Dirk Maxeiner / 06.08.2017 / 06:14 / Foto: Gudmund Thai / 14 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Allah fährt Zwölfzylinder

Der Bundesdeutsche ist im Grunde eine coole Socke. Vielleicht ist er aber auch ein Simulant. Möglicherweise ist er auch beides. Jedenfalls beherrscht er die Kunst, sich mächtig über Dinge aufzuregen, die ihn in Wahrheit kaum kratzen. Beispielsweise den Diesel-Skandal. Es gibt da eigentlich nur zwei Parteien im Volke, die zunächst eine Gemeinsamkeit haben: Die Luftqualität am Stuttgarter Neckartor oder dem Münchner Stachus interessiert sie nicht wirklich, warum auch. Es hat sich bis in tiefgrüne Kreise das Erfahrungswissen verbreitet, dass in der Innenstadt niemand tot umfällt, zumindest nicht wegen der Atemluft. Immer mehr Leute wollen in der Stadt leben und dabei werden sie auch noch immer älter.

Und deshalb gibts in Sachen Diesel nur zwei relevante gesellschaftliche Strömungen: Die einen ärgern sich über den Wertverfall ihres neuen Diesel, die anderen freuen sich darüber. Der innere Schweinehund des Deutschen heißt nämlich Schnäppchenjäger. Und der wartet nur ab, bis er so einen in Ungnade gefallenen Diesel beim Volkswagenhändler seines Vertrauens für ein Butterbrot bekommt. Dann wird zugeschlagen, sind ja schließlich prima Autos, gegen die im Grunde niemand was hat, außer den Grünen, die glauben, mit einem Diesel-Verbot eine Wahl gewinnen zu können. Liebe Grüne, ich rate zur Vorsicht: Elektroatos sind hierzulande genauso beliebt wie der Veggie-Day, mit dem ihr es beim letzten Mal versemmelt habt.

Man könnte gewissermaßen von einer Gentrifizierung der politischen Debatte sprechen. Das Wort beschreibt ja eigentlich den sozioökonomischen Strukturwandel bestimmter großstädtischer Viertel mit dem Zuzug zahlungskräftiger Eigentümer und Mieter und der Verdrängung derjenigen, die dabei nicht mitkommen. Die meisten Medienschaffenden und Politiker siedeln in diesem Milieu, sowohl örtlich als auch geistig. Da kann man Kreuzberg schon mal mit Deutschland oder gar der Welt verwechseln und auf die Idee kommen, die Mehrheit der Bundesbürger würde gerne mit Lastenfahrrädern durch die Gegend schaukeln (oder mit Angela Merkel).

Die aus aller Welt ins Land strömenden Jungmänner haben im übrigen auch keine ökosoziale Utopie im Gepäck, sondern den Traum von einem ordentlichen AMG-Mercedes mit 700 PS, mindestens. Wer die Parkplätze vor den stilbildenden Shisha-Cafes im Wedding oder in Moabit inspiziert, kommt sich vor wie in der Boxengasse des Grand Prix von Monaco. Feldforschung schadet halt nie, vielleicht sollte die grüne Visionärin Simone Peter diesen Herren einmal ihre "solarintegrierten Elektromobile" vorstellen. Das ist ungefähr so, als würde man in einem katholischen Gottesdienst ein Präservativ aufblasen.

Ein Mann mit weniger als 500 PS wird hier angeschaut, als sei ihm ein wesentliches Geschlechtsteil abhanden gekommen. Die Kerle mögen ja für nix taugen, aber als nachhaltiger Kundennachschub für die deutsche Automobilindustrie sind sie einfach unschlagbar. Der Verbrennungsmotor steht offenbar unter dem Schutz Allahs, inklusive "Klappenauspuff mit Fernbedienung", der widerspricht zwar der deutschen Zulassungsordnung, aber nicht dem Koran. Ich bitte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, diesem Aspekt endlich Rechnung zu tragen – und die islamophobe Hetze gegen Acht- und Zwölfzylinder umgehend einzustellen. Wir brauchen eine Willkommenskultur für den tiefergelegten Teil der Bevölkerung, und zwar subito. Möglicherweise liegt hier eine Brücke zwischen Christentum und Islam, deshalb hier ein kleines interkulturelles Glaubensbekenntnis für das Gebet zum heutigen Sonntag:

Ich glaube an den Zwölfzylinder,
den Starken und Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde,

und an den Achtzylinder,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den eiligen Geist,
geboren von Daimler und Benz,
gelitten unter der Deutschen Umwelthilfe,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten von Allah und zur Linken von Ferdinand Piech,
von dort wird er wiederkommen zu erfreuen die Lebenden und die Toten.

Ich glaube an den eiligen Geist,
die SB-Tankstelle und Mister Wash,
die Gemeinschaft der Eiligen,
Vergebung der Punkte,
Auferstehung des Blechs,
den Austauschmotor
Mein sei die Autobahn in Ewigkeit.

Amen.

Foto: Gudmund Thai CC BY 3.0 via Wikimedia

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Leserpost

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Karla Kuhn / 07.08.2017

Auch ich habe diese Erfahrung gemacht, Frau Maack.  Warum sollen wir uns ständig etwas vorschreiben lassen, während die “Eliten” mal kurz zum Frühstück ins Ausland jetten ? Viele Politiker Reisen wären überflüssig, sie könnten locker durch Videokonferenzen ersetzt werde. Das wäre für die Umwelt gut aber auch für alle Steuerzahler.

Wolfgang Kaufmann / 06.08.2017

@ Hr. Seiler: „absolut jedes Ziel der Linken und Grünen“ – Demokratie, Gewaltfreiheit und Mülltrennung nicht zu vergessen!

G. Crecelius / 06.08.2017

Herr Richter hat den Nagel auf den Kopf getroffen: das ganze Dieseltheater hat nach meiner Meinung nur den Sinn, das Flüchtlingsthema und damit Zusammenhängendes aus dem Wahlkampf zu halten. Ab dem 25. September werden andere Säue durchs Dorf getrieben.

Gabriele Schulze / 06.08.2017

Das ist doch auch ein schönes Anti-Depressivum, Herr Maxeiner! Und zu Marcel Seilers letztem Punkt: wie verarbeiten Grüne & Co z.B. die Unzahl an Plastiktüten, die die herbeigerufenen Heerscharen verbrauchen? Wir schnitzen uns ein intaktes Weltbild und blenden das mal aus….Denn von erfolgreicher Belehrung werden selbst Hardcore-Welcomer nicht ausgehen, oder?

Susanne v. Belino / 06.08.2017

In nur sehr wenigen Ländern der Welt sind Männer (aber auch Frauen) überhaupt gewillt, sich in Ihrer Kaufentscheidung für einen PKW auf das von unseren grünen Oberlehrern gewünschte Niveau herunterdrücken zu lassen. Diesbezüglich habe ich im außereuropäischen Raum jede Menge Erfahrungen machen können. Irgendwann hat man den deutschen Mann vielleicht soweit, dass ihm die Watt-Zahl des Staubsaugers deutlich mehr bedeutet als die seines Autos. Zu einem globalen Phänomen wird sich dies allerdings nicht entwickeln.

Andreas Rochow / 06.08.2017

Einfach herrlich, dieses Glaubensbekenntnis und Ihr Einsatz für den “tiefergelegten Teil der Bevölkerung” (Chapeau!), dem ich mich zugehörig fühle. Das Lachen bleibt mir aber im Halse stecken und die Freude an dem Ausnahmetext ist getrübt, weil hieb-und stichfeste medizinisch-epidemiologische Studien zur Lebens- und Gesundheitsgefährdung durch Stickoxide, z.B. aus dem MIT, relativiert werden. Außerdem ust Clean Diesel möglich. Dass nach dem aufgeflogenen millionenfachen Betrug jetzt der Tod des Diesels ausgerufen wird, ist hybrider Wahlkampf.

Günter Dedié / 06.08.2017

Die ganze Bigotterie der grünen Umwelt-Lobby und anderer Ideologen, die zwar alle Vorteile der modernen Technik nutzen, aber keine Verantwortung dafür übernehmen wollen, wird hier knackig und ironisch auf den Punkt gebracht. Großes Lob!

Bernhard Keim / 06.08.2017

Der Dieselskandal ist ein hausgemachter. Erst verspricht man die tollsten Grenzwerte und dann schummelt man um sie einzuhalten. Vielleicht hätte man einfach weniger versprechen sollen. Aber irgendwie scheint man der Meinung zu sein alles jederzeit schaffen zu können, wenn man es nur hoch und heilig verspricht. Und warum verspricht man es? Weil es die Leute hören wollen. Es ist wie seinerzeit bei der Einführung des Mautsystems für Lastkraftwagen. Innert Jahresfrist sollte dieses aus dem Nichts heraus entstehen, wo doch selbst dem größten Dummkopf klar gewesen sein musste, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit ist. Oder der BER. Die Politik redete sich ein billiger als ein erfahrener Baukonzern einen Flughafen bauen zu können. Im Endergebnis ist es viermal teurer und dauert viermal so lang. Es ist diese Hybris, die aus einem fehlgeleitete politischen Wettbewerb entstanden ist. Man verordnet sich mehr als man zu leisten imstande ist, übertrumpft sich in Versprechungen und beklagt dann das Scheitern. Ein wenig mehr Nüchternheit würde dem Land gut tun. Aber von Nüchternheit lassen sich die Wähler nicht begeistern. Wir brauchen den Weltuntergang vor Augen um uns überhaupt noch zu bewegen. Bis dahin ziehen wir es vor jedem Ansinnen von Veränderung mit tiefer Skepsis zu begegnen. Eine Politik der kleinen Schritte, das, was Max Weber das Bohren dicker Bretter nannte, ist dem Deutschen fremd geworden. Öffentliche Meinung toleriert es nicht mehr, wenn sie nicht alles und alles, was sie sich einbildet, sofort bekommt. Die dadurch entstehenden Fehler machen immer die anderen.

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