Manfred Haferburg / 28.12.2016 / 06:25 / Foto: kawamoto takuo / 3 / Seite ausdrucken

Der Fukushima-Report (2): Unter Kontrolle

Der Tsunami, der am 11. März 2011 um 14:47 Uhr (Ortszeit) von dem Tōhoku-Erdbeben ausgelöst wurde, war an der Küste Fukushimas 14 Meter hoch. Die Sintflut hat fünf Jahre nach ihrem Eintreten im fernen Deutschland mehr Reaktoren zerstört als in Japan: Während Japan die AKWs nach umfangreichen Verbesserungen der Sicherheit schrittweise wieder anfährt, weil es zu teuer wäre sie ungenutzt stehen zu lassen, legt Deutschland seine Reaktoren, die zu den Besten der Welt gehören, nach und nach still. Uns ist eben nichts zu teuer. Das letzte Kernkraftwerk soll 2022 außer Betrieb gehen. Es könnte ja im Emsland einen Tsunami geben.

Wie sieht es heute auf dem Gelände des havarierten AKW aus und welche Fortschritte wurden gemacht? Zur Zeit des Erdbebens waren die Blöcke 1,2 und 3 in Betrieb. Die Blöcke 4,5 und 6 waren zur Revision abgeschaltet. Man muss wissen, dass die Blöcke 5 und 6 ohne Schaden davonkamen, weil sie um ca. 10 Meter erhöht gebaut wurden. Die Blöcke 1 bis 4 hingegen verloren bei dem Tsunami alle ihre Stromquellen und bei den Blöcken 1 bis 3 kam es zu teilweisen Kernschmelzen sowie zu Wasserstoffexplosionen in den Serviceflurbereichen der Turbinengebäude, wovon auch der Block 4 beeinträchtig wurde, dessen Reaktor bei der Katastrophe keinen Brennstoff enthielt.

Reaktorblock 1

Nach dem Unglück baute TEPCO ein neues Außengebäude über den Block, um die Radioaktivität sicher einzuschließen. Da nunmehr der Austritt von Radioaktivität nicht mehr zu befürchten ist, wurde dieses Gebäude teilweise eröffnet, um den Abtransport des nuklearen Brennstoffes aus den Abklingbecken durchzuführen. Am havarierten Reaktor selbst laufen Aufräumungs- und Aufklärungsarbeiten mittels eigens dazu konstruierten Robotern. Der beschädigte Reaktor ist unter Kontrolle und wird unter 30 °C gekühlt.

Reaktorblock 2

Der Block 2 wurde durch die Wasserstoffexplosionen weniger beschädigt und das Gebäude blieb weitgehend intakt. Die Aufräumungsarbeiten sind fortgeschritten und der Strahlenpegel innerhalb des Gebäudes konnte erheblich gesenkt werden. Der beschädigte Reaktor ist unter Kontrolle und wird unter 30 °C gekühlt.

Reaktorblock 3

Im Block drei wurden die ins Becken gestürzte Umlademaschine entfernt und die Aufräumarbeiten begonnen. Eine Umhausung des schwer beschädigten Turbinen-Gebäudes wurde so installiert, dass im Jahre 2017 der Brennstoff aus den Lagerbecken mit einer neuen Lademaschine in Castoren verpackt und abtransportiert werden kann. Der beschädigte Reaktor ist unter Kontrolle und wird unter 30 °C gekühlt.

Reaktorblock 4

Der Block 4 wurde innerhalb eines neuen Gebäudes komplett aufgeräumt und es wurde eine neue Brennstoff-Lademaschine installiert. Mittels dieser Anlage wurde der gesamte Brennstoff aus dem Block 4 in „castorartige“ Transportbehälter verpackt und abtransportiert. Seit September 2014 ist der Block 4 „brennstoff-frei“, das heißt, alle radioaktiven Brennelemente des Reaktors und der Lagerbecken sind entfernt worden. Vom Block 4 geht keine Gefahr mehr aus.

Die Blöcke 5 und 6

Die unbeschädigten Blöcke 5 und 6 werden nicht wieder in Betrieb gehen. Sie werden derzeit als Erprobungsmittel für dutzende neue Roboter und verschiedenste neue Rückbautechnologien genutzt. Japan arbeitet in Fukushima wegweisend mit vielen in- und ausländischen Unternehmen an der Weiterentwicklung mobiler Robotertechnologie.

Das Werksgelände

Das Werksgelände wurde komplett aufgeräumt und außerhalb der Reaktorblöcke durch Abtragen einer Oberflächenschicht dekontaminiert. Weite Bereiche wurden mittels Beton oberflächenversiegelt, so dass auf dem Kraftwerksgelände von den 6000 dort arbeitenden Mitarbeitern keine spezielle Schutzkleidung außer einem einfachen Papiermundschutz getragen werden muss. Die gesamte Seeseite des Geländes bekam eine 800 Meter lange, tief in das Felsenbett eingebrachte wasserdichte Stahl-Wand, um das Ablaufen eventuell kontaminierten Wassers ins Meer zu verhindern.

Derzeit geht gerade eine gigantische Vereisungsanlage in Betrieb. Rund um das Gelände der Reaktorblöcke wurden abertausende Rohrleitungen tief in den Boden gebohrt, durch die nun eine Kühlflüssigkeit strömt. Ziel ist es, bis Mitte nächsten Jahres einen gefrorenen wasserdichten Ring tief um das Reaktorgelände zu erzeugen, der das Grundwasser am Eintritt und eventuelle Flüssigkeiten am Austritt hindert. Dazu musste natürlich auch eine fabrikartige Anlage installiert werden, welche die Kühlflüssigkeit herunter kühlt. Die Technologie erscheint uns exotisch, ist aber in Japan auch anderweitig durchaus üblich. Große Teile des Eisschutzwalls sind bereits dicht gefroren.

Auf dem Kraftwerksgelände wurden große Lagerhallen erbaut, um die verpackten niedrigaktiven Abfälle temporär sicher einzulagern.

Wasserbehandlung

Die Wasserbehandlung gehörte seit Anfang der Katastrophe zu den größten Problemen in Fukushima. Der Tsunami, der die Anlage geflutet hatte, ließ Unmengen von kontaminiertem Wasser in den Gebäuden zurück. Für die Kühlung der beschädigten Reaktoren wurden ebenfalls große Mengen Wasser benötigt. Da das Werk an einem Berghang steht, drang durch Risse in den Gebäuden viel Grundwasser von unten ein und vermischte sich mit dem kontaminierten Wasser in der Anlage. All dieses Wasser ließ man nicht einfach abfließen, sondern pumpte es in Tausende eilig errichtete provisorische Tanks ab. Ein gigantisches Tanklager voll mit niedrigaktivem Wasser entstand und wurde ständig grösser. TEPCO baute eiligst mehrere große Wasseraufbereitungsfabriken auf dem Kraftwerksgelände und seit 2015 wird die Wassermenge durch Aufbereitung und Reinigung geringer. Die provisorischen Kunststofftanks wurden durch zuverlässige normal geschweißte Tanklager ersetzt und somit die Gefahr von Leckagen gebannt. Die Behandlung hochradioaktiven Wassers war im Mai 2015 abgeschlossen.

Die 6.000 Mitarbeiter

Seit diesem Jahr fahren die Mitarbeiter wieder in Bussen in ihrer normalen Arbeitskleidung direkt ins Werk. Für die Arbeiter wurden neue Sozialgebäude erbaut, in denen sie sich umziehen, ausruhen und ihre Malzeiten einnehmen können, die übrigens weitgehend aus lokalen Produkten erzeugt werden. (Dazu mehr im Teil 3 dieser Artikelserie). Selbst einen Supermarkt gibt es in diesem Gebäude. Auch ein neues Bürogebäude wurde errichtet, um die mehr als 1000 Ingenieure und Techniker unterzubringen, die an den Rückbauarbeiten beteiligt sind. Ein neues medizinisches Versorgungsgebäude mit der nötigen ärztlichen Infrastruktur wurde errichtet, um im Falle von Unfälle den Mitarbeitern 24 Stunden am Tag direkt vor Ort helfen zu können.

Um eventuellen Illusionen vorzubeugen: TEPCO Führungs-Mitarbeiter und Arbeiter kasteien sich seit der Fukushima-Katastrophe, als Ausdruck ihrer Betroffenheit. Die Arbeitszeiten wurden verlängert und die Gehälter gesenkt. TEPCO spart so um 600 Millionen US-Dollar pro Jahr ein. Als ich in der Tokioer TEPCO Zentrale in Shinjuku zu Besuch war, standen die Klimaanlagen auf 28°C, um Energie zu sparen.

Die Aufräum- und Rückbauarbeiten werden 30 oder sogar 40 Jahre in Anspruch nehmen. Die Kosten werden mit ca. 40 Milliarden Euro veranschlagt. Unklar ist, ob diese Summe reichen wird. Es ist genauso unklar, ob die von Kanzleramtsminister Altmaier veranschlagte Summe von 1.000 Milliarden Euro für die Energiewende reichen wird.

Leider sind Informationen über die Fortschritte in Fukushima in deutschen Medien selten oder sie werden mit Katastrophen-Unterton vorgetragen. Man könnte fast meinen, deutsche Journalisten wollten trotz des längst beschlossenen Atomausstiegs immer noch Ängste vor der Kernenergie schüren. TEPCO hat, was Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit betrifft, viel aus Fukushima gelernt. Wer sich für mehr Details, eindrucksvolle Bilder und informative Videofilme (in Englisch) interessiert, dem sei die TEPCO Webseite empfohlen.

Der Fukushima-Report (1): Die Fakten, die Mythen

Der Fukushima-Report (2): Unter Kontrolle

Der Fukushima-Report (3): Wieder Leben in „Todeszonen“

Der Fukushima-Report (4): Das Panik-Orchester

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Leserpost

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Klaus Metzger / 29.12.2016

Nicht nur in Fukushima arbeiten täglich Menschen, sondern auch in Tschernobyl. Seit 30 Jahren sind dort ca. 3000 Mitarbeiter täglich in der Anlage beschäftigt. Dazu kamen vor dem Bürgerkrieg in der Ukraine rund 50.000 Touristen pro Jahr, die die Schutzzone und den Unglücksreaktor besichtigten und ihre Selfies machten. Meist vergessen wird auch, dass die Restanlage in Tschernobyl noch bis ins Jahr 2000 Strom produzierte.

Rainer Kaufmann / 28.12.2016

Alleine die Info, dass 6000 Menschen in Fukushima arbeiten ist überraschend. Kann’s eigentlich kaum glauben. Ich wette, bei einer Befragung würden 99 % der Menschen hier sagen, dass dieser Ort jetzt bestimmt so etwas wie ein japanisches Tschernobyl sei. Eine no go area, für die nächsten 300 000 Jahre, oder so. Gutes brainwashing der ... t’schuldigung… GRUENEN.

U. Langer / 28.12.2016

Rechnet man die veranschlagten 40 Mrd Euro für die Beseitigung der Unfallschäden auf die im Kernkraftwerk Fukushima produzierte Strommenge um, erhält man 3 Cent je Kilowattstunde. Auf die durch Kernenergie in Japan produzierte Strommenge umgerechnet, erhält man Kosten von 0,3 Cent je Kilowattstunde – auf die gesamte Stromproduktion in Japan umgerechnet 0,1 Cent pro Kilowattstunde. In Deutschland zahlt man dagegen über 6 Cent pro Kilowattstunde dafür, Energie zu wenden!

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