Von Ramin Peymani.
Seit Jahren lenke ich die Aufmerksamkeit darauf, wie sich die politischen Parteien in Deutschland unsere Demokratie immer weiter einverleiben. Ich habe an die Bürgergesellschaft appelliert, sich gegen den Parteienstaat zur Wehr zu setzen, um die Errichtung weiterer Abschottungsstrukturen, Selbstbedienungsbudgets und Demokratieumgehungen zu unterbinden. Von der Kandidatenauswahl für die Parlamente, über die Mitbestimmung der Bürger bei wichtigen politischen Weichenstellungen, bis hin zur Direktwahl führender Staatsämter reicht die Liste der Vorschläge.
Auch die Festschreibung persönlicher und fachlicher Zugangsvoraussetzungen für den Beruf des Politikers, die Einführung einer Amtshaftung und die Begrenzung von Amtszeiten gehören dazu. Am dringendsten erscheint jedoch das Kappen der üppig in die Parteikassen fließenden Steuergelder und das Aufbrechen der intransparenten Finanzbeziehungen zwischen den Parteien und ihren jeweiligen Stiftungen.
Längst hat sich ein Apparat verselbständigt, der von den Vätern der Demokratie dazu erdacht worden war, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, sich heute aber als dessen Vormund versteht. Zugleich hat sich die Berufspolitik immer weiter von der Bevölkerung entfernt. So sehr, dass sie inzwischen in einer Parallelwelt um sich selbst kreist. Aus ihren Elfenbeintürmen regieren mächtige Koalitionen an Wahlvolk und Parlamenten vorbei. Fraktionen sind längst zu Befehlsempfängern der Parteiführungen geworden, unabhängige Abgeordnete so selten wie ein weißer Rabe.
Gerade einmal 1,3 Millionen Menschen sind hierzulande Mitglied einer politischen Partei. Ein Bruchteil von ihnen betätigt sich aktiv, kandidiert für kommunale und überregionale Parlamente oder arbeitet in offiziellen Parteifunktionen mit. Ein noch viel kleinerer Teil steuert alles, was in diesem Land politisch passiert. So kann Demokratie nicht funktionieren. Wer dies bemängelt, muss sich entgegnen lassen, er solle einer Partei beitreten, nur dort könne man Demokratie aktiv gestalten. Ein gerne genommenes Totschlagargument, das an der Realität allerdings vorbeigeht.
Gehaltsautomatik statt Diätendiskussion
Die sieht nämlich so aus, dass ein fast undurchdringlicher innerer Zirkel weniger hochrangiger Parteifunktionäre bestimmt, wer Zugang zu Ämtern, Mandaten und Gremien bekommt. Zwar entscheiden offiziell Mitgliederversammlungen über die Besetzung von Positionen und Wahllisten, doch haben die Parteifürsten in aller Regel zuvor dafür gesorgt, dass ihnen genehme oder zumindest ungefährliche Kandidaten gekürt werden.
Ähnlich verhält es sich oft auch mit Parteitagsdelegierten, die handverlesen werden, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Trotz aller Vorbereitung liefert eine Inszenierung nicht immer das gewünschte Ergebnis, doch passiert dies derart selten, dass ungeplante Wahlausgänge in den Führungsgremien der Parteien einem Erdbeben gleichkommen. Da passt es ins Bild, dass es als „Kampfkandidatur“ gilt, sich neben dem erklärten Wunschkandidaten der Parteispitze für eine Aufgabe zu bewerben.
Immer geht es um Macht. Vor allem in der Berufspolitik, in der die Existenz vieler Mandatsträger vom Parteienstaat abhängt. Aber auch jene Parteivorderen, die ihre Schäfchen bereits im Trockenen haben, denken vielfach nur noch in Machterhaltungskategorien. Politische Prinzipien und klare Überzeugungen stören da nur. Lästige Diätendiskussionen erst recht. Und so haben die Parteien längst dafür gesorgt, dass ihre Berufsparlamentarier per Steigerungsautomatik entlohnt werden. Auch die Basissätze für die Parteienfinanzierung wurden angehoben und die Regularien angepasst, um lästige neue Mitbewerber abzuwehren.
Nun soll die Ausdehnung der Wahlperiode auf 5 Jahre den Bundestag länger gegen den Wählerwillen immun machen. Vertreter aller derzeit im Parlament vertretenden Parteien unterstützen einen neuen entsprechenden Vorstoß. Parteiübergreifend herrscht Einigkeit, das Projekt zügig angehen zu wollen. Wer ab 2021 ins höchste deutsche Parlament gewählt wird, darf sich fünf Jahre lang über mehr als 10.000 Euro pro Monat freuen – künftige Steigerungen noch nicht eingerechnet. Da reicht bereits eine Legislaturperiode aus, um als Volksvertreter bis zu einer Dreiviertelmillion Euro einzustreichen. Dafür brauchen viele der Vertretenen ein ganzes Berufsleben. Zusätzlich verschaffen sich die Bundestagparteien immer mehr Abgeordnetenplätze, indem verfassungsrechtlich dringend angemahnte Reformen zur Eindämmung der Überhang- und Ausgleichsmandate auf die lange Bank geschoben werden. Schon jetzt ist absehbar, dass der kommende Bundestag der größte sein wird, den es jemals gab. Der Parteienstaat ist außer Kontrolle geraten. Wir Bürger haben zu lange zugeschaut.
Ramin Peymani ist freier Autor und Publizist. Er betreibt unter http://www.liberale-warte.de einen Politik-Blog.
Beitragsbild: Dragospl CC BY-SA 2.5 via Wikimedia Commons

Zuerst müßten alle Beauftragten und die Parlamentarischen Staatssekretäre abgeschafft werden. Das alleine sind schon Einfallstore für Inkompetenz und Parteien- Klüngel.
Ich denke, dieses Thema wird eine Aufgabe der neuen Opposition im neu gewählten deutschen Bundestag !!!
Hallo, Herr Peymani, das ist also Ihr wesentlicher Kritikpunkt an einer längeren Regierungsperiode: „Ab 2021 reicht voraussichtlich bereits eine Legislaturperiode aus, um als Volksvertreter bis zu einer Dreiviertelmillion Euro einzustreichen.“ Ist das reiner Sozialneid oder fällt Ihnen nichts anderes ein? Es gibt auch viele Argumente für eine Wahlperiode von 5 oder auch 6 Jahren; z.B. verbunden mit einer Amtszeitbegrenzung des Bundeskanzlers auf zwei Wahlperioden und noch besser: Mit einer Trennung von Amt und Mandat. Da Sie politisch engagiert sind, haben Sie doch die Chance, sich qualifiziert diesen Themen zu äußern. Mit Grüßen Gudrun Schneider
" Der Parteienstaat ist außer Kontrolle geraten. Wir Bürger haben zu lange zugeschaut.", Diejenigen, die nicht zugeschaut haben, wurden übel beschimpft. Vielleicht sitzen eines Tages mehr Politiker im Parlament als die arbeitende Bevölkerung ? Dann wäre aber Schluß mit dicken Diäten, wer soll sie dann noch erwirtschaften ? Spaß beiseite, dem muß mit einer Klage beim Verfassungsgericht ein Riegel vorgeschoben werden !! Eine Volksabstimmung muß her und zwar dringend. Nicht nur für dieses Thema, sondern auch für viele andere Themen.
Da tun sich doch für unsere Politiker noch ungeahnte Möglichkeiten auf. Nach der Verlängerung der Wahlperiode kann man im nächsten Schritt für die Wahlen eine Einheitsliste aufstellen (viele Alternativen gibt es ja heute schon nicht mehr), was für den Wähler den Vorteil hat, dass er nur noch mit ja oder nein stimmen muss. Das "nein"-Feld könnte dann immer kleiner werden und irgendwann ganz verschwinden, schließlich will man den Wähler nicht überfordern und muss dann auch nicht mehr so umständlich auszählen. Dazu kann man das Amt des Bundeskanzlers auf Lebenszeit vergeben und ihm die gesamte Macht im Staat übertragen, da weiß man was man hat. Der Bundespräsident wäre dann nur noch ein Redenkasper ohne politischen Einfluss (den Job könnte vielleicht Claus Kleber übernehmen) und das Parlament muss dann auch nicht mehr gefragt werden. - Aber das ist natürlich alles Unsinn, schließlich leben wir in einer Demokratie, da ist so etwas völlig undenkbar.
Ausdehnung der Wahlperiode auf 5 Jahre gegen den Wählerwillen? Wieviel Wähler haben wann gegen die Ausdehnung der Wahlperiode gestimmt? Es geht in erster Linie um gutdotierte und sichere Arbeitsplätze in den Parlamenten. Um politische Macht geht es zweitrangig. Die Ausdehnung der Wahlperiode nahm ihren Anfang bei Bürgermeisterwahlen und Kreistagswahlen. Später kamen die Landtage hinzu. Logische Konsequenz ist nun der Bundestag, der nachzieht. Die Wahl der aussichtsvollen Listenplatz-Kandidaten in den Parteien hat kaum was mit politischer Motivation zu tun. Parteien sind Wirtschaftsunternehmen. Sie agieren nicht anders als GmbHs, AGs oder andere Rechtsformen für eine juristische Person des Privatrechts. Es geht um den Erhalt des Unternehmens, hier um den Erhalt der Partei. Wir werden nie den "neuen Menschen" herbeireden geschweige herbeiwählen können. Wenn wir es tun, müsste jeder in der kleinsten Zelle der Gesellschaft beginnen: bei sich selbst. Jeder Wähler hat es selbst in der Hand, Parteien zu wählen, die noch nie im Bundestag waren, um Veränderungen zu bewirken. Alle anderen "Jetzt-reichts"-Polemiken sind gefährliche prä-revolutionäre Gedankenspielereien mit ungewissen Ausgängen.
Damit niemand glaubt, die Diätenerhöhungen sacken sich die Abgeordneten und Minister ein, folgende nicht allgemein bekannte Anmerkungen. Formal freiwillig, doch mit Strafe der Nichtwiedernominierung sanktioniert, leisten in D Parlamentarier und ebenfalls vom Volk gewählte Funktionsträger sogenannte Mandatsträgerabgaben. Bis zu 20% (lt. wiki) der Abgeordnetenbezüge führen die Mandatsträger an ihre Parteien ab. Bei jeder Diätenerhöhung ist also der jeweilige Schatzmeister "dabei". Die Österreicher sind da klarer in der Benennung und führen diese Abgaben unter "Parteisteuern". Interessant ebenfalls die jährlich vom Bundestagspräsidenten veröffentlichen Rechenschaftsberichte der Parteien. Unter den namentlich aufgeführten Großspendern sehr zahlreich "Mandatsträger". ... und so greift Eines ins Andere...