Thilo Schneider / 12.01.2022 / 14:00 / Foto: Timo Raab / 52 / Seite ausdrucken

Die Ohnmacht des Faktischen

Was, wenn man den grünen Freund und seine Frau zu Gast hat und ein Stromausfall passiert? Dann gibt's Ärger, weil der grüne Freund ein Stromausfallleugner ist.

Ich kenne Ralf schon lange. Schon seit der Realschule. Ich wurde Selbstständiger, er ging in den Öffentlichen Dienst. Ich wurde überzeugter Liberaler, er überzeugter Grüner. Trotzdem haben wir die letzten 40 Jahre als Freunde verbringen können. Politik bleibt draußen, dafür teilen wir aber den gleichen Humor, der früher auf MAD-Heftchen, dann auf U-Comix und Kishon basierte, und außerdem interessiert er sich für Militärgeschichte ebenso wie ich. Auch, wenn wir die Ausgangslage der Schlacht von Waterloo 1815 etwas unterschiedlich beurteilen. Und so sitzen wir am Samstag gemütlich mit seiner Frau Sabine und dem Schatz bei uns im Wohnzimmer und spielen Scrabble, weil da die Spielregeln auch für Grünen-Sympathisanten leicht verständlich sind. Worte können sie beide legen, auch, wenn der Schatz und ich bei „Tödin“ oder „Winterin“ beide Augen feste zudrücken müssen. Harmonie und Freundschaft gehen über blöde Spielregeln.

Und dann wird es dunkel. Die weihnachtliche Lichterkette erlischt, die Deckenlampe geht aus, die leichte weihnachtliche Hintergrundmusik aus der Bluetooth-gesteuerten Musikanlage wird stumm. „Wahrscheinlich ist eine Sicherung draußen“, stellt Ralf fachmännisch eine erste Diagnose. Ich schaue aus dem Fenster. „Nein, das ist ein Stromausfall“, sage ich, denn draußen herrscht pechschwarze Nacht. Es ist überall dunkel und auch die Straßenlaternen tun so, als wäre es ein sonniger Julimorgen. „War wahrscheinlich etwas wenig Strom da“, füge ich sarkastisch hinzu und beiße mir gleich auf die Lippen. Das war doof. Sabine atmet zischend ein und Ralf sagt: „Nein.“ Eh, doch. Es ist, wie es ist. Wir haben Zappelstrom seit Jahresanfang. „Ich sehe nach der Sicherung“, bietet Ralf an. „Wo ist der Sicherungskasten?“ „Ralf, das hat mit der Sicherung nichts zu tun. Wir haben einen Stromausfall. Mitten im noch jungen Januar 2022.“, bleibe ich geduldig. Ralf starrt mich im Scheine des Teelichts, das noch traut unter der Teekanne flackert, an. Und sagt wieder: „Nein“.

Und ich sage, jetzt laut, „Doch!“ und gehe an den Lichtschalter des Wohnzimmers und klicke wie wild darauf herum. „Da, guck, dunkel, kein Strom, nirgends, sieh aus dem Fenster! Nirgendwo brennt Licht. Die Heizung ist aus und soeben tauen der Kühlschrank und die Gefriertruhe ab. Dies ist ein Stromausfall. Ein Blackout! Willkommen im Jahre 1815!“, versuche ich, ihm die Situation zu erklären. Ralf bleibt aber sitzen und winkt ärgerlich ab: „Das kann gar nicht sein. Wir haben genug Energie. Ich weiß schon, worauf du hinauswillst, aber das ist alles ausgerechnet. Wir brauchen keine Atom-, Kohle- oder Gaskraftwerke. Unseren Strom können wir dicke aus regenerativen Quellen erzeugen!“

„Ja, aber es ist kein Strom da“, gebe ich, etwas aufgebracht, zurück, „schau hin, Herrgottnochmal. Wir hocken im Dunkeln!“ Ralf seufzt und greift nach seinem Handy. „Ich beweise es dir“, sagt er und tippt auf dem Display. Dann sagt er: „Scheiße. Kein Netz. Dein W-LAN ist kaputt!“ Ich weiß nicht, ob er das mit Absicht gemacht hat. Ich schrieb ja – wir teilen die gleiche Art von Humor…

Kurz vorm Wutschlaganfall

Es gibt im Asterix-Band 14 („Asterix in Spanien“) ein hübsches Bild des zornig die Luft anhaltenden Pepe mit hochrotem Kopf. Ich mutmaße, ich habe in diesem Moment exakt so ausgesehen. „MEIN WELAN IST NICHT KAPUTT! WIR HABEN KEINEN STROM!“, brülle ich den entspannt auf meiner Couch sitzenden Ralf an. Tiefes Durchatmen. Dann: „Du hast doch auch kein Funknetz!“ Ralf guckt mich an, als sei ich ein fliegendes Schwein. „Natürlich nicht“, erläutert er im Plauderton, „das Funknetz ist hier im Spessart immer schwach und hier ist eh ein Funkloch.“

„Thilo, lass gut sein“, sagt der Schatz und Sabine sagt vorwurfsvoll: „Ralf…“ Aber es gibt kein Zurück mehr. Das Adrenalin rauscht mir schneller durch die Adern als Marschall Ney bei der letzten Reiterattacke. „Du bist fakten- und beratungsresistent, kann das sein?“, ich bin auf mindestens 180 trotz freundschaftlicher Geschwindigkeitsbegrenzung, „ich habe hier normalerweise volle Telekombalken!“ Ich schnappe mein Handy und halte ihm das Display so dicht vor die Augen, dass es fast an Körperverletzung grenzt und er unmöglich die Balken im eigenen Auge erkennen kann: „Da, guck – kein Bälkchen. Nichts. Das ist, weil wir einen S-T-R-O-M-A-U-S-F-A-L-L haben. ’S geht nix! Die Sendemasten haben keinen Saft!“ Und ich hoffe, damit ultimativ bewiesen zu haben, dass wir keinen Strom haben. „Dein Display leuchtet aber noch“, erläutert Ralf trotzig das Offensichtliche.  

Dies war der Moment, in dem ich sicher war, dass einer von uns beiden jetzt gleich einen Schlaganfall hat. Und zwar ich. Ich würde ihn schlagen. Einfach so. Hauen. Als ultima ratio. Ihm die arrogante Ignoranz aus dem Leib prügeln. Ein Wutschlaganfall. Draußen ist es dunkler als im Arsch der Hölle, und die Heizung gibt nur noch ein langsam kollabierendes Lauwarm von sich. Und der behauptet, es gäbe keinen Stromausfall. Weil doch alles mit regenartiger Energie funktioniert. Oder so. Er ist ein Stromausfallleugner. Aber nicht in meinem und der Bank ihr seinem Haus! Nicht mit mir!

Ich will gerade ausholen, als es derart glockenhell wird, als würde der Heilige Geist auf uns herniederfahren. Der Strom ist wieder da und im Hintergrund macht es kurz *ping* und die „50 klebrigsten Weihnachtslieder“ laufen wieder. „Da!“, sagt Ralf triumphierend, „hab’ ich doch gesagt, dass das kein Stromausfall ist. Das war nur irgendwo eine Störung“. Sprichts und legt seelenruhig das Wort „Störendere“ über die „Tödin“. „17 Punkte und dreifacher Wortwert, macht satte 51 Punkte“, ruft er fröhlich aus. Und ich falle helligkeitsblind und bewusstlos kopfüber auf den Tisch mit dem Scrabble-Brett…      

(Weitere Totalausfälle des Autors gibt´s unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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M. Corvinus / 12.01.2022

Wenn nicht wahr, so doch zumindest gut erfunden ;-)

Wolf Hagen / 12.01.2022

Ich wünschte mir mal eine Woche Stromausfall in Berlin-Prenzlauerberg, Neukölln und Leipzig-Connewitz sowie ähnlichen Vierteln, wo hauptsächlich grüne Öko-Sektierer und dunkelrote Genossen wohnen. Nach 24 Stunden würden die “Vollkontakt-Zeiten” starten und das wäre sehr, sehr schlecht für all die verweichlichten Sören-Maltes und Aishe-Lisas, samt ihren glutenfreien und veganen Latte Macchiatos. Oma und Opa ausgeraubt, Mama und Papa verprügelt und das werte Töchterlein vergewaltigt, während Sören-Malte noch alles mit dem fast leeren Handy-Akku filmen konnte, welches ihm anschließend leider abgezockt wurde. Dagegen würde Marschall Neys Kavallerie-Attacke, gegen die britischen Karrees, noch als gut organisierte Aktion durchgehen. Das ein fröhlich bekiffter Cem Özdemir mit Frau Mohamed Ali, auf dem Lastenfahrrad, die dann die Box-Skills ihres Namensvetters auspackt, dort für Ordnung und Sicherheit sorgen, dürfte wohl ausgeschlossen sein. Wenn dann, nach einer Woche, die Lichter wieder angehen, würde es zumindest deutlich weniger Grüne und Genossen geben, denn ein beträchtlicher Teil würde sich wohl in den “Ewigen Sozialistischen Windkraftgründen” wiederfinden und der Rest wäre vielleicht von der Dummheit des eigenen Tuns geheilt. Natürlich ist das Ganze bis jetzt nur eine Satire, allerdings wissen wir ja mittlerweile, wie schnell aus absurden Witzen knallharte Realität wird im besten Deutschland aller Zeiten.

Hartmut Laun / 12.01.2022

§ 28 update: Eine epidemische Energienotlage von nationaler Tragweite und schon geht es weiter mit Aussperrungen und Zwangsschließungen und Windräder auf jedem Festplatz im Dorf und Gemeinde.

Claudius Tanski / 12.01.2022

“Stromausfällin”

Frank Stricker / 12.01.2022

@S.Buch, so einer wie Ralf hätte in Stalingrad aus zerschossenen T-34 Panzern eine Photovoltaik-Anlage gezaubert und gesagt, “Wenn wir schon den Krieg verlieren, dann wenigstens nachhaltig und umweltfreundlich….....

Bernd Keller / 12.01.2022

Ja, so läuft das… Hatte mein Op-benebelte Holde noch grade aus Verviers durch Wassermassen und Absperrungen raus bekommen und ins Bett verbracht. Kurz darauf war hier alles abgesoffen. Radio und Kerzen an, ein Kajak an die Feuerwehr geschwommen und mein Schlauchboot aus dem Unterwasserkeller ertaucht. Nachbarn “gerettet”, Schlauchboot mit dem Autonotkompessor befüllt, Gaskocher und Kerzen raus und den guten Wein aufgemacht… Die ersten “Helfer” aus dem Abendland kamen noch vor den “Richtigen”... Hund, Knüppel, Pardon: Gehhilfe, halfen. Eine gute Gripzange mach übrigens das gleiche Geräusch wie das 9mm Gerät beim Laden. Kurz: Alles Werkzeug/Autos/Heizung ...verloren, immnoch warten auf das Geld der Versicherung, aber viel Hilfe, auch von offizieller Seite, und neue Freunde bekommen. Fundis weg, Realos da - enger als vorher.

Jörg Themlitz / 12.01.2022

Alle gegen Ralf. Das ist ja schlimmer als bei Pöbelralle. Alle gegen einen, da bin ich für Ralf. Mein Minderheiten und zweite Liga (Schalke) Komplex. Vorige Woche in CZ, Most ca. 45 min Stromausfall. Es war nicht dunkel weil wir schon eine halbe Flasche Diplomatico eingeatmet hatten! Zwei Kohlekraftwerke in Sichtweite. Das stimmt wirklich! Jetzt haben wir im Wohnzimmer als Stromlieferant für die Lampe, ein Solarpaneel. Damit kann der Strom kommen und gehen wie er will. Wir sind autark. Solange wir die Lampe nicht ausschalten, liefert das Solarpaneel Strom für die Lampe. Und es ist hell. Ich schreibe hier mal schmunzel, schmunzel. Sonst denkt noch jemand, ich habe an der selben Einrichtung studiert wie Annalena.

Gerhard Schmidt / 12.01.2022

Grüne und Faktisches sind halt Parallelwelten.. Ich versuchte mal einen grünen Lehrer-“Kollegen” zu überzeugen, dass die Gewalttätigkeit eines moslemischen Schülers auch kulturbedingt sei. Nein, dass käme allein aus der rassistisch-kolonialistischen Unterdrückung, meinte er, die die Leute bis heute in Armut zwinge, mit den bekannten gewaltfördernden Folgen. Meine Antwort, dass der Vater des Rangen Zuhälter sei und es an Geld nicht mangele und die Türkei nie Kolonie war (eher umgekehrt) führte zu bis heute anhaltendem Sprechstopp… .

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