Auf der einen Seite wird bei jener politischen Bildung gekürzt, die offiziell der Überparteilichkeit und wissenschaftlichen Ausgewogenheit verpflichtet ist, und auf der anderen Seite soll bald viel Geld an politische Vereine gezahlt werden, die nicht einmal versichern müssen, dass nichts davon in die Taschen von Extremisten fließt.
Ende letzter Woche überraschte unsere selbsternannte Transformations- und Fortschrittsregierung, die bekanntlich auch immer großen Wert auf die gute Gesinnung legt, selbst geneigte deutsche Medienkonsumenten mit einer eher unerwarteten Nachricht.
"Die Bundesregierung will die Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) massiv streichen. Das steht nach SPIEGEL-Informationen im Haushaltsentwurf aus dem Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD). Demnach soll der Etat der bpb um 20 Millionen Euro schrumpfen – von jetzt rund 96 Millionen auf etwa 76 Millionen Euro im Jahr 2024. Das wäre eine Kürzung um etwa ein Fünftel", meldete beispielsweise der Spiegel.
Bei verantwortlichen Politikern, die den Unmut vieler Bürger gern darauf zurückführen, dass denen die deutsche Politik noch nicht gut genug erklärt wurde, hätte man in der Tat nicht gedacht, dass sie nun ausgerechnet bei den Politik-Erklärern sparen. Bis dato hatte man diese Bundesregierung in Fragen staatlicher Selbstdarstellung doch eher als großzügig erlebt, bis hin zu den Ausgaben für Hof-Fotografen und Visagisten für einige Minister. Und nun soll ausgerechnet bei der altehrwürdigen Bundeszentrale für politische Bildung Regierungs-Geiz exekutiert werden? Kaum zu glauben.
Selbstredend gab es Protest, beispielsweise vom Dachverband der Einrichtungen politischer Bildung, der empört darauf verwies, dass SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag u.a. vereinbart hätten, „die Projektmittel der Bundeszentrale für politische Bildung (zu) erhöhen.“
Die Bundeszentrale untersteht dem Bundesinnenministerium. Dessen Hausherrin Nancy Faeser (SPD) ließ die Kritik an der Mittel-Kürzung prompt zurückweisen. Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung biete die Gewähr, dass „wichtige Vorhabens- und Programmlinien zur Stärkung der wehrhaften Demokratie (...) auch 2024 wirksam fortgesetzt werden“ könnten, habe eine Sprecherin des Ministeriums laut FAZ am Samstag mitgeteilt.
Auftrag und Hemmschuh
Um das zu verstehen, muss man sich wohl nach dem Grund dieser Mittelkürzung fragen. Gesteigerte Unbotmäßigkeit oder Regierungskritik aus der Bundeszentrale dürfte es wohl nicht gewesen sein. Aber vielleicht stört deutsche Weltanschauungspolitiker dennoch ein widerspenstiges Element in deren Aufgabenstellung. "Sie ist überparteilich und wissenschaftlich ausgewogen" heißt es nämlich in ihrem Auftrag.
In Paragraph 6 des Erlasses des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily (SPD), der die Arbeit der Bundeszentrale seit 2001 rechtlich regelt, heißt es zudem: "Die politisch ausgewogene Haltung und die politische Wirksamkeit der Arbeit der Bundeszentrale werden von einem aus 22 Mitgliedern des Deutschen Bundestages bestehenden Kuratorium kontrolliert."
Nun kann man sich sicher darüber streiten, ob die Bundeszentrale diesem Anspruch "überparteilich und wissenschaftlich ausgewogen" zu arbeiten, wirklich hinreichend gerecht geworden ist. Dennoch ist ein solchermaßen formulierter Auftrag, über dessen Einhaltung auch 22 Bundestagsabgeordnete wachen sollen, ein Hemmschuh für klar ideologische Positionierungen oder konkrete Wahlkampfhilfe für oder gegen bestimmte Parteien. Und einen solchen Hemmschuh möchten einige Koalitionspolitiker augenscheinlich gern abstreifen.
Während nämlich bei der zur Überparteilichkeit verpflichteten Bundeszentrale die Mittel gekürzt werden, soll auf der anderen Seite durch das sogenannte Demokratiefördergesetz das Fördermittel-Füllhorn verstetigter Finanzierung über politisch aktive Vereine und Stiftungen ausgeschüttet werden, die das Etikett "Teil der Zivilgesellschaft" bekommen haben, allerdings oft alles andere als überparteilich sind.
Alexander Kissler hatte den Irrwitz dieses Gesetzes in der NZZ einst kurz so zusammengefasst:
"Erklärtes Ziel ist laut der Bundesinnenministerin die ‚verstetigte finanzielle Unterstützung der Zivilgesellschaft‘. Noch deutlicher heisst es in einer Antwort der Bundesregierung von Ende Oktober, durch das Gesetz solle ‚mehr Planungssicherheit für die Zivilgesellschaft‘ erreicht werden.
Diese Formulierung ist absurd und verkennt die Grundlagen des liberalen Rechtsstaats. Eine Zivilgesellschaft, die zur Zahlungsempfängerin des Staates und damit zum Haushaltsposten der Bundesregierung herabsinkt, ist ihres Kerns beraubt. Sie gerät in ein Verhältnis der Abhängigkeit von den jeweils herrschenden Mehrheiten. So erwächst aus der Sehnsucht nach Obrigkeit neue und ‚verstetigte' Untertänigkeit."
Bauchschmerzen bei der FDP
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Sönke Rix, hatte vor ein paar Tagen gefordert, das neue Gesetz müsse nun schnell beschlossen werden. Grund: "Das Demokratiefördergesetz ist ein essenzieller Schritt, um demokratiefeindlichen Kräften wie der AfD entgegenzutreten und die Zivilgesellschaft in ihrem Engagement zu unterstützen."
Ursprünglich wollte die Ampel das Gesetzeswerk schon vor der Sommerpause beschlossen haben, doch nach der ersten Lesung des Entwurfstextes im März hatten FDP-Abgeordnete Bedenken bekommen und Änderungswünsche angemeldet. Födermittelempfänger sollten verpflichtet werden, eine sogenannte Extremismusklausel zu unterschreiben, die die Zusicherung beinhalte, dass kein Geld aus der Förderung auf Umwegen am Ende extremistischen Gruppen zugute kommt. So viel Distanzierung vom Extremismus war aber SPD und Grünen zu viel, weshalb das Gesetz bisher noch nicht zur letzten Beschlussfassung auf der Tagesordnung steht.
Irgendwann wird die FDP wohl nach einem kleinen Formelkompromiss einknicken. Der merkwürdige Eindruck bleibt. Auf der einen Seite gibt es Kürzungen bei jener politischen Bildung, die der Überparteilichkeit und wissenschaftlichen Ausgewogenheit verpflichtet ist, und auf der anderen Seite soll viel Geld an Vereine fließen, die nicht einmal versichern müssen, dass die Mittel nicht in die Taschen von Extremisten fließen. Wirklich tolle Demokraten!
Gegenwärtig vertreibt die Bundeszentrale für politische Bildung immer noch kostenlos die Ausgabe der gegenwärtigen Fassung des Grundgesetzes. Eine durchaus empfehlenswerte Lektüre. Vielleicht sollte man sich noch eins bestellen, wer weiß, ob sich die Bundeszentrale dieses Angebot angesichts von Kürzungen nicht bald spart.