Thomas Rietzschel / 12.02.2017 / 18:09 / 7 / Seite ausdrucken

Der rasende Roland: Es lebe das Establishment!

Das „Sturmgeschütz der Demokratie“, als das sich Der Spiegel gern rühmt, lieber noch fürchten ließ, macht immer öfter mit Ladehemmungen von sich reden. Schüsse gehen nach hinten los. Die Richtkanoniere zünden Rohrkrepierer.

Augstein, der alte, wäre aus allen Wolken gefallen, hätte er sehen müssen, welche Granate  etwa Roland Nelles gestern auf SPIEGEL ONLINE abfeuerte. Keine Breitseite vor den Bug einer politischen Klasse, die permanent die eigenen Machtinteressen über die Belange des regierten Volkes stellt, nichts, was man von dem Blatt noch vor ein oder zwei Jahren hätten erwarten können, sondern eine Stinkbombe, die den Geist des Untertanentums verströmt.

Unter der Überschrift „Zum Glück gibt es das Establishment“ lesen wir erstens eine Ergebenheitsadresse an Frank-Walter Steinmeier, den „Mister Establishment schlechthin“. Stünde er doch wie die „Parteichefs der Großen Koalition“ für „unseren pluralistisch, demokratischen Parteienstaat“. Wenn sie untereinander einen „Deal“ zur Wahl des Bundespräsidenten aushandelten, sei das völlig in Ordnung: „nichts Unrechtes“; was zweitens heißt, bedrohlich falsch liegt, wer das anders sieht, wer dem freihändig agierenden Establishment misstraut.

Alles Versager!

Von denen, die das noch wagen, weiß der Autor aus ungenannter Quelle, dass sie nach dem Motto „verfahren“: „Wer mehr  als zwei Bücher kennt, gehört schon zum Establishment. Das ist bitterer Ernst.“

Bitterer Ernst ist aber ebenso, dass wir es bei Roland Nelles mit einen Schmock zu tun haben, der nichts auslässt, um die sogenannten „Rechtspopulisten“ seinerseits populistisch zu verunglimpfen. Allesamt seien sie „Outsider“, deren „intellektuelle Kapazitäten“ nicht ausreichten, „um es im politischen Betrieb ganz nach oben in die Entscheiderebene zu schaffen“.

Das soll für Frauke Petry, die einstige Stipendiatin des Studienstiftung des deutschen Volkes, ebenso gelten wie für den „ordinären Immobilienhai“ Donald Trump. Während dem einen sein wirtschaftlicher Erfolg zur Last gelegt wird, muss sich die andere nachsagen lassen, „als Unternehmerin wenig erfolgreich“ gewesen zu sein.

Die Verantwortung der Wähler

Dass Martin Schulz, der neue Stern am Himmel der alten Eliten, ein gescheiterter Fußballer ist, steht dann vermutlich auf einem anderen Blatt. Die angemahnte „Verantwortung der Wähler, sich politisch zu informieren und auf billige Populistentricks nicht hereinzufallen“, hat da zu enden, wo das „Establishment“ den Ton angibt, „zum Glück“. 

So viel untertänige Einsicht hätte sich Franz Josef Strauß wohl seinerzeit auch gern von Rudolf Augstein gewünscht. Doch was wussten die beiden Alten schon von den „selbst ernannten Heilsbringern“ unserer Tage, von den Trumps, die bloß „vernünftige Politiker zur Seite drängen“ wollen. Und was kümmert es andererseits ein heutiges Mitglied der Spiegel-Chefredaktion, dass zum Beispiel dieser Donald Trump keiner ist, der sich „selbst ernannte“, sondern der 45. frei gewählte Präsident Amerikas.

So weit soll es Nelles erstmal schaffen. Und sei es nur als Bezirksbürgermeister von Altona.

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Leserpost

netiquette:

Dr. Wolfgang Monninger / 13.02.2017

Ich habe meine SPIEGEL-Abo vor drei Tagen 2017 gekündigt - u.a. aus den von T.Rietzschel genannten Gründen, das Maß war voll.

Wolfgang Riepe / 12.02.2017

Lieber Herr Rietzschel, Sie lesen noch den Spiegel? Ich bewundere Sie für Ihre - wie soll man sagen - Märtyrermentalität. Chapeau !

Dietrich Herrmann / 12.02.2017

SEhr gut geschrieben!  “Bezirksbürgermeister von Altona” - und da kann der Nelles auch gleich den untergriffigen Brinbäumer mitnehmen, als Elite-Assi.

Karla Kuhn / 12.02.2017

“Allesamt seien sie „Outsider“, deren „intellektuelle Kapazitäten“ nicht ausreichten, „um es im politischen Betrieb ganz nach oben in die Entscheiderebene zu schaffen“.  Wen meint Nelles damit ? Sich selber?  Wie weit hat er es denn gebracht ?  Ach Gottchen, wieder einer der sich an Präsident Trump und Frau Dr. Petry abarbeitet.  Das ödet einen nur noch an. Gibt es nichts interessanteres, zum Beispiel die Anti-Schulz-Papiere ? Die interessieren mich.  Die Video Botschaft von Ulrike Trebesius war schon sehr aufschlußreich.

Ronald M. Hahn / 12.02.2017

Mir scheint auch, dass Roland Nelles, der Mann mit dem Zweitbuch, den Unterschied zwischen “ordninär” und “vulgär” nicht kennt.

Paul Kneet / 12.02.2017

Sehr geehrter Herr Rietzschel, was soll man von jemandem erwarten, der sich beim ‘Spiegel’ bereits im September letzten Jahres große Sorgen um das Establishment gemacht hat! Als Resortleiter Politik wurde Roland Nelles nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern gegen einen Teil des Wahlvolkes ausfallend. Ein Fünftel der Wählerschaft hatte diesmal ihr Kreuz nicht bei den etablierten Parteien gemacht. Sämtliche Wähler der AfD (Stimmenanteil: 20,8 %), die früher nichts anderes als CDU, SPD, Grüne, Linke etc. gewählt hatten, bezeichnete er unversehens durchweg alle als “Rassisten”. (Originalton: Man müsse einmal “klar benennen, dass die Wähler der AfD tatsächlich Rassisten sind.“) Schon erstaunlich, über wie viele Jahre hinweg diese Dunkeldeutschen ihre Sympathie und Gefolgschaft für die bisherigen Parteien unerkannt nur vorgetäuscht hatten. Und man darf gespannt sein, wie viele dieser Rassisten sich die Establishmentparteien in Zukunft noch dankbar entledigen werden.

Wilfried Cremer / 12.02.2017

Das Einzige, wozu es sich noch lohnt, die Einheitsschreibe in die Hand zu nehmen, sind breit angelegte Interviews. Aber das wird hoffentlich auch bald auf der Achse oder Ähnlichem möglich sein. Dann gehen bei denen die Lichter aus.

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