Der Tsunami, der am 11. März 2011 um 14:47 Uhr (Ortszeit) von dem Tōhoku-Erdbeben ausgelöst wurde, war an der Küste Fukushimas 14 Meter hoch. Die Sintflut hat fünf Jahre nach ihrem Eintreten im fernen Deutschland mehr Reaktoren zerstört als in Japan: Während Japan die AKWs nach umfangreichen Verbesserungen der Sicherheit schrittweise wieder anfährt, weil es zu teuer wäre, sie ungenutzt stehen zu lassen, legt Deutschland seine Reaktoren, die zu den Besten der Welt gehören, nach und nach still. Uns ist eben nichts zu teuer. Das letzte Kernkraftwerk soll 2022 außer Betrieb gehen. Es könnte ja im Emsland einen Tsunami geben.
Während der Katastrophe wurden große Mengen an Radioaktivität freigesetzt, z. B. ca. 42 Prozent der Cäsium Cs-137 Emission von Tschernobyl. Die Strahlung kontaminierte Luft, Böden, Wasser und Nahrungsmittel in der land- und meerseitigen Umgebung. Die japanische Regierung beschloss eine Evakuierung der Bevölkerung in einer Zone mit dem Radius von bis zu 30 Km. Nach offiziellen Angaben haben die japanischen Behörden nach dem Erdbeben insgesamt 154.000 Menschen aus der Region um das Kraftwerk evakuiert. Die Evakuierung kostete einige Menschenleben, besonders von sehr alten und kranken Menschen, die wohl besser nicht hätten evakuiert werden sollen. Die Zahl dieser armen Menschen variiert sehr stark, abhängig vom Standpunkt zur Kernenergie derjenigen, die Artikel oder Studien veröffentlichen.
Seit dem Jahr 2011 ist in der Evakuierungszone viel geschehen. Ziel war und ist es, den Bürgern ihre Heimat wiederzugeben und ihnen eine sichere Rückkehr zu ermöglichen. Dafür arbeiten Zehntausende Menschen hart und ernten seit einem guten Jahr die ersten größeren Erfolge. Der größte Erfolg ist für sie, wenn die Evakuierung eines Gebiets oder einer Stadt aufgehoben wird und die Bewohner zurückkehren. Natürlich kehren nicht alle zurück. Manche haben während der vergangenen Jahre einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden. Andere haben Angst vor der Strahlung, was nur zu verständlich ist.
Keine Gefahr für Reinigungskräfte
Als erstes wurde (und wird) ein Messprogramm der Strahlung durchgeführt und eine genaue Karte der Radioaktivität erstellt. Dabei stellte sich heraus, dass ein dicker zigarrenförmiger Bereich, der von der Windrichtung benachteiligt war, eine höhere Radioaktivität aufwies als der größte Teil des Territoriums. Danach begannen die weltweit bisher umfangreichsten Dekontaminations-Maßnahmen.
Man begann auf den Dächern. Sie wurden abgewaschen und gereinigt. Dann die Dachrinnen und die Wände. Im Gelände wurden die Bäume von oben nach unten mit Hochdruckreinigern gewaschen, die Pflanzen abgemäht und danach eine dünne Bodenschicht von einigen Zentimetern abgetragen. Die Abfälle wurden sorgfältig gesammelt, eingetütet und in spezielle Lagerstätten verbracht, wo sie vor Regen und Grundwasser geschützt, gelagert werden und abklingen können. So schreitet der Prozess über die Städte, Wälder und Felder voran. Es geht deshalb voran, weil zahlreiche fleißige Menschen daran arbeiten. Es lohnt, dem Link zu folgen und sich die Bilder anzusehen.
Das Ganze hört sich für uns abenteuerlich an. Aber man muss bedenken, dass die Strahlung ohnehin so niedrig ist, dass für die Reinigungskräfte keine echte Gefährdung besteht, so lange sie ihre Papiermasken tragen und keine Strahlungspartikel einatmen. Durch die Dekontamination konnte die Strahlung in den gereinigten Gebieten um ca. 30 Prozent gesenkt werden. Nach und nach werden die zulässigen Grenzwerte erreicht und die Regierung gibt ein Gebiet oder eine Stadt zur Rückkehr frei.
Regionale Energiewende beschlossen
Aber das genügt nicht. Gleichzeitig mit der Dekontamination wird die lokale Infrastruktur verbessert.
Niemand kehrt nach Hause zurück, wenn nicht Supermärkte, Krankenhäuser, Schulen und Erholungsstätten eröffnet sind. Auch neue Industrie wird angesiedelt, um Arbeitsplätze für die Rückkehrer zu schaffen. Etwa ein Drittel der Evakuierungszone ist freigegeben. Und auch die berühmten Fukushima-Pfirsiche sind wieder auf dem japanischen Markt zu haben, ohne dass jemand Angst vor dem Verzehr haben muss. Wahrscheinlich sind nirgendwo auf der Welt Lebensmittel besser radiologisch kontrolliert, als in Japan nach Fukushima. Die Präfektur Fukushima - ein gebranntes Kind - hat folgerichtig für sich beschlossen, sich bis zum Jahr 2040 aus erneuerbaren Energien zu versorgen und hat damit begonnen, große Solarkraftwerke zu errichten.
Es wird noch viele Jahre dauern, bis auch die Cäsium-belastete „Zigarre“ wieder bezogen werden kann. Japan ist nun mal ungleich dichter besiedelt als die Ukraine, wo heute um Tschernobyl herum der größte, von Menschen unberührte Naturpark der Welt existiert und gedeiht.
Radioaktivität zu Wasser
Die Aktivität pro Liter Meerwasser beträgt in der Nähe des Kernkraftwerks Fukushima etwa ein Becquerel pro Liter. Auf dem offenen Meer (30 bis 300 Kilometer vor der Küste) wiesen von TEPCO unabhängig durchgeführte Messungen nur noch Werte von 0,002 und 0,01 Becquerel nach, was nur wenig höher liegt als die Vergleichsdaten aus der Zeit vor der Katastrophe. Dies liegt im Bereich der weltweiten Hintergrundstrahlung und kann vernachlässigt werden - zum Vergleich: laut deutscher Trinkwasserverordnung sind 100Bq/l (aus natürlichem Radonzerfall) im Trinkwasser erlaubt. Fisch aus dem Pazifik ist unbedenklich: Experten sowohl der staatlichen Überwachungsbehörden als auch des Bundesverbandes der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels haben keine Belastung in hier verkauften Produkten festgestellt. Die von einigen Medien verbreiteten Geschichten vom Mutationen und Sterben der Seetiere in der Nähe von Fukushima gehören in den Bereich „fake news“.
Radioaktivität zu Lande
Verglichen mit der Strahlenbelastung unmittelbar nach dem Reaktor-GAU ist die Strahlenbelastung in etwa um den Faktor 10 gefallen. Das heißt, dass in der Stadt Fukushima statt 2,74 Mikro-Sievert heute 0,18 Mikro-Sievert gemessen werden. Zum Vergleich: in München wurden am 21. Dezember 2012 0,12 Mikrosievert gemessen. Man kann davon ausgehen, dass in den freigegebenen Gebieten die Menschen einer niedrigeren Umgebungsbelastung ausgesetzt sind als die Bewohner des deutschen Schwarzwaldes. Nichtsdestotrotz warnt Greenpeace auf Grund eigener Messungen vor der Strahlenbelastung. Ich meine aber, dass man den professionellen und viel umfangreicheren Messprogrammen der japanischen Regierung durchaus mehr vertrauen kann als den Geigerzählern von Greenpeace.
Gesundheitsschäden der Bevölkerung
Die Provinz Fukushima führt umfangreiche Untersuchungsprogramme der Bevölkerung auf Strahlenschäden durch. Von den etwa zwei Millionen Bewohnern der Fukushima-Provinz wurden 370.000 identifiziert, die zum Zeitpunkt des Unfalls jünger als 18 Jahre waren. Etwa 250.000 von ihnen nahmen freiwillig an einer Schilddrüsenuntersuchung teil. Das Ergebnis dieser Untersuchung zeigt, dass es in Fukushima keine erkennbaren Abweichungen beim Schilddrüsenkrebs zur Vergleichsregion Japan gibt.
Einer WHO-Studie zu den Folgen von Fukushima zufolge ist das Gesundheitsrisiko für die Menschen vor Ort geringer als ursprünglich befürchtet: Günstige Winde und die Evakuierungsmaßnahmen sollen schwerere Gesundheitsschäden für die Bevölkerung auch rund um Fukushima verhindert haben. Nicht zu unterschätzen ist allerdings die psychische Belastung durch die Folgen von Erdbeben und Tsunami: Der Tod von Angehörigen, die Unsicherheit über die Zukunft, die Evakuierung – das hat die meist älteren Menschen um Fukushima schwer getroffen. Dadurch ausgelöster Stress erhöht beispielsweise das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Reisen in die Region Fukushima
Reisen in die Region außerhalb der gesperrten Gebiete sind unbedenklich: Laut dem Bundesamt für Strahlenschutz erhalten Reisende bei einem vierwöchigen Aufenthalt beispielsweise direkt in der Stadt Fukushima eine Strahlenbelastung von weniger als 0,4 Millisievert und in den geringer belasteten Regionen im Westen und Süden der Präfektur unter 0,1 Millisievert. Zum Vergleich: Eine Röntgenaufnahme belastet mit etwa 0,01 bis 0,03 Millisievert, und die gesamte natürliche Strahlenbelastung in Deutschland beträgt durchschnittlich 2,1 Millisievert im Jahr. Was das Essen betrifft, so ist ebenfalls wenig zu befürchten: Lebensmittel werden streng überwacht, und nur in Einzelfällen wurden Überschreitungen des Grenzwerts von 100 Becquerel pro Kilogramm für Gesamtcäsium nachgewiesen – im gesamten Geschäftsjahr 2013 lagen bei mehr als 300.000 genommenen Proben in 938 Fällen erhöhte Werte vor. Das Trinkwasser weist keine erhöhten Werte auf und kann bedenkenlos genutzt werden (Quelle hier).
Tschernobyl als Touristenmagnet
Der Weltuntergang wird wohl ausbleiben. Der GAU in Tschernobyl ist 30 Jahre her. Das ist auch für einige radioaktive Isotope viel Zeit, um von allein zu zerfallen. Cäsium 137 hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren, die Hälfte des CS-137-Fallouts ist schon weg. Dies gilt für Tschernobyl und wird für Fukushima noch mehr gelten, weil dort aufwändig dekontaminiert wird.
30 Jahre nach dem Atomunfall entwickelt sich Tschernobyl zu einem Touristenmagneten. Sogar unsere Umweltministerin Barbara Hendricks war kürzlich zu Besuch. "DIE WELT" schreibt in einem Reisebericht nach Tschernobyl: „Auf der Rückfahrt rechnete die Reiseleiterin unsere Strahlenbelastung aus. Vermutlich würde ich auf dem Flug nach Hause mehr abbekommen.“ Der Strahlenpegel liegt auf dem Gelände der Ruine von Tschernobyl bei circa 0,12 Mikro-Sievert pro Stunde, zulässig sind 0,25 Mikro-Sievert pro Stunde.
Das wird nun ‚Todeszone’ genannt. Im Flugzeug gibt es auf unserer Breite in Reiseflughöhe etwa 6 Mikro-Sievert pro Stunde (noch abhängig von der Aktivität der Sonne), also mehr als das 20fache vom erlaubten Wert in Tschernobyl. Frage: Warum handelt es sich bei Tschernobyl um eine Todeszone, wenn täglich weltweit mehr als eine Million Menschen sich dieser Strahlung ohne den geringsten Schaden aussetzen, und das fliegende Personal etwa 1.000 Stunden im Jahr?
Der Fukushima-Report (1): Die Fakten, die Mythen
Der Fukushima-Report (2): Unter Kontrolle
Der Fukushima-Report (3): Wieder Leben in „Todeszonen“
Der Fukushima-Report (4): Das Panik-Orchester
In dieser Serie erscheint morgen:
Der Fukushima-Report (Teil 4): Geisterfahrer der Energiepolitik