Gewerkschaften und Sozialdemokraten fordern neue Vermögenssteuern. Dabei sorgt die Dumpingzinspolitik der Notenbank längst dafür, dass Sparer und Kapitaleigner systematisch und in gewaltigen Dimensionen enteignet werden.
Altmodische Linke glauben immer noch, man müsse Kapitalisten über Steuern enteignen. So kommen die Dinosaurierideen von Vermögenssteuern allsommerlich hervor wie eine sozialistische Variante des Ungeheuers von Loch Ness. Dabei hat der moderne Schuldensozialismus längst eine viel drastischere Variante der Sparerschröpfung etabliert: Die Dumpingzinspolitik. Sie sorgt dafür, dass Kapitalbesitzer rabiat und systematisch enteignet werden. Mit ihr hat sich nämlich ein negativer Realzins fest etabliert, der zu einer gewaltigen Umverteilung von Gläubigern zu Schuldnern führt.
Bei den beliebtesten Anlageklassen sind die Zinsen in Deutschland inzwischen auf knapp ein Prozent gesunken. Die Inflationsrate bewegt sich hingegen bei knapp zwei Prozent. Das bedeutet, dass die Sparer in diesem Jahr rund ein Prozent (zuzüglich Kapitalertragssteuern) Vermögensverzehr hinnehmen müssen – ganz ohne neue Steuergesetze.
Bei einem Geldvermögen der Deutschen von 4,7 Billionen Euro bedeutet das eine Prozent 47 Milliarden Euro Verlust – mitsamt der Kapitalertragssteuern steigt die Summe auf 60 Milliarden Euro im Jahr. Das ist bereits jetzt fünfmal so viel wie die geplante Vermögensteuer der SPD im besten Falle einbringen könnte. Während Sigmar Gabriel also mit dem roten Sankastenschippchen Sparergeld herbeikratzen will, ist die EZB in Frankfurt längst mit dem Schaufelradbagger in den Sparvermögen der Deutschen unterwegs.
Ohne dass es dazu je eine politische Debatte gegeben hätte, schröpft die Krisenpolitik die deutschen Sparer mal eben um den Betrag aller Erbschaftssteuern, Kraftfahrzeugsteuern, Tabaksteuern, Grunderwerbssteuern, Branntweinsteuern, Stromsteuern, Schaumweinsteuern, Lotteriesteuern, Kaffeesteuern und des Solidaritätszuschlages zusammengenommen. Und es sieht danach aus, dass die Phase negativer Realzinsen lange anhalten könnte. Damit bewegt sich Deutschland in eine der größten Massenenteignungen seiner Geschichte.
Die Politik betrachtet diese kalte Enteignung als geräuschlosen Königsweg aus der Schuldenklemme. Sparen (die seriöse Variante) fällt der Politik notorisch schwer, denn sie würde Mut erfordern. Wachstum (die angenehmste Variante) läßt sich nicht erzwingen. Steuererhöhungen (die linke Variante) bedrohen wiederum Wachstum. Gewollte Inflationierung (die billigste Variante) ist unkontrollierbar. Und eine Staatspleite (die drastische Variante) würde katastrophale Verwerfungen mit sich bringen. Also ist die Strategie der Zinsenteignung aus politischer Sicht die perfekt geschmeidige Option – auch deshalb, weil Sparer keine Lobby haben.
Die gewaltige Umverteilung von Schuldnern zu Gläubern, die damit in Gang kommt, sorgt freilich für eine Aushöhlung unserer Soliditätskultur. Denn jeder, der seine Alterversorgung über Konsumverzicht auf Sparvermögen aufgebaut hat, wird nun bestraft. Jede Stiftung, die vom Kapitalstamm lebt, kann sich fortan nurmehr verzehren. Jede langfristige Zukunftsplanung wird erschwert. Jedes Sparen an sich verkommt unter diesen Umständen zu einer unvernünftigen Tat. Damit verkehrt sich das deutsche Konzept der Vorsorgeethik und Stabilitätstugend: Sparer werden bestraft, Schuldenmacher belohnt. Die Nullzinspolitik mag für Zeremonienmeister des Schuldensozialismus ein genialer Trick in der Not sein – für alle anderen ist sie eine Attacke auf die Solidität und das Grundvertrauen der Gesellschaft.