Der Statistik nach bin ich ein typischer Vorstädter: In 17 km Entfernung liegt mitten in der Großstadt meine frühere Arbeitstelle, an der ich 40 Jahre lang tätig war. Dem gängigen Vorurteil nach war ich einer von Millionen Pendler, Landschaftszersiedler, Luft-mit-Abgasen-Verpester, Feierabenddörfler. Wenn da nicht mein Bauerngarten außerhalb der Siedlung wäre, den ich seit Jahrzehnten pflege. Mit Spaten, Hacke, Gießkanne, das Wasser aus einem vorbeifließenden Bach schöpfend, die den Garten umgebende Wiese nach alter Väter Sitte mit der Hand mähend. Wenn da nicht die Pferdkoppel wäre, die an mein Gartengrundstück grenzt; die drei Pferde sind dankbare Abnehmer des von mir gemähten Grases, ich kann ihren Mist verwerten. Und alle zusammen erhalten wir ein Stück Kulturlandschaft, das ohne uns längst verkommen und verwildert oder eben vermaist wäre. Warum ich das tue? Ein paar Motive: Die Gartenarbeit ist ein herrlicher Sport; warum soll ich im Fitness-Studio einen Haufen Eisen unnötigerweise in die Luft heben, wenn ich statt dessen Kartoffeln ausbuddeln kann? Und ist der Bewegungsablauf beim Mähen nicht viel eleganter als die Verrenkungen, die beim Golfspielen zu sehen sind? Schließlich: Kartoffeln diskutieren nicht. Inzwischen bin ich Rentner und sammle im Herbst die Äpfel und Nüsse von den Bäumen ein, die ich als junger Mann gepflanzt habe. Die Bäume sind noch im vollen Jugendalter, mit mir geht es bergab. Jedes Lebewesen hat seine eigene Zeit: Auch das sollte man erleben, nicht nur lesen. Und so weiter… Sie haben ja so recht, Frau Dr. Stephan: Zu jedem Trend gibt es eine Gegenbewegung. Nur nicht verzagen!
Natürlich hat sich das Landleben verändert, so wie sich alles ständig ändert. Das Land schrumpft, seit immer weniger Kinder geboren werden und in den Dörfern keine Arbeit mehr ist. Denn wo sind sie hin, die Stellmacher, Tischler, Schneider, Weber, Schlosser? Es sind nicht nur die Landwirte, die weniger werden und dafür größere Höfe bewirtschaften. Man kann dies beklagen, aber es wird nicht helfen. Letzten Endes ist jegliche Produktion der Effizienz unterworfen und muss der Entwicklung der Produktivkräfte folgen. Oder schreiben Sie heute noch mit dem Federhalter und schicken Ihre Artikel per reitenden Boten in die Redaktion? Auch wir Bauern bedienen uns der Hightec und wollen nicht mehr so leben wie Ihre Nachbarin mit den Kühen oder unsere eigenen Eltern vor 40 Jahren. Also wachsen unsere Höfe, damit sich der Einsatz von moderner Technik rechnet. Gleichzeitig sinkt dadurch der Einsatz von Ressourcen, kann effizienter gedüngt oder Pflanzenschutzmittel gespritzt werden. Viele von uns, gerade von uns Frauen, bewirtschaften noch unsere großen Bauerngärten und sorgen damit für Artenvielfalt. Das ist unser Luxus und wir genießen das. Aber wir müssen davon nicht leben. Übrigens wird die LandLust durchaus auch von Bäuerinnen gelesen :-). Aber wir wissen, dass die dort dargestellte heile Welt nur einen winzigen Teil der Realität abbildet :-)
Na, Frau Stephan, auch der Mär von der Elster als Singvogelkiller aufgesessen? Ist nicht so, gesunden Singvogelpopulation machen die paar Eier oder Jungvögel, die der Allesfresser Elster klaut, rein garnix aus. Schädlicher sind die Monokulturen und beseitigten Feldgehölze als Brutplätze. Und die Gärtner, die es gerne “ordentlich” haben und garnicht genug Hecken trimmen können.
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