Vera Lengsfeld / 20.09.2019 / 16:00 / 37 / Seite ausdrucken

Deutschland rechts außen?

Der martialische Untertitel des Buches von Matthias Quent lautet: „Wie die Rechten nach der Macht greifen und wie wir sie stoppen können“. Auf dem Buchcover wird der Autor als „profilierter Rechtsextremismusforscher“ vorgestellt und Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft der Antonio Amadeu Stiftung in Jena.

Stehen wir also kurz vor der Machtergreifung der „Rechten“ oder gar Rechtsradikalen? Aber wer sind die? Um diese entscheidende Frage wird herumgeredet, obwohl doch immerhin 300 Seiten zur Verfügung standen. Rechtsradikal ist bei Quent keine valide Kategorie, sondern ein ideologisch-pejorativ aufgeladener Kampfbegriff, der Menschen aus der solidarischen Gemeinschaft der Anständigen ausschließen soll.

An einer Stelle muss Quent sogar eingestehen, dass der Rechtsradikalismus ein Randphänomen ist. Er zitiert Stephen Pinker, der sagt, dass Rassisten eine aussterbende Spezies sind. Das ist zutreffend. Im Vorwort thematisiert er seine Leidensgeschichte als Schüler in Arnstadt, wo er nach seiner Schilderung permanent von Neonazis verfolgt, verprügelt, auf Gleise geschubst und mit Pflastersteinen beworfen wurde. Eine langjährige Freundin meines Sohnes, die mit Quent in Arnstadt zur Schule ging, hat von all dem nichts mitbekommen, aber wenn Quent seine Erzählung in Westdeutschland vorträgt, ist das Publikum regelrecht erschüttert über den Nazi-Osten.

Chemnitz bekommt in der üblichen Weise sein Fett weg, obwohl viele der seinerzeitigen Vorgänge sich inzwischen vollkommen anders darstellen, als während der angeblichen "Hetzjagden". Auch den von Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgerufenen Aufstand der Anständigen ordnet Quent nicht dem Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge zu, weil der, wie sich bald herausstellte, von muslimischen Jugendlichen verübt wurde, sondern einem anderen Ereignis, das ihm besser in den ideologischen Kram passte.

Gewalttätigkeiten im Sinne des „Fortschritts“

Quent lobt die Band K.I.Z. als vorbildliche Demokraten. Dass die in Chemnitz einen Song zur Aufführung brachten, in dem sie die „Messerklinge in die Journalistenfresse“ rammen wollten, gilt ihm offenbar als Ausweis vorbildlicher demokratischer Reife. An einer Stelle gesteht Quent sogar ein, dass es auf Seiten der „Progressiven“ Gewalttätigkeiten gibt, aber die seien wenigstens im Sinne des „Fortschritts“. Eine Ansicht die  nur graduell und nicht prinzipiell verschieden von der Stalinistischen Maxime ist: „Wo gehobelt wird, fallen Späne“.

Zurück zu der Frage, wo die Rechten sind, die nach der Macht greifen: Quent führt auch die von mir publizierte „Gemeinsame Erklärung 2018“ an, in der sich 165.000 Unterzeichner für die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit an unseren Grenzen eingesetzt haben. Die Forderung nach Rechtsstaatlichkeit ist also „rechts“. In diesem Sinne bin ich eine bekennende Rechte.

Um endlich eine Hausnummer zu bekommen, die mehr ist, als eine Quantité négligeable, erklärt Quent alle Mitglieder und im Grunde alle Wähler der AfD, zu Rechtsradikalen. Ja, Radikalen, denn einfach Rechte dürfen es deshalb nicht sein, weil es in einer wirklichen Demokratie auch eine demokratische Rechte gibt. 

Wie sein Buch entstanden ist, beschreibt Quent erstaunlich offen. Er bedankt sich bei allen „Kolleginnen, Journalisten und Aktivistinnen, die sich die Mühe machen, Reden, Online-Kommunikation, Programme und Schriften rechtsradikaler Protagonisten detailliert zu analysieren… so dass es nicht nötig war, mit rechten Kadern reden zu müssen…“ Das Buch beruht also nicht auf eigenen Analysen originaler Texte, sondern auf zweiten und dritten Aufgüssen ungeprüfter Behauptungen Dritter. Deutlicher: Es geht nicht darum, was die angeblich Rechtsradikalen wirklich gesagt haben, sondern was ihnen unterstellt wird.

Zwei Beispiele: Vom Schriftsteller Uwe Tellkamp wird behauptet, er schwelge in Nostalgie. Ob damit sein epochales Werk „Der Turm“ gemeint ist, würde man nur herausfinden, wenn man die angegebene Quelle durchforstet. Vom Münchner Massenmörder Sonboly wird behauptet, er hätte sich zur AfD bekannt. Bekannt ist lediglich, dass Sonboly sich als Deutscher bezeichnete. Sonbolys Tat wurde anfangs vom LKA nicht als rechtsextrem eingestuft. Das änderte sich erst, nachdem Experten wie Quent Gutachten erstellt hatten, die das Gegenteil behaupteten. Laut Wikipedia weise laut Quent der Radikalisierungsprozess des Sonboly „kaum Parallelen zu klassischen rechtsextremen Gewalttätern auf“. Dennoch könne die Mehrfachtötung am OEZ zutreffend als „Akt eines allein handelnden Terroristen“ bezeichnet werden.

Es würde den Rahmen dieser Rezension sprengen, wollte ich auf alle Ungereimtheiten und Fehldarstellungen eingehen. Es seien hier nur die roten Linien vorgezeichnet: Die "Rechten" sind allesamt rückwärtsgewandt, verfolgen eine „völkische Ideologie“, fühlen sich vom Fortschritt abgehängt, bedroht vom Wettbewerb der Einwandererfamilien, sind pessimistisch, frauenfeindlich und antisemitisch.
 
Dagegen sind die #WirSindMehr-Mehrheit der Zukunft zugewandt, fortschrittlich, aufgeklärt, den Menschenrechten verpflichtet, auf dem Weg in die solidarische Gesellschaft der Gleichen. Wie die schlagende Antifa, Steine werfend, Autos anzündend, Büros und Wohnhäuser demolierend in dieses hehre Bild passt, erklärt er nicht. Aber sie tut es ja um des Fortschritts willen.

Nach Quent wird alles immer besser in unserer Gesellschaft. Welcher Fortschritt es sein soll, dass sich Frauen nachts nicht mehr allein in Parks wagen können, wie selbst die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg zugibt, nicht mehr allein joggen gehen zu sollen, wegen angeblich unpassender Kleidung auf der Straße angepöbelt zu werden, Volksfeste nur noch hinter Merkel-Pollern, oder – wie in Werder das Baumblütenfest – gar nicht mehr stattfinden, weil die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen nicht mehr bezahlt werden können, erklärt Quent nicht. Wahrnehmungen wie die, dass Weihnachtsmärkte Festungen gleichen und die Gewaltkriminalität explodiert, sind offenbar rechtsradikal. Er unterstellt den „Rechtsradikalen“ Untergangsszenarien zu verbreiten.

Immerhin gibt Quent zu, dass es eine Schwäche der Linken sei, Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus bei Einwanderern nicht zu thematisieren. Mit einem Rest Ehrlichkeit räumt er ein, dass die aktuelle Klimaschutzbewegung auch Endzeitstimmung und Angst verbreitet. 

Björn Höcke ist ein wirkliches Problem 

In einem Punkt hat Quent allerdings recht: Björn Höcke ist ein wirkliches Problem. Seit dem diesjährigen Sommerinterview des MDR, in dem er der Frage auswich, ob er einem Landolf Ladig, der Artikel für die NPD-Zeitung schrieb, politische Verantwortung übertragen würde, statt klar „Nein“ zu sagen, bin ich endgültig der Überzeugung, dass Höcke mit Ladig identisch ist.

So lange die AfD Höcke in ihren Reihen hat, wird sie sich den Vorwurf, nationalen Sozialisten eine Heimstatt zu bieten, gefallen lassen müssen. Es wird für die Zukunft – vor allem für die Wählbarkeit dieser Partei – entscheidend sein, ob sie die Kraft aufbringt, sich von Höcke und seinem Flügel zu trennen. Wegen Höcke aber alle Mitglieder der Partei und ihre Wähler zu Rechtsradikalen zu erklären, ist unredlich.

Wie will Quent die „rechte Machtergreifung“, für deren bevorstehende Gefahr Quent keinerlei Belege bringt, stoppen? Mit dem totalitären Mittel der Ausgrenzung. Das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes soll nicht mehr gelten, zuallererst für Lehrer.

„Den demokratischen Diskurs zu retten, heißt Antidemokraten davon auszuschließen.“
Wer „Antidemokraten“ sind, bestimmen Quent und Co. Die Antifa übernimmt die Handarbeit. Matthias Quent und seine Genossen haben immer noch nicht begriffen, dass man totalitäre Methoden meiden, ja ächten muss, um eine menschlichere Gesellschaft zu erreichen. Das Totalitäre führt nicht in eine solidarische Gesellschaft, sondern in die nächste Diktatur.

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Sabine Lotus / 20.09.2019

“Matthias Quent und seine Genossen haben immer noch nicht begriffen, dass man totalitäre Methoden meiden, ja ächten muss, um eine menschlichere Gesellschaft zu erreichen.” Warum sollten die das auch begreifen? Deren lukratives Geschäftsmodell ist doch, das gerade nicht zu begreifen.

Michael Lorenz / 20.09.2019

Wer Höcke loswerden will, weil er dessen Wirken unappetitlich oder sogar unerträglich findet, hat mein Verständnis. Jedoch habe ich den Eindruck, das trifft nur auf wenige zu. Den Rest juckt es m. E. in den Fingern, endlich auch mal den Gesslerhut zu grüßen in der Hoffnung, ein wenig Mainstream-Sympathie fällt dann auch für ihn ab. Mit welcher Münze hier zu zahlen ist, wird deutlich, wenn man mal Trennungswürdiges vergleicht: Höcke wegen seiner Darstellungen raus aus der Afd bedeutet mindestens: raus mit Kühnert (und vielen anderen!) aus der SPD, denn diese arbeiten erklärtermaßen daran, tragende Säulen des freien Rechtsstaats einzureißen. Somit gilt für mich: einen Höcke hält ein freier Rechtsstaat und damit auch die AfD, die ihn als einzige Partei noch aufrecht erhalten will, locker aus. Um mal eine Metapher zu benutzen: ein Pickel im Gesicht ärgert mich, aber bekämpfen würde ich die Leukämie. Wenn das geschafft ist, kommt die Kosmetik dran. Und nicht anders herum!

Michael Stoll / 20.09.2019

Warum sind sich Links- und Rechtsextreme so ähnlich? Weil sie aus dem selben Loch kommen, weil sie die selben Wurzeln haben. Die Nationalsozialisten haben sich selbst als links verortet, bürgerliche Tugenden, wie Recht, Freiheit, Individualismus, waren ihnen zuwider. Der eigentlich linke Rechtsextremismus, gerne fälschlicherweise zu “Rechts” eingekürzt, hat mit den Konservativen nichts, aber auch gar nichts gemein. Wen sollen konservativ denkende Menschen, die das Land erhalten und bewahren möchten, denn wählen, wenn sich die Union auf die linke, selbstzerstörerische Seite verabschiedet hat und die Liberalen gemeinsam mit den Antiliberalen heulen, nur damit sie keine Negativschlagzeilen im Staatsfunk und in der Einheitspresse erzeugen? Ob Höcke ein Nationalromantiker, wie Gauland sagt, oder ein Nationalsozialist ist, vermag ich nicht zu sagen, aber wenn Alice Weidel, von den antiliberalen Pseudodemokraten goutiert, im Staatsfunk als “Nazischlampe” bezeichnet wird, geht mir, angesichts des leichtfertigen Umgangs mit diesen Begriffen, der Hut hoch.

Marc Blenk / 20.09.2019

Liebe Frau Lengsfeld, sie sind eine Ikone der Demokratie und des Einsatzes für die Freiheit. Und ich bin ein großer Verehrer ihrer Person und Integrität. Nur manchmal und gerade deswegen mache ich mir Sorgen um Sie. Es muss, und ich meine das ohne jede Ironie, für Sie der reinste Horror gewesen sein, ein viertklassiges Buch eines linken Trittbrettfahrers, Dummschwätzers und gewohnheitsmäßigen Demokratiefeindes in ganzer Länge zu lesen, wenn man so sensibel ist, wie sie es nun mal sind. Wäre ich ihr Berater oder Coach, würde ich Ihnen solche Lektüre verbieten. Es bleibt ja noch genug anderes Material für Ihre kluge Ideologiekritik übrig, das einen zwar ebenfalls in den Wahnsinn treibt, aber doch nicht ganz so sehr. Das Buch dieses Mannes jedenfalls ist es gar nicht wert, mit Ihren Reflexionen bedacht zu werden.

Ludwig Reiners / 20.09.2019

Ich bin der Ansicht, daß sich die Haltung der Altparteien keinen Deut ändern würde, wenn “sich die AfD von Höcke und seinem Flügel trennen” würde.  Welches Verhalten der Altparteien, welche Zusagen der Altparteien geben Anlaß zu der Annahme? Ich denke, daß nach einer Trennung von Höcke eine Trennung von einem weiteren und dann noch einem weiteren und weiteren Parteimitglied gefordert werden würde. Die Trennungsforderung ist ein übler Trick, mit dem sich viele an der Nase herumführen lassen.

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