Nachdem die Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität der deutschen Bildungsministerin den Doktortitel aber-kannt hatte, zog Annette Schavan die Konsequenzen und trat von ihrem Amt zurück. Am selben Tag wurde bekannt, der Immunitätsausschuss des Bundestages habe bereits Ende Januar die Immunität des Linken-Fraktionschefs Gregor Gysi aufgehoben, weil die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen der Abgabe einer möglicherweise falschen Versicherung an Eides statt ermittelt. Gysi steht seit langem im Verdacht, als IM „Gregor“ und IM „Notar“ der Staatssicherheit der DDR zugearbeitet zu haben.
Sowohl Annette Schavan wie Gregor Gysi haben etwa zur gleichen Zeit promoviert. Die CDU-Frau 1980 in Düsseldorf mit einer Arbeit über „Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“, der DDR-Anwalt, der die SED auf dem Umweg über die PDS in die Linkspartei geführt hat, 1975 an der Ost-Berliner Humboldt-Universität über das Thema „Zur Vervollkommnung des sozialistischen Rechtes im Rechtsverwirklichungsprozess”.
Beide haben – mehr oder weniger – abgeschrieben. Schavan in der einschlägigen Sekundärliteratur, Gysi aus Berichten des ZK, aus Reden von Leonid Breschnew und Texten von Marx, Engels und Lenin, die er ausgiebig zitiert.
Seine Dissertation beginnt mit einer Feststellung, die an Wissenschaftlichkeit nicht zu übertreffen ist: „Der VIII. Parteitag der SED steckte die Aufgaben für die nähere und weitere Zukunft der sozialistischen Gesellschaft in der DDR ab. In der DDR geht es zur Zeit um die allseitige und umfassende Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft.“ In diesem Ton geht es weiter, 230 Seiten lang. Der “sozialistische Staat”, so Gysi, “schützt und fördert… auf wissenschaftlicher Grundlage vorausschauend die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft“. Wenn das Rechtswissen-schaft ist, dann ist Wahrsagerei eine Verwandte der Relativitätstheorie.
Dass Gysi der Doktortitel nicht aberkannt wurde, hat seinen Grund im Einigungsvertrag von 1990, in dem festgelegt wurde, dass die in der DDR verliehenen akademischen Grade in Kraft bleiben. Sogar die 347 Doktores der „Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit“ durften ihre Titel behalten.
Da hat Annette Schavan eben Pech gehabt.
Erschienen in der Weltwoche vom 14.2.13