Roger Letsch / 17.09.2018 / 14:00 / Foto: Pixabay / 31 / Seite ausdrucken

Der Kohleausstieg als Einstieg in das Notstromaggregat

Ich bin kein Fan der Braunkohle. Die Tagebaue mit ihrem Landschaftsverbrauch, den zurückbleibenden Mondlandschaften, der schmutzigen Verbrennung, dem geringen Wirkungsgrad … es spricht nicht viel für diesen Energieträger, außer, dass er eben da und billig ist. Meistens jedenfalls. Es gab mal ernsthafte Überlegungen, Leipzig zu verlegen, weil die Stadt auf einem riesigen Flöz steht. Gut, dass die DDR das Geld nicht aufbringen konnte und deren Ende auch das Ende solcher irrsinnigen Pläne war.

Ich bin allerdings Fan einer gesicherten Energieversorgung, an die ich mich doch sehr gewöhnt habe, genau wie der Rest der Republik. Mit wenigen Ausnahmen wie Krankenhäuser, die allesamt Generatoren im Keller haben und der Bundeswehr, die aus taktischen Gründen ähnlich tickt, sind fast alle darauf angewiesen, dass Netz-Strom kontinuierlich zur Verfügung steht. Doch gerade die Kontinuität wird immer mehr zum Problem, weil wir es uns leisten, gleich zwei Ausstiegs-Szenarien der Energieerzeugung parallel laufen zu lassen und es versäumen auszurechnen, ob das gut gehen kann – oder sogar absichtlich mit falschen Zahlen operiert wird.

Die verbliebenen sieben Kernkraftwerke in Deutschland, die immer noch erheblich zu dem beitragen, was man „gesicherte Kraftwerksleistung“ nennt, gehen uns in den nächsten vier Jahren verloren. Nämlich aufgrund der unfassbaren Tatsache, dass ein Tsunami in Japan zwar nur ein AKW zerstörte, in Deutschland hingegen gleich alle platt gemacht hat. Insgesamt fallen damit 8,5 GW (2019: 1,4 GW, 2021: 4,2 GW, 2022: 2,9 GW) gesicherte installierte Leistung weg. Parallel dazu läuft der Ausstieg aus der Kohle. Da in der recht umfangreichen Kohlekommission, die diesen Ausstieg wissenschaftlich beklingelt, keine Vertreter der Kraftwerksbetreiber sitzen, steht die Art der Empfehlungen fest, die sie gibt.

Dabei reicht der versammelte Sachverstand jedoch aus, um zu erkennen, dass die Grüne Annalena Baerbock mit ihrer Aussage „Das Netz ist der Speicher“ meilenweit neben der Wirklichkeit liegt. Speicher gibt es nicht, zumindest nicht im industriellen Maßstab, nicht mit den heutigen Technologien, nicht in absehbarer Zukunft. Für den Zeithorizont der Abschaltungen der verbliebenen AKW und dem „Kohleausstieg“ gibt es rein gar nichts, was als Speichertechnologie taugt

Fossile oder Kernenergie – aber irgendwo anders

Worauf baut nun die „Kohlekommission“, wie will sie die abzuschaltenden Kraftwerke ersetzen? Man setzt dort nicht etwa auf grüne Träumereien von Sonne und Wind, denn selbst dann, wenn wir die vorhandenen Windkraftanlagen und die PV-Anlagen auf den Dächern bis 2020 verdoppeln würden, läge die gesicherte Leistung aus diesen „Erneuerbaren Energien“ immer noch exakt bei null Gigawatt – wohl kaum genug für einen gesicherten kontinuierlichen Netzbetrieb. Man setzt stattdessen auf die Hilfe unserer Nachbarn in Europa.

Am 22.8.2018 konnte man in der Welt einen Blick auf die Pläne der Bundesregierung werfen, die auf dem „Grünbuch 2014“ basieren. Dort geht man davon aus, dass die Energieversorgung Deutschlands von seinen Nachbarländern sichergestellt werden kann. Von 60 GW Überkapazität an sicherer Leistung bei unseren Nachbarn ging man in Gabriels Wirtschaftsministerium im Jahr 2014 aus. Leistung, die logischerweise aus fossiler oder Kernenergie gewonnen wird, sonst wäre sie ja nicht gesichert – aber eben nicht bei uns, sondern irgendwo anders. Das Sankt-Florians-Prinzip lässt schön grüßen.

Eine Untersuchung des Bundesverbands der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft stellte jedoch fest, dass die Kapazitäts-Annahme von 60 GW um den Faktor 3 bis 4 zu hoch angesetzt ist. Eigentlich auch logisch, denn wozu sollten unsere Nachbarn so gigantische Reserven betreiben, wenn sie nicht wie Deutschland mit so flatterhaft an- und ausfallendem Wind- und Sonnenstrom fertig werden müssen, oder im anderen Szenario, wenn die Nachbarn denselben Fehler machen und auf „Erneuerbare“ umsteigen, da sie in diesem Fall genau dann Strommangel haben, wenn auch in Deutschland der Wind nicht weht.

Der Plan des Kohleausstiegs, der vollmundig die problemlose Abschaltung von 7 GW Kohlestrom verkündete, ging aber von eben dieser herbeiphantasierten Überkapazität unserer Nachbarn aus. Das Wirtschaftsministerium distanzierte sich inzwischen von den Annahmen aus 2014, und auch der wissenschaftliche Dienst der EU-Kommission geht davon aus, dass die Annahmen falsch waren.

Pech für die Realität

Die Kohleaussteiger in der Kohlekommission in Deutschland scheinen das aber noch nicht begriffen zu haben. Am 15. September 2018 meldet der Spiegel aus geleakten Insiderinformationen immer noch: 

„Geplant ist, in einem Sofortprogramm Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt fünf bis sieben Gigawatt bis zum Jahr 2020 vom Netz zu nehmen und gegebenenfalls als Reserve zu behalten.“ 

Man hält also trotz der falschen Annahmen bezüglich der europäischen Überkapazitäten stur an den Abschaltplänen fest, als wüsste man nichts von der tatsächlichen Situation bei unseren Nachbarn. Allein bis 2020, also in zwei Jahren, werden demnach durch Wegfall des AKW Philippsburg 2 und einiger Kohlekraftwerke zwischen 6,5 und 8,5 GW sicherer Leistung verschwinden. Statt also im Hambacher Forst Tunnel zu graben, sollte man wohl besser ernsthaft über ein fossiles Notstromaggregat im eigenen Keller nachdenken.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Unbesorgt.

PS. Hier finden Sie einen Vergleichstest von Notstromaggregaten.

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Leserpost

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Michael Markwardt / 17.09.2018

“Mit wenigen Ausnahmen wie Krankenhäuser, die allesamt Generatoren im Keller haben und der Bundeswehr, die aus taktischen Gründen ähnlich tickt, sind fast alle darauf angewiesen, dass Netz-Strom kontinuierlich zur Verfügung steht. “ Vertrauen sie da mal nicht zusehr drauf. Selbst wenn die notstromer anspringen sollten, was nicht unbedingt so sicher ist, reicht der diesel auch nur für zwei oder drei tage. Dann wars das. Es gab in den letzten jahren diverse netzwiederaufbau-versuche, vom großen bis ins kleine, und die sind nicht wirklich erfolgreich verlaufen… ;)

A.Ziegler / 17.09.2018

Es gibt keine, absolut keine Grünin, die auch nur den Hauch einer Ahnung über Stromerzeugung, Elektroautos, Stromnetz usw hat. Ich bin bereit mich eines besseren belehren zu lassen. Herr Letsch hat ja völlig Recht. Nur mit der Braunkohle muss er sich nochmal auseinander setzen, wie ja auch einige Beiträge hier zeigen. Braunkohle ist alles in allem eine hervorragende „Energiequelle“, wenn man kein Klimaalarmist ist. Es kommen übrigens jetzt zwei Autos auf den Markt, die als Diesel Hybrid konzipiert sind. Ich mache hier keine Schleichwerbung. Aber mit etwas Geschick liessen die sich doch vielleicht als Notstromaggregate missbrauchen ?

Joe Häusler / 17.09.2018

Kurz: Um ein Stromäquivalent der Garzweiler Braunkohle mit PV zu erzeugen, benötigte man ca. 325 Quadratkilomer für PV- mit Nebenflächen. Aktuelle Waldrodung im Hambacher Forst: ca. 100 ha entsprechend 1 Quadratkilometer!

Hajo Schuhmann / 17.09.2018

Einfach mal “Blackout” von Marc Elsberg lesen. Licht aus, daran müssen keine Terror-Hacker Schuld sein, sowas kann auch der normale, grüne Unverstand schaffen.

Gerhard Maus / 17.09.2018

Gestern 400 km durch Deutschland gefahren.  Viele, sehr viele „Trittin-Schrauber“ (Windkrafträder) gesehen. Die meisten waren abgeschaltet (Rotorblätter quergestell). Den Betreibern macht das nix - sie kriegen ihre Kohle (hihi, welches Wort in diesem Zusammenhang ...) trotzdem. Effiziente, funktionierende Speicher - Wasserstoff“Öfen“ = Fehlanzeige. Als Ersatz für die immer als Übergangsenergie vorgesehene Kernkraft sollten doch Fusionsreaktoren dienen. Wo bleiben Sie??? Notstromaggregat wird wohl - Spaß beiseite - eine gute Investtion werden …

S. Märtins / 17.09.2018

Werter Herr Letsch , ein sehr guter Artikel.  Nun möchte ich noch eine Lanze für die Braunkohle brechen . Aus gutem Grunde , ich wohne in der Lausitz. Durch den Braunkohleabbau haben wir bis 2030 ein riesiges Netz an Seen. Und die Mondlandschaften sind vielleicht nicht schön anzuschauen, aber Heimat vieler Arten . Magere Böden sollen die grösste Artenvielfalt beherbergen. Mit freundlichen Grüßen

Roland Stolla-Besta / 17.09.2018

Unlängst habe ich hier einen Kommentar des Inhalts abgegeben, daß die Frauenquote in Regierung und Parteien in puncto Schwachsinn-Verzapfen übererfüllt ist, Annalena B. bestätigt mit ihrer „Erkenntnis“, daß das „Netz der Speicher“ sei, diese meine Feststellung einmal mehr. Nun ja, was kann aus einer solchen Person auch an Sachverstand kommen, die, wie in Wikipedia nachzulesen, eines der berüchtigten Laberfächer studiert hat. Von Laber-Fachidioten wimmelt es ja bei den Grünlichen nur so. Im übrigen habe ich eine Idee, statt des Notstromaggregates im Keller total biomäßig Hamster im Käfig zu halten. Diese, so erinnere ich mich an meine Kindheit, liefen die ganze Nacht hindurch in ihrem Rad. Damit könnte doch Strom noch und noch erzeugt werden, wenn jeder Haushalt verpflichtet wird, so etwa 10 – 15 solcher Räder mit Hamsterbesatzung einzurichten (genaue Menge wäre noch zu errechnen). Im übrigen vermehren die Viecher sich wie wild, so daß Deutschland irgendwann auch noch Strom wird exportieren können!

Bredereck,Hartmut / 17.09.2018

Sehr geehrter Herr Letsch, Ich als Braunkohlefan empfehle Ihnen mal nach Bitterfeld an die Goitzsche oder nach Braunsbedra ins Geiseltal zu fahren. Nehmen Sie aber bitte ein Paddelboot mit, um die herrlichen renaturierten Tagebaulöcher zu genießen. Nach der Braunkohle kommen also Naherholungsgebiete. Ist das etwa nichs?

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