Roger Letsch / 02.09.2019 / 15:47 / Foto: Pixabay / 22 / Seite ausdrucken

Dobrindts Kampfpreissteuer: Bahn stärken durch Markt aushebeln

Manchmal schaffen es Politiker, ihre Ahnungslosigkeit, Inkompetenz und ihre Agenda in einem Satz unter das verdutzte Volk zu streuen. Wenn dies mündlich vor Kameras geschieht und nicht noch mal eben schnell ein Referent für Nebel & Schleier drüber gucken konnte, ist es besonders verheerend. Alexander Dobrindt (CSU), seines Zeichens CSU-Landesgruppenchef im Bundestag und Ex-Bundesverkehrsminister mit bösem Mautausschlag, fordert eine Kampfpreissteuer für Billigflüge und sagte folgenden Hammersatz in die Kamera der Tagesschau:

„Ich habe den Vorschlag gemacht, dass man mit einer Kampfpreissteuer (!) bei Ticketpreisen von unter 50 Euro dafür sorgt, dass faire Preise entstehen, ich glaube, dass das in der Summe dazu führt, dass wir die Bahn deutlich stärken können, und das ist eines unserer klimapolitischen Ziele.“

Denn merke: Faire Preise entstehen nur, wenn die Regierung sie festlegt. Das sieht doch nach einem spannenden Boxkampf aus, stellen wir also mal die Kontrahenten vor:

In der roten Ecke ein staatsmonopolistisches Bahnunternehmen, dem das deutsche Schienennetz gehört, dessen Eigentümer (Bund) so tut, als handele es sich um einen ganz normalen Marktteilnehmer, obwohl dieser seine Kosten nicht in den Griff bekommt, mit Steuergeldern gepampert wird, seine Kunden verärgert und nach immer mehr Steuerknete greint.

In der blauen Ecke internationale Airlines, die Gebühren für Start und Landung auf deutschen Flughäfen zahlen und die Kosten so unter Kontrolle haben, dass sie durch Mischkalkulationen und die Maxime „Leer fliegt am teuersten“ ihre Maschinen optimal auslasten, und sei es, indem sie einige Plätze (fast) verschenken. Als Schiedsrichter dieses Wettkampfes sehen wir einen Politiker, für den 50 Euro den Wert einer Erdnuss zu haben scheinen, der aber einen Plan hat. Und zwar die Bahn (rote Ecke) zu pushen und ihr lästige Konkurrenz vom Hals zu schaffen.

„Bahn stärken“, nennt es Dobrindt

Aus welcher Juniortüte Dobrindt die „50 Euro“ gefischt hat? Keine Ahnung! Es kann sich jedenfalls nicht um den Preis einer Bahnfahrt von Berlin nach Kopenhagen handeln, denn der ist dreimal so hoch. 50 Euro pro Flug, 8 Euro pro Quadratmeter Miete, 2° Erderwärmung, 80 Prozent erneuerbare Energie – solche wie weiße Kaninchen aus dem Hut gezauberten Zahlen sollen Sie beruhigen, liebe Leser. Solche konkreten Zahlen suggerieren, die Politik wisse schon, was sie tut. Oder wie Annalena Speicherkobold Baerbock es ausdrücken würde: „das ist alles durchgerechnet“. Fragen Sie aber nach dem Rechenweg, werden alle Durchrechner spd – schmallippig, patzig und dünnhäutig.

Es ist viel die Rede davon, der Flugverkehr werde unberechtigterweise subventioniert, etwa weil auf Kerosin die Mineralölsteuer nicht wie auf Benzin oder Diesel erhoben wird. Die Vorstellung, dass Steuern, die man nicht erhebt, bereits eine Subvention darstellen, hatte die SPD lange Zeit exklusiv und erst kürzlich bei der Teilabschaffung des Soli wieder aus der Mottenkiste gezogen. Aber in der Causa „Flugscham“ taucht sie auch in der CSU auf – vielleicht als Ersatz für krude Maut-Ideen. Dabei müsste man wirklich mal gegenrechnen, wie sich die direkten und indirekten Zahlungen von Zuschüssen des Steuerzahlers an die Bahn zu Milliardensummen auftürmen und wie im Vergleich eine Kerosinsteuer ausfallen würde.

„Bahn stärken“, nennt es Dobrindt. Ich nenne es Markteingriff, Willkür und schwimmnudeldummes Protektionistengeschwätz, das sich wie neuerdings jede Steuerbegehrlichkeit unserer Politiker mit dem Feigenblatt der Welt- und Klimarettung tarnt! Aber im Namen des Klimaschutzes ist hier ja neuerdings noch der größte Blödsinn erlaubt!

Eines noch: Vielleicht sollte die Bahn mal versuchen, das Leer-fliegt-teuer-Konzept zu adaptieren, den Service zu verbessern, die Zuverlässigkeit der Züge auch und deren Frequenz zu erhöhen, anstatt ständig bei der Politik darum zu betteln, sie möge auf Fernbusse und Flugzeuge einprügeln. Macht das gefälligst selbst, am besten mit Ticketpreisen unter 50 Euro für die Strecke Berlin-Kopenhagen!

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Ulrich Jäger / 02.09.2019

Gibt es die Kampfpreissteuer auch beim Joghurt, wenn der beim Discounter 49 ct kostet und beim Edelkaufmann um die Ecke für 2 € zu haben ist? ZU DDR-Zeiten gab es das Sprichwort: “Wer schon total die Übersicht verloren hat, sollte wenigstens den Mut zur Entscheidung haben.” Das trifft auf Dobrindt zu.

Thomas Taterka / 02.09.2019

” Referent für Nebel & Schleier “. - Hab’ ich.

Martin Stumpp / 02.09.2019

Also die Bahn sei in aller Regel bereits was die Auslastung angeht am Limit, wie mir ein in leitender Funktion tätiger Mitarbeiter der Bahn erzählt hat. Bei einigen Strecken kann es passieren, dass man selbst in der 1. Klasse stehen muss, so man nicht reserviert hat. So eine Auslastung kennt der Flieger nicht. Entweder mehr Züge oder höhere Preise, alternativ mehr Flugverbindungen ;-).

M. Haumann / 02.09.2019

Wenn das Fliegen jetzt durch “Kampfpreissteuern” entdemokratisiert und damit nur dem wohlhabenden Bevölkerungsteil zur Verfügung gestellt werden soll, gibt das aber wieder massenhaft Stimmen für die neue Arbeiterpartei…

beat schaller / 02.09.2019

Herr Letsch, die CDU ist eben eine wirkliche Wirtschaftspartei. b.schaller

Claudius Pappe / 02.09.2019

Jeden Tag eine neue Steuer, ähhhhhh Verbot. Gestern : mehr Urlaub für Radfahrer. Vorgestern: Punkte für Falschparker. Vorvorgestern.: Autoverbot in Berlin Heute: Bahnstärkungssteuer. Wann wird die : Dummschwätzsteuer für Politiker eingeführt ?

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