Ab heute trifft sich die Davos-Kamarilla wieder in ihrem elitären Club, Entscheider und Trittbrettfahrer, Demokraten und Autokraten, CEOs und Philanthropen, Meinungsmacher und Speichellecker. China ist gern gesehener Gast. Und in Berlin will man ein Zentrum für „Regierungs-Technik“ eröffnen.
In exklusiver Atmosphäre und klarer Schweizer Bergluft wird Davos eine Woche lang zum Nabel der Welt, und die Geschäftsidee eines ehemals unbedeutenden deutschen Hoteliers, sein Adressbuch mit den Telefonnummern der weltweiten Polit- und Wirtschaftselite zu füllen, findet zum 53. Mal statt. Die Welt schaut wieder mal nach Davos, und die Presse möchte uns gern glauben machen, man betrachte dieses Konklave mit Hoffnung auf die Lösung all unserer Probleme.
Doch schon das Motto der diesjährigen Tagung, „Rebuild Trust“, lässt vermuten, dass es wohl eher Furcht und Skepsis sind, die das Bild bestimmen, welches sich die Menschen von den Vorgängen in Davos malen. „Vertrauen zurückgewinnen“, das Motto bezieht sich zwar nicht ausdrücklich auf das WEF selbst, sondern auf die Politik, die es trägt. Auch bin ich mir nicht sicher, ob man beim WEF zu solcher selbstkritischen Reflektion fähig ist.
„Iss deine Käfer und halt die Klappe“
Der Ruf der Schwab-Combo in der informierten Zivilgesellschaft ist weltweit gelinde gesagt nicht der Beste, was nicht an den Gastgeberqualitäten von Klaus Schwab, sondern an der globalistisch-elitären Agenda des WEF liegt, wo man voll in die Weltuntergangsrhetorik der Klimawarner eingeschwenkt ist und planwirtschaftlichen Tendenzen, Überwachung, staatlicher Bevormundung und anmaßender Besserwisserei das Wort redet, Stakeholder statt Shareholder anspricht, andächtig Gretas infantiler Kapitalismuskritik lauscht und gern von „social sustainability“ schwärmt. Doch das ist leider auch nur ein anderer Begriff für „Social Engineering“, also für Sozialklempnerei in Form der gezielten Beeinflussung von Menschen mit dem Ziel, gewünschte Verhaltensänderungen zu erzeugen.
Die Quintessenz dieses Wirkens haben die Kritiker und Spötter des WEF in zwei unverkennbaren Aussagen gefunden. Die eine wortwörtlich, die andere als letzte Konsequenz: „Du wirst nichts besitzen und glücklich sein“ sowie „Iss deine Käfer und halt die Klappe“.
Was hat das alles mit mir hier Deutschland zu tun, werden Sie denken, liebe Leser. Was geht uns die Schweiz an, und was auch immer die da in Davos auf ihrem nach der COP zweitgrößten Privatjettreffen der Welt ausbaldowern, interessiert uns nicht.
Aber das wird es vielleicht bald, und sehr konkret. Und wir tun gut daran, uns in diesem Zusammenhang wieder mal vor Augen zu führen, für welche Ziele der WEF steht. Spoiler-Alarm: Individualismus und Freiheit gehören nicht dazu, und der große Bruder China ist gern gesehener und gehörter Gast in Davos.
Vertrauen zurückgewinnen – vorausgesetzt man hatte es jemals
Was könnte das WEF also tun, um das Vertrauen zum Beispiel der Bevölkerung in Deutschland zurückzugewinnen – vorausgesetzt, man besaß es je. Wie wäre es, wenn das WEF Keinschönerland zum exklusiven europäischen Partner für zukunftsorientiertes Regieren und Verwalten erklärt? Und zwar mit Digitalisierung und allem, was dazu gehört. Die Pressemeldung ist schon drei Monate alt und hat es irgendwie geschafft, weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit zu bleiben.
„Das World Economic Forum (WEF) will ein Center für GovTech in Berlin eröffnen. Es soll nicht nur das erste Center des WEF in der Europäischen Union überhaupt werden – sondern auch das erste WEF-Center, das sich ausdrücklich mit dem Thema GovTech befasst.“
Andocken möchte das WEF an den GovTech Campus Deutschland, eine von der Bundesregierung initiierte Plattform, auf der sich Startups vernetzen, um Deutschland (ich zitiere von der Webseite) „zum Vorreiter bei der Entwicklung und Anwendung digitaler Technologien und Lösungen für den öffentlichen Sektor – Government Technology – machen.“ Das klingt gleichzeitig positiv und größenwahnsinnig. Denn einerseits ist kaum zu bestreiten, dass die Digitalisierung in der Verwaltung einiges an Nachholbedarf hat.
Andererseits gibt es selbst in der EU viele Länder – gerade die baltischen –, die diesbezüglich längst Vorreiter sind. Hinterherreiter sind aber schon per Definition keine Vorreiter. Doch kann man die Tätigkeit des GovTech Campus Deutschland durchaus positiv betrachten, und während die Industrie hierzulande aufgrund Energiemangel und politischer Tagträumerei die Koffer packt, können wir demnächst vielleicht zumindest auf eine Verwaltungsbürokratie aus Gold blicken. Die Frage ist nur, wo und warum kommt hier das WEF ins Spiel. Welche Skills hat die Schwab-Combo in Sachen effektive, digitale Verwaltung? Lesen wir weiter in der Pressemeldung vom 2. Oktober 2023:
„Das neue WEF-Center soll beim GovTech Campus Deutschland in Berlin angesiedelt sein. Als Projekt, das von der Bundesregierung ins Leben gerufen wurde, um die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung voranzutreiben, fungiert der Campus als Plattform für die Zusammenarbeit zwischen Regierung, Wirtschaft und Technologieunternehmen und fördert insbesondere innovative Lösungen in der Regierungstechnologie. […] Seit seiner Gründung vor rund einem Jahr hat er erhebliches Interesse an seinen Projekten und Zukunftsplänen geweckt…“
Das WEF kam also sehr schnell auf den Geschmack an den Technologien, die am GovTech Campus entwickelt werden. „Gemeinsam können wir die Leistungsfähigkeit unserer Verwaltung auf ein neues Niveau heben und die Chancen der Digitalisierung voll ausschöpfen“, sagte Staatssekretärin Martina Klement.
Der Wille, die Welt konsequent umzukrempeln
Ich versuche mir indes das Ergebnis dieser Allianz in der Praxis vorzustellen, denn da treffen zwei Dinge aufeinander, die sich in unheimlicher Weise ergänzen. Da wären die Prinzipien deutscher Verwaltung, die sich durch eine gewisse Pedanterie, gepaart mit einem undurchdringlichen Geflecht an Regeln, auszeichnet, auf der anderen Seite haben wir den Willen des WEF, die Welt konsequent nach den Regeln von Klimarettung, Energiemangel, Planwirtschaft und Diversity umzukrempeln. Dazu gebe man reichlich deutsches Steuergeld (wetten?) und siedelt das Ganze in Berlin an, der ökonomisch dysfunktionalen Projekthauptstadt Deutschlands, kurz umrühren und fertig ist die Vorlage eines übergriffigen Staates mit einer allmächtigen, allwissenden aber natürlich gütigen und wohlwollenden Verwaltung. Irgendwie gruselig, oder?
Es ist in der Verquickung von Wirtschaft, Politik und Ideologie wie beim Kochen: Kennt man die Zutaten, weiß man schon vorher, ob man das Rezept ausprobieren sollte oder doch lieber die Nummer des Lieferdienstes wählt. Und die Frage, was da eigentlich Neues entwickelt werden soll, was es in Sachen Verwaltung noch nicht gibt, ist durchaus berechtigt. Effektive digitale Verwaltung könnten wir oder das WEF ja auch in Lettland, Estland oder Singapur lernen.
Oder schweben dem ganz andere Anwendungsfälle von „Verwaltung“ vor, an die die baltischen Staaten noch gar nicht gedacht haben? Das alles sollten wir ab dem 15. Januar 2024 aufmerksam verfolgen, denn die Konkretisierung der Pläne zur Zusammenarbeit Deutschlands mit dem WEF an durchdigitalisierter Verwaltung und Regierung wurde für Davos 2024 angekündigt.
Roger Letsch, Baujahr 1967, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Sortiert seine Gedanken in der Öffentlichkeit auf seinem Blog unbesorgt.de