Scheck habe ich heute noch, dafür hat meine Versicherung noch das Geld in Verwahrung. Ich habe noch sechs Tage Zeit, ihn einzulösen. Genug Zeit für eine eingehende Laboruntersuchung. Wäre sowieso mal wieder so weit.

Wann werden endlich Bankfilialen in Krankenhäusern eröffnet?  

(Weitere gesunde Artikel des Autors unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Bundesarchiv CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia

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Wilfried Cremer / 17.01.2021

Hallo lieber Herr Schneider, wenn ich meine Tante im Seniorenheim besuche, gibt es dieselbe Prozedur, und obendrein muss ich mir ein Rohr in die Nase schieben lassen. Der Sadismus der Mächtigen frisst sich bis nach unten durch. Es geht um das angenehme Gefühl, wenigstens normale Bürger zu demütigen, um den Frust darüber, dass man die Verbrecher nicht benennen darf (Hassverbrechen), ein wenig zu mildern.

Walter Elfer / 17.01.2021

‘ne Bank?! Pfft. Warten Sie erstmal Montag in BY ab. Da stehen dann reihenweise solche “Sicherheiten” vor den strategisch wichtigen Ess- u. Trinkpunkten u. malträtieren die einkaufswilligen Leute. Und dabei werden diese “Kontaktschränke” noch zu den eigentlichen Hotspots. Da ist nix mit “nur eine Person aus einem andren Haushalt”-Kontakt.

Hermann Baumann / 17.01.2021

... einfach mitspielen, dann hat man seine Ruhe ... “Guten Tag”, alles mit ‘ja’ oder ‘nein’  beantworten, rein, kleines oder großes (Bank-)Geschäft abwickeln, “Auf Wiedersehen” ... Das spart Nerven und erhält die Gesundheit für die Dinge, die man ändern kann ...

Gert Köppe / 17.01.2021

Die Bank verbarrikadiert sich vor ihrer eigenen Kundschaft? Es ist noch nicht lange her, da warben sie eifrig noch um die Kunden. Mal ganz abgesehen davon, die meisten abgefragten Punkte gehören doch weitestgehend unter die ärztliche Schweigepflicht und unterliegen somit dem Datenschutz. Wer gibt dem aufgestellten “Palladin” vor der Tür eigentlich das Recht solche sensiblen Daten abzufragen? Ich gehe mal davon aus das dort nicht Ihr Hausarzt stand, in Ausübung einer geringfügig beschäftigten Nebentätigkeit.

Markus Knust / 17.01.2021

In den Supermärkten spielt beim Einlass und den Sicherheitsmaßnahmen, außerdem die Ethnie eine Rolle. Als normaler Bürger wird man sofort gemaßregelt, wenn die Maske schief sitzt oder man der alten Logik folgt und wegen einem Stück Butter, welches man vorher vergessen hat, keinen Einkaufswagen zu brauchen meint. Bei Gruppen vom Schlage “Ein Mann” ist das natürlich vollkommen anders, wie ich gestern wieder beobachtet habe. Da schaut die strenge Kassiererin kurz hin und senkt dann, kulturell angemessen den Blick.  Irgendwas müssen die anders machen, vielleicht kommt jemand drauf?

Stanley Milgram / 17.01.2021

Mein Vermieter hatte neulich eine Gutschrift für sein BLÖD-Abo in Höhe von 180,00 Euro, der praktisch in der Sekunde ablief, als er mich fragte, was man da jetzt machen könne. Ich als alter Knacki habe erstmal den Scheckeinreicher zurückdatiert, den Brief an die Bank zurückdatiert, eine Briefmarke “Deutsches Reich 2-Mark” draufgepappt und bin los an meine Postfiliale. Die sind sehr kulant, was meine Paket-Übergrößen betrifft, und eine Briefmarke musste ich doch doch gar nicht kaufen, da Postbank. Jedenfalls war die Kohle binnen 3 Tagen gebucht, seinem Konto gutgeschrieben. Was mich nur wunderte: Die Bild kam in 10 Tagen nur zweimal. Gestern dann die Aufklärung. Seine Freundin macht auf dem Weg zur Arbeit einen Umweg und nimmt die “BLÖD” aus dem Briefkasten. So musste ich nur zweimal die 2 Meter vom Briefkasten zur Mülltonne. Nichtmal die Headline…

Claudius Pappe / 17.01.2021

Flüchtlinge sind das Ebenbild Gottes………………so Kauder……………..Ungeimpfte Bio-Deutsche, dann das Ebenbild des Teufels ?……………….Lassen sie sich impfen Herr Schneider, dann dürfen sie überall hin…...............................

Bjorn Thies / 17.01.2021

Das ist Satire. Noch… Sillte eigentlich spätestens beim Blutbild klar geworden sein. Aber eben… Noch..

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