Ulrike Stockmann / 17.10.2022 / 16:00 / Foto: Achgut.com / 71 / Seite ausdrucken

Dieter Bohlen und die hysterische Republik

Dieter Bohlen geriet wegen seiner Zweifel an der Wirksamkeit der Russland-Sanktionen in die Kritik. Die medialen Beißreflexe auf recht vorsichtig formulierte politische Sätze des Showbiz-Vertreters zeigen in erster Linie eine hysterische Republik.

Dieter Bohlen geriet in die Kritik, weil Äußerungen zu den Sanktionen gegen Russland bekannt wurden, die er im Rahmen des diesjährigen „Founder Summits“, nach eigenen Angaben „Deutschlands größter Gründer- und Unternehmerkonferenz“, Ende August in Wiesbaden getätigt hat. Im Rahmen des Programms wurde der als „Poptitan“ gefeierte Bohlen auf der Bühne über den Verlauf seiner Karriere interviewt sowie nach Erfolgstipps befragt.

Der Moderator beginnt das Gespräch mit dem Hinweis, dass Bohlen ursprünglich BWL studiert hätte. Daraufhin muss der Musikproduzent lachen und entgegnet:

„Das stimmt schon auch wieder nicht, was du sagst. Ich habe das nicht studiert, sondern ich hab auch ein Examen gemacht und ich bin Diplom-Kaufmann, so viel Zeit muss sein (…) Studiert haben viele (…) Heutzutage kann sich ja fast jeder auf die Uni einschreiben und dann sagen, er hat studiert. Das nützt natürlich nix. Wenn, dann muss man das zu Ende machen.“

An diese Aussage scheint er anzuknüpfen, als er später gefragt wird, ob nicht auch Politik etwas für ihn wäre. Zunächst scheint die Frage den sonst so meinungsstarken Bohlen plötzlich sprachlos zu machen. Nach einem Moment des Zögerns sagt er:

„Ihr könnt mich ruhig ausbuhen, aber ...“

„Ich bin echt fertig. Ich habe nichts gegen die Grünen (…) Aber die meisten Grünen, ich weiß nicht, ob ihr das wisst, aber diese ganze Führungsriege hat ja weder einen Berufsabschluss noch wer weiß was. Und wenn die dann von Fachkräftemangel reden, dann wird mir so’n bisschen sauer im Magen.“

Für diese Aussage erntet er Applaus und fügt anschließend hinzu:

„Politik ist ja immer so’n Ding, vor allem, es gibt ja immer verschiedene Meinungen, man kann alles immer verschieden sehen. Aber ich bin eben der Meinung, ihr könnt mich ruhig ausbuhen, aber wenn die diese Sanktionen zum Beispiel nicht gemacht hätten und man hätte sich vernünftig an einen Tisch gesetzt, dann bräuchten die Leute jetzt nicht den ganzen Firlefanz machen. Jetzt müssen wir frieren, jetzt müssen wir dies und das, das ist doch alles scheiße. Aus meiner Sicht (…) 

Applaus aus dem Publikum.

„Und dass Russland jetzt für viel, viel mehr Geld Gas nach Asien verkauft, das versteh ich alles nicht mehr. Dass der Rubel steigt, der Euro fällt (…) Ich mache mir um Deutschland und Europa extremste Sorgen (…) Früher hatten wir immer ein Ding: Wie kann es Deutschland besser gehen? Jetzt sagen die Politiker nur noch: Wir müssen den Gürtel enger schnallen (…) Warum ist das so? Das haben die uns alles wirklich, ganz ehrlich, eingebrockt und das sollen wir jetzt ausbaden. Und das verstehe ich persönlich jetzt nicht mehr.“

Reflexartige Medienhysterie

Als besagter Ausschnitt, vor allem die Passage über die Russland-Sanktionen, in der letzten Woche größere Aufmerksamkeit erhielt, reagierten die Medien gewohnt hysterisch. Die BILD-Zeitung schrieb, Dieter Bohlen hätte gegen die Ukraine „geätzt“, ein Verb, das angesichts des Inhalts der Aussage des Musikproduzenten am Thema vorbei geht. In einem weiteren BILD-Artikel mit dem Titel „Dieter, du laberst Sch…“ liefert Autor Hans-Jörg Vehlewald vor allem Polemik:

„Wenn Du, lieber Dieter, jetzt sagst: ‚Die Politiker‘ hätten sich bloß ‚an einen Tisch setzen müssen“, um Russlands Annexion zu stoppen, dann erklär das mal den Angehörigen ukrainischer Soldaten, die seit Februar durch Russlands Angriff gefallen sind. Oder den TAUSENDEN Familien der Frauen und Kinder, die im Bombenhagel von Putins Terroranschlägen starben.“

Dies beantwortet definitiv nicht die Frage, warum der real-politische Nutzen der Sanktionen nicht infrage gestellt werden darf. Denn nichts anderes hat Bohlen getan. Zweifel und Hinterfragen sind immer der mögliche Beginn einer Erkenntnis. Es wäre beispielsweise sinnvoller gewesen, den „lieben Dieter“ zu fragen, mit wem er sich denn „vernünftig an einen Tisch“ hätte setzen und worüber konkret verhandeln wollen?

Ein Kommentar für t-online mit dem Titel „Dieser Mumpitz kann nicht sein Ernst sein“  nennt es „zynisch, wenn Dieter Bohlen sich offenbar mehr darum sorgt, dass Menschen hierzulande frieren, als über die Toten in der Ukraine“. Bohlen wird auch noch die Fürsprache seitens des AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla („Dieter Bohlen vertritt den Standpunkt der AfD“) angekreidet.  

„Während im Ukraine-Krieg täglich Tote zu beklagen sind, geht ein Video-Mitschnitt im Netz viral, in dem Dieter Bohlen die EU-Sanktionen kritisiert. Das ruft die AfD auf den Plan“, heißt es sehr zugespitzt beim Merkur.

Die FAZ veröffentlichte einen weitgehend neutralen Bericht zur Causa und überliefert, dass die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken Bohlens Äußerungen „moralisch verkommen“ genannt hat.

Wie RND empört berichtet, blieb Dieter Bohlen am Donnerstag auf Anfrage immer noch bei seinem Standpunkt „und nahm auch seine ablehnende Haltung gegenüber den Russland-Sanktionen nicht zurück“. Mehr noch: „Und auch Bohlens Haussender RTL bleibt in einer Stellungnahme vage – eine deutliche Distanzierung gibt es nicht.“

Ein weiterer t-online-Bericht bemüht sich immerhin, mittels eines „Faktenchecks“ die Sanktionen auf der Sachebene zu rechtfertigen, was die normale Form der politischen Auseinandersetzung bei einer solchen Debatte sein sollte.

Foto: Ulrike Stockmann

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Volker Kleinophorst / 17.10.2022

Hysterie ist weiblich, also wird eine feministische Gesellschaft immer hysterischer. Und das ist auch genau so gewollt und geplant.

Robert Loeffel, Bern / 17.10.2022

Ich wiederhole mich hier gerne Deutschland ist eine lupenreine Kakistokratie!!! Eine Kakistokratie bezeichnet man in der Politikwissenschaft eine HERRSCHAFT DER SCHLECHTESTEN!!! Um 16.00 stellte der Propagandasprecher des deutschen Kakistokratie- Fernsehen Andreas Klinner in der Sendung „Heute –in Europa“ die Grundsatzfrage mit Blick auf Grossbritannien. Kann ein Premierministerin wie Liz Trust noch Premier bleiben wen sie nur noch 10% Unterstützung hat? Da sind sie wieder die Deutschen Besserwisser-Vorschläge für andere Regierungen und das sah man schon nach der Wahl von Giorgia Meloni in Italien. Deutsche Politiker und Journalisten kennen keine Grenzen wenn Abstimmungen im Ausland nicht ihrer diktatorischen links versifften Kakistokratie entsprechen. Wer eine Lügnerin und Betrügerin als Aussenministerin hat, einen Bundeskanzler der sich an nichts mehr erinnern kann. Der halbe Bundestag mit politischen Nichtsnutze ohne Abschlüsse und gekauften Doktortiteln bespickt ist und keiner von denen muss ernsthafte Konsequenzen fürchten. Der sollte den Ball in seiner Kakistokratie flach halten! Eines ist klar eine solche dumme Schnatterliese und Betrügerin die sich Aussenministerin schimpfen darf ist in Europa nur in Deutschland möglich (und in der EU siehe Lagarde oder die von der Leyen). In Italien oder in der Schweiz wäre sowas nicht möglich da mussten schon andere wegen viel weniger ihre politischen Karrieren an den Nagel hängen. Gott sei Dank denkt die Mehrheit der Achse Leser oder meine hunderte Deutschen Facebook-Freunde wie ich. Weg mit der deutschen Kakistokratie und Bohlen for President alles ist besser als diese Nieten.

H. Krautner / 17.10.2022

BILD Schreiberling Autor Hans-Jörg Vehlewald: “„Wenn Du, lieber Dieter, jetzt sagst: ‚Die Politiker‘ hätten sich bloß ‚an einen Tisch setzen müssen“, um Russlands Annexion zu stoppen, dann erklär das mal den Angehörigen ukrainischer Soldaten, die seit Februar durch Russlands Angriff gefallen sind. ”          Da kann man doch nur antworten: Armer Herr Vehlewald, kapieren Sie das denn nicht: Erst dann, wenn die Politiker sich an einen Tisch setzen, besteht die Chance, dass das dann Sterben ukrainischer (und russischer) Soldaten aufhört?              Dieser BILD-Mitarbeiter lebt wohl in einer eigenen Welt. Wird dort mit Krieg das Sterben der Soldaten beendet?

Rolf Mainz / 17.10.2022

Tja, und da fragen sich manche, wie es zur Hysterie seinerzeit im Sportpalast kommen konnte. Erstaunlich, wie flugs so mancher “Pazifist” inzwischen (andere selbstverständlich) zu den Waffen ruft. Da kommen kritische Worte natürlich ungelegen. Und die Presse pariert - ebenfalls wie ehedem. Deutschland hat dazugelernt? Definitiv nicht.

Wolf Hagen / 17.10.2022

Tja, so ist das nun mal, wenn die, die am lautesten schreien, keine Ahnung von der Materie haben, sondern nur den Moralapostel geben wollen. Und Bohlen hat leider ebenfalls keine Ahnung, wovon er eigentlich redet. Fakt ist, dass man x-.mal versucht hat mit Putin zu reden und zwar schon weit vor dem 24.02.22, nämlich unter dem Minsk-Formant, was bekanntlich nichts gebracht hat. Im Februar und März gaben sich die westlichen Politiker förmlich die Klinke im Kreml in die Hand, von Scholz bis Macron. Ebenfalls bis heute ohne jeden Erfolg. Putin und der Kreml wollte und will nicht verhandeln, die Ukraine mittlerweile auch nicht mehr. Und was die Sanktionen betrifft, das sind keine Maßnahmen, die sofort wirken, sondern die wirken mittel- und langfristig. Und auch nicht alle, manche sind sogar kontraproduktiv und stärken zuerst einmal eine Trotzreaktion. Also wenn McDonald sich aus Russland zurückzieht, z.B., dann wird Russland deswegen weder einknicken, noch die Bevölkerung eine Revolution starten, schon gar nicht in einem autokratischen Staat. Da produziert eben irgendein Oligarch den Fraß unter einem anderen Namen und gut. Hier kommt es nur zu einem Imageschaden. Anders sieht das aber z.B. bei PC-Chips aus. Da hat Russland mittlerweile ein Problem und kann kaum noch moderne Raketen und Waffensysteme produzieren. Und bei Öl, Gas, usw? Da trifft es uns natürlich auch, nicht zuletzt, weil wir Idioten uns selbst abhängig gemacht haben. Es trifft die Russen aber mindestens genauso, denn auch wenn sie ihren Kram nach China und Indien verkaufen können, dann doch sehr viel weniger ertragreich. Wie auch immer, wenn in einer Diskussion Ahnungslose auf allen Seiten diskutieren, wird kein vernünftiges Ergebnis dabei rauskommen.

Arne Ausländer / 17.10.2022

Natürlich liegt es nicht an der (zweifellos vorhandenen) Unfähigkeit, daß man sich für kontraproduktive Sanktionen entscheidet, sondern daran, daß es entsprechende Vorgaben gibt. Aus Kreisen, die gewöhnlich wohl informiert sind und auch komplexe Abläufe gut untersucht haben. Was nicht heißt, daß nicht auch die Fehler machen würden. Nur eben nicht immerzu. Es sei denn, man sieht in deren Grundideen den entscheidenden Fehler. - Es ist doch kaum anzunehmen, daß Werner Schulz vom Bündnis 90 der einzige war, der sah, daß 2014 die sinnvollste Reaktion auf die Krimannexion eine Sperrung des Bosporus für russische Kriegsschiffe gewesen wäre. Das hätte den Kreml empfindlich getroffen, ohne der russischen Bevölkerung im Mindesten zu schaden. Und den anderen Ländern nebst ihrer Bevölkerung schon gar nicht. Offensichtlich war dies nicht gewollt, und Herr Schulz sprach es nur deshalb aus, weil seine Zeit im Europaparlament sowieso zu Ende ging. Immerhin wurde das damals noch im DLF gesendet. Was wiederum ein Beleg dafür ist, daß viele davon wissen, ohne die rationale Logik zu beachten. Nein, die wissen, was sie tun. Und haben kein Problem mit Rußlands Vorgehen. Ihnen tuts ja nicht weh. Wie schon mehrfach geschrieben: Was wäre die NATO heute ohne Putin? (Ob er heimlich militärische Orden für sein nützliches Wirken bekommt?)

Roy Bush / 17.10.2022

Ich glaube, bei D. Bohlen beißen alle auf Granit die glauben er würde sich von Aussagen die auch noch stimmen distanzieren.

Dirk Jungnickel / 17.10.2022

Wer um Himmels Willen ist denn DIETER BOHLEN ????

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Ulrike Stockmann / 10.04.2024 / 10:00 / 38

Das schottische „Hassmonster“ und Knast für britischen Humor

In Schottland trat ein Gesetz in Kraft, bei dem sich selbst hartgesottene Kulturkämpfer die Augen reiben. Demnach könnten alle Witze, die den Namen auch verdienen,…/ mehr

Ulrike Stockmann / 21.03.2024 / 06:15 / 68

Abschied von der Gruberin

Monika Gruber beendete vorläufig ihre Bühnenkarriere, weil sie den Diskurs in Deutschland für „vergiftet“ hält. In der Coronazeit gehörte sie zu den ganz wenigen kritischen…/ mehr

Ulrike Stockmann / 15.03.2024 / 12:00 / 121

Radikales Klima beim Ethikrat

Unter der Führung von Alena Buyx empfiehlt der Ethikrat eine Umverteilung für den „Klimaschutz“. Drei Mitglieder distanzieren sich von den radikalen Vorschlägen. Auf der Pressekonferenz…/ mehr

Ulrike Stockmann / 08.03.2024 / 06:00 / 70

Der rosa Elefant am Frauentag

Am Frauentag wird medial die strukturelle Benachteiligung der Frau betont. Frauenfeindliche Zuwanderung darf hingegen nicht thematisiert werden. Die Berichterstattung im Vorfeld des heutigen Frauentages ist…/ mehr

Ulrike Stockmann / 10.02.2024 / 10:00 / 96

Aufstand der Gratismutigen

Wenn die Politik Wellness-Veranstaltungen als Widerstand vermarktet, muss man sich nicht wundern, wenn Unternehmen und Medien das Gleiche versuchen. Mit teils bizarrem Ergebnis. Aktuell tummeln…/ mehr

Ulrike Stockmann / 20.01.2024 / 10:00 / 11

Kleinkrieg um Gender-Regeln im Südwesten?

Derzeit können Bürgerinitiativen gegen die Gendersprache Erfolge verbuchen, auch im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg. Das CDU-geführte Innenministerium bremst dort eine solche Initiative eines CDU-Mitglieds aus, welche…/ mehr

Ulrike Stockmann / 16.01.2024 / 11:30 / 22

Presserat missbilligt Migrationslügen

Ein ungewöhnlich anmutender Vorgang wurde am Montag von der Süddeutschen Zeitung in eigener Sache veröffentlicht. Der Presserat sieht bei zwei Artikeln des Blattes, die die…/ mehr

Ulrike Stockmann / 05.01.2024 / 15:30 / 75

Was will die neue Maaßen-Krall-Partei?

Gestern gab Hans-Georg Maaßen bekannt, gemeinsam mit der Werteunion eine neue Partei unter demselben Namen gründen zu wollen. Mit von der Partie ist auch Markus…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com