Dirk Maxeiner / 29.11.2020 / 06:15 / Foto: Imago / 58 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Das Auto des Jahres

Dass ich das noch erleben darf. Sogar die Grünen fordern enthusiastisch den Einsatz eines 408 PS starken Allrad-Monsters mit Verbrennungsmotor und 12 Litern Hubraum. Und das in der Innenstadt! Als Dienstwagen im Auftrag des Guten! Die Rede ist von einem eindrucksvollen Traumwagen, der selbst die vor Neuköllner Shisha-Bars geparkten S-Klasse-Mercedes alt aussehen lässt. Das kantige Design ähnelt einem Stealth-Bomber. Das untere Ende der Frontscheibe liegt deutlich höher als die Reichweite einer Parkaufsicht vom Ordnungsamt. Das Dach ist an keiner Stelle horizontal, damit keine Brandsätze liegen bleiben können. Die Kabine hat im Test selbst einer aus dem dritten Stock geworfenen Gehwegplatte standgehalten. Die Rede ist von einem Automobil namens WAWE 10.000, das im gut sortierten Autohandel bereits ab 900.000 Euro zu haben ist. Und das Tolle: Es herrscht parteiübergreifend Einigkeit darüber, dass dieses innovative Fahrzeugkonzept einen zukunftsfähigen Beitrag dazu leisten kann, die Bundesrepublik mobil zu machen

Da die Automobil-Ausstellung in Frankfurt leider ausfallen musste, hat sich die Berliner Landesregierung Mitte November dazu entschlossen, das Auto des Jahres im Rahmen einer PR-Aktion vor dem Reichstag zu präsentieren – unter reger Beteiligung der autobegeisterten Massen. Gleich zwei Fahrzeuge vom Typ WAWE 10000 wurden von geschulten Fachkräften vorgeführt. Die Aufteilung der Bedienungsmannschaft entspricht im wesentlichen der Besatzung eines Kampfpanzers vom Typ Leopard: Im Cockpit sitzen Fahrer, Kommandant, Beobachter und zwei Kanoniere. Und mit den beiden Letzteren sind wir bei der eigentlichen Innovation.  

Während herkömmliche Sportwagen langsamere Verkehrsteilnehmer mühselig mit der Lichthupe und dem links gesetzten Blinker um Vorfahrt bitten müssen, erfolgt dies beim WAWE 10000 mittels zweier Wasserkanonen, die 3.500 Liter Wasser pro Minute bis zu 65 Meter weit schießen. Vor dem Gebrauch muss er an die Tränke, so wie ein Kamel vor dem Wüstentrip. Dann zieht er sich mal eben 10.000 Liter Wasser rein.

Angetrieben werden die Wasserkanonen von einem separaten Deutz TCD 2012L06-Motor, so dass man fahren und schießen zugleich kann. Dank der Reichweite der Wasserkanone ist es so beispielsweise möglich, einen vorausfahrenden Porsche Carrera mühelos von der linken Spur der A9 zu blasen, ohne den Sicherheitsabstand zu unterschreiten. Wahlweise kann man auch eine am Fahrbahnrand lauernde Radarfalle abräumen oder die Büroräume der Deutschen Umwelthilfe entglasen – und dabei mühelos die AHA-Regeln einhalten.

Die stets an vorderster Front operierende Stadt Berlin

Es ist immer wieder erfreulich, festzustellen, dass solche für den Endkunden wirklich einleuchtenden Innovationen von kleinen mittelständischen Unternehmen ersonnen werden. In diesem Falle gebührt das Lob des Testers der Firma Rosenbauer in Oberösterreich, eigentlich ein Feuerwehrgeräte-Hersteller, der aber die Zeichen der Zeit erkannt hat. Seit 1888 versteht man sich dort darauf, Feuer aller Art zu bekämpfen. Schritt für Schritt wurde das Prinzip der Brandbekämpfung dann auf Politik und Ordnungskräfte erweitert.

Der Einsatz von Wasser zum kontrollieren von mutmaßlich gewalttätigen Gruppen – sogenannten Störern – beschränkte sich anfangs auf Wasserschläuche an den ortsfesten Hydranten. Einen Meilenstein der Entwicklung setzte dann die stets an vorderster Front operierende Stadt Berlin mit dem Berliner-Wasserwerfer von 1930. Bei der Premiere des Anti-Kriesgfilms Im Westen nichts Neues wurden Wasserwerfer eingesetzt, um Demonstrationsverbote durchzusetzen. In der DDR waren Wasserwerfer des Typs SK-2 (Sonderkraftfahrzeug 2) im Einsatz, etwa beim Bau der Berliner Mauer am Brandenburger Tor, 1961

Die Berliner Regierenden bewiesen also historisches Gespür, als sie dieser Tage – rund 60 Jahre nach der heroischen Wasserwerfer-Parade von 1961 –  am gleichen Ort erneut eine Wasserwerfer-Vorführung anordneten. Sehen Sie hier ein besonders gelungenes Foto aus der PR-Mappe des Berliner Senats. Eine bessere Werbung für deutsch-österreichische Ingenieurskunst kann man sich kaum vorstellen, dank CNN wurden auch Kunden in Weißrussland, der Türkei, Venezuela und Hongkong für das nachhaltige Produkt sensibilisiert. Für die total Begeisterten in aller Welt zählt vor allem die maßgeschneiderte und individuelle Wasseraufbereitung, die, je nach Vorlieben der betreffenden Bevölkerung, etwa mit einer Pfefferlösung, Tränengas oder Stinkbomben erfolgen kann. 

Bei einer Sturmflut auf der Seebrücke von Sellin

Im Zuge der vorbildlichen Niederringung von Coronaleugnern entschied sich die Berliner Polizei für die nach eigenen Angaben „sanfteste“ Art des Einsatzes, nämlich die sogenannte Beregnung, was etwa die Süddeutsche Zeitung zu der enthusiastischen Zeile veranlasste: „Weine nicht, wenn der Regen fällt“. Bei der Beregnung werden die anwesenden Störer mit Wasserschwaden überschüttet, so, als ständen sie bei einer Sturmflut auf der Seebrücke von Sellin. Die dabei frei werdenden Aerosole sind das Transportmittel der Wahl für Corona-Viren, von denen die sogenannten Corona-Leugner  ja nichts wissen wollen. Da wird der Wasserwerfer zum Virenwerfer. VIVA 10000!

So kommt die pädagogische Dimension des Wasserwerfer-Einsatzes zum Tragen. Jemanden, der keine Maske anziehen will, mit einem Aerosol-Bombardement davon abbringen zu wollen, entspricht der Methode, das Böllerverbot durchzusetzen, indem man Knallfrösche in die Menge wirft. Oder auch lange Schlangen vor den Supermärkten zu verursachen, wo sich die Leute in der Kälte eine Lungenentzündung einfangen, um drinnen im Warmen kein Corona abzukriegen. Schlangen vor den Supermärkten sind übrigens eine patriotische Pflicht, Schlangen vor den Skiliften Vaterlandsverrat, das Nähere regelt Markus Söder. Der Markt für den WAWE 10.000 scheint mir noch ausbaufähig, da geht noch was.

Wobei die Bedrohungslage beim Wasserwerfer durchaus keine Einbahnstraße sein muss. Alles, was der Widerstandskämpfer braucht, um den WAWE-Einsatz auch für dessen Besatzung zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen, ist ein hochspannender Tesla S, den die Feuerwehr nicht ohne Grund meidet wie der Teufel das Weihwasser. Wenn die WAWE-10.000-Besatzung so eine am Straßenrand geparkte Hochleistungbatterie von der Straße blasen will, dann trifft sie womöglich der Blitz, und anschließend werden die Beteiligten gebrutzelt wie eine Portion Pommes in der Fritteuse. Vielleicht sollte ich doch noch mal ergebnisoffen über das Thema Tesla nachdenken. Für eine subtile Werbekampagne könnte sich Elon Musk einen Slogan aus dem kalten Krieg abschauen: „Gleichgewicht des Schreckens“.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Hans-Peter Dollhopf / 29.11.2020

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, schwimmt manchmal wie der Fisch in zehn Tonnen Wasser.

Carsten Bertram / 29.11.2020

Niemand in dem Wasserwerfer trifft der Blitz. Die Insassen sitzen in einem Faradayschen Käfig. Es könnte nur für Umstehende unangenehm werden, wenn der Teslar einen Kurzschluß hat.

Dr. Karl Wolf / 29.11.2020

Mit dem Ding würde so manch ein deutscher PS-Protz über die Autobahn und durch die 30er-Zone brettern.

Peter Wachter / 29.11.2020

@Dieter Kief. Einen Tesla löschen, ist wie eine Solaranlage auf dem Dach löschen, beide können noch “unter Spannung stehen”, wenn nicht über einen Notaus-Schalter die Spannung abgeschaltet wurde. Was da passieren kann, können sie mal ausprobieren, wenn sie gegen einen elektrischen Weidezaun pinkeln. Viel Spass !

sybille eden / 29.11.2020

Herr SCHAUMBURG, der Brandt -Senat hat keine Wasserwerfer gegen die APO eingesetzt ? Wo Haben sie geschlafen ?

Gerd Heinzelmann / 29.11.2020

Gerade bekam ich einen Anruf, dass einer meiner besten Jugendfreunde aus dem Leben geschieden ist. Nun bin ich auch von Corona geschädigt. Ob es Corona war? Eher das, was mir schon seit Jahren auf den Zeiger geht. Fuck you! Ich meine nicht Goethe, sondern euch. Danke Herr Maxeiner für die Plattform.

Barney Schubert / 29.11.2020

Werter Herr Maxeiner. Ich musste gleich nochmal ihren Namen anklicken. Geburtsjahr 1953. Da geht noch was. Hoffentlich lange, lange. Die Beitraege sind das allerbeste, was Schland an boeser Satire zu bieten hat. Und es wird von Sonntag zu Sonntag besser, moeglicherweise, weil Schland immer idiotischer wird und es die Mehrheit so ganz und garnicht schnallt. Mann, sind sie gut.

Karl Hans Bauer / 29.11.2020

Herr Maxeiner, vielen Dank für den erbaulichen Artikel, eigentlich zum Lachen, aber eher zum Weinen. Wer noch etwas mehr über die Firma Rosenberger wissen möchte, “Feuerwehrfahrzeuge-Kartell” googeln und schon weiß man, mit welchem Niveau man es zu tun hat. Auf DMAX lief kürzlich eine Doku “24/7 Ohne uns geht gar nichts mehr” Dort wurde die Polizei in Leipzig vorgestellt, die ein derartiges Fahrzeug wartet, die Verwendung gehört wohl jetzt zum täglichen Leben 24/7 in Merkel/Maas/Seehofer/Altmaier-Deutschland. Allein die Bezeichnungen der Polizisten für das zu bekämpfende “Material” lässt einen schaudern.

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