Politik ist ein hartes Geschäft, nichts für schüchterne Charaktere. Wer da seinen Schnitt machen will, muss austeilen. Und dennoch gibt es Grenzen. Der politische Zweck heiligt nicht jede Schamlosigkeit. Was wir seit gestern zu hören und zu lesen bekommen, ist obszön: politische Leichenfledderei. Kaum, dass sich die Nachricht über das Gewaltverbrechen von Hanau verbreitet hatte, waren die üblichen Verdächtigen im Hintergrund ausgemacht. Wie auf Kommando, als hätten sie auf das Ereignis gelauert, bliesen die „demokratischen Parteien“ zur Attacke. Ausgeblendet wurde, was man über den Mörder wusste. Als wahnsinniger Einzeltäter sollte er nicht davonkommen.
Die Gelegenheit war zu günstig, um sie nicht zu nutzen für den Kampf gegen rechts. Von der „Tat eines offenbar Rechtsradikalen“ sprach die Europaabgeordnete der SPD Katarina Barley. „Rechten Terror in Deutschland“ diagnostizierte ihre Genossin Saskia Esken, indes Christian Lindner dazu aufforderte, sich „dem Rechtsextremismus … mit aller Entschlossenheit entgegen zu stellen“. Für die Grüne Claudia Roth stand sofort fest: „Rechter Terror ist Realität in Deutschland.“ Die „Saat des Rechtsradikalen“ sah die FDP-Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann aufgehen, weshalb Lars Klingbeil forderte: „Wir müssen ein Zeichen gegen rechts setzen, gegen den Terror, gegen den rechten Hass, gegen Faschismus.“
Die Opfer sind das Mittel zum Zweck
Um nicht ins Abseits der Kampagne zu geraten, setzte Annegret Kramp-Karrenbauer noch einen drauf, als sie versprach, die „Brandmauer zu halten“, die ihre CDU gegen die AfD errichtet habe. Denn: Mit einer Partei, die „Rechtsextreme, ja, ich sage auch ganz bewusst Nazis, in ihren eigenen Reihen duldet“, könne es keine Zusammenarbeit geben. Die Gebetsmühlen der Propaganda laufen auf Hochtouren. Und manche echauffieren sich dabei, als hätten sie selbst den Verstand verloren.
Die Linken-Chefin Katja Kipping etwa entblödete sich nicht festzustellen: „Der rassistische Anschlag von Hanau ist kein Unfall.“ Ja, du lieber Himmel, welcher Mord wäre jemals ein "Unfall" gewesen?? Immer handelt es sich um vorsätzlich begangene, um motivierte Taten. In Hanau um die eines offensichtlich Geistesgestörten, der unter anderem glaubte, schon wenige Tage nach seiner Geburt habe sich ein Geheimdienst in sein Hirn „gehackt“.
Wer das ignoriert, um eine Geschichte auszuspinnen, die ihm in den politischen Kram passt, ist unfähig zu trauern. Wer den Wahnsinn des Mörders – wie mehrfach geschehen – nur in Rechnung stellt, weil ohnehin jeder, der politisch nach rechts tendiert, dem Wahnsinn verfallen sein muss – wer so argumentiert, dem sind die Opfer bloß noch Mittel zum Zweck. Es geht nicht mehr um das schreckliche Verbrechen, sondern um den politischen Profit, der sich daraus schlagen lässt: um eine ritualisierte Betroffenheit, um professionalisiertes Entsetzen.
Was wir seit seit gestern zu hören und zu lesen bekommen, wirkt so abstoßend geschäftig, dass man nur hoffen kann, die gütige Vorsehung bewahre einen davor, jemals dem Mitleid dieser Politiker und ihrer Journaille ausgeliefert zu sein.