Ramin Peymani, Gastautor / 25.02.2022 / 16:00 / Foto: Benross814 / 16 / Seite ausdrucken

Der Dämon des Parteienstaates

Das 1967 geschaffene Parteiengesetz war ein Wendepunkt. Es gab den Parteien viel weitergehende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten sowie Zugriff auf die Gelder der Steuerzahler. Seither hat sich ein Staat im Staate gebildet.

Gesellschaftliche Krisen entstehen nicht einfach so. Sie sind in der Regel Folge politischen Handelns und vor allem dessen Unterlassung. Es stellt sich zunehmend die Frage, wie viel Politik sich moderne Demokratien leisten können, wollen sie fortbestehen. Natürlich brauchen Staaten Verantwortliche zur Führung der Tagesgeschäfte. Doch was wir erleben, ist etwas anderes. Schon von Verantwortlichen zu sprechen, verbietet sich heute beinahe, weil die Bezeichnung suggeriert, hier nehme jemand eine Verantwortung wahr. Von verantwortlichem Handeln ist immer weniger zu spüren. Es geht vor allem um die Sicherung der Macht und die Prosperität der eigenen Partei. Dafür scheint fast jedes Mittel recht. Die ehemaligen Volksvertreter haben den Staat in einer Weise umgebaut, die sicherstellt, dass er nur noch der Befriedigung der Parteiinteressen dient.

Ohnehin geschieht nichts auf der politischen Bühne ohne Kalkül. Und immer geht es dabei um die nächste Wahl, um das eigene Ego oder um die Gefälligkeit gegenüber Lobbyisten. Deren Ziele sind nicht nur finanzieller Natur. Wird der Begriff des Lobbyisten in linken Kreisen gerne einseitig besetzt, um jene zu bezeichnen, die sich in angeblicher Raubtiermanier des Kapitalismus bedienen, greift die Verengung auf derlei Gebaren inzwischen viel zu kurz. Heute sind es vor allem mächtige grüne und linke Agitatoren, die Regierungsentscheidungen beeinflussen, um die Vorzüge offener Gesellschaften dafür zu nutzen, ihre Ideologien zulasten einer Mehrheit durchzusetzen und den Staat auszunehmen. Übrig bleibt eine leere Hülle, die mit viel heißer Luft befüllt wird. Die auf diese Weise entkernte Gesellschaft wird mit einem totalitären Gerüst neu errichtet, wobei dem Verlust der Freiheit zwangsläufig der Verlust des Wohlstands folgt.

Früher nannte man das Opposition

In der Bundesrepublik hat das Grundgesetz nach dem Zweiten Weltkrieg die Basis dafür geschaffen, einem zerstörten Land wieder eine Zukunft zu geben. Im Vordergrund stand der Wunsch, Frieden zu sichern und Wohlstand zu schaffen sowie neu aufkommende totalitäre Tendenzen im Keim zu ersticken. Die aktuelle Politikergeneration scheint allerdings das Gegenteil im Sinn zu haben, weil erst Krisen ihr eine Daseinsberechtigung verschaffen und vom Staat abhängige Menschen, die oft nur mit knapper Not ihren Alltag bewältigen, leichte Ziele für den Neo-Totalitarismus sind. In einem Land mit einer immer weniger unterscheidbaren Parteienlandschaft definiert sich die herrschende Klasse mittlerweile über die Einteilung der Bürger in Unterstützer ihrer Politik und Kritiker, die angeblich eine Bedrohung für die Demokratie darstellen.

Zu den erklärten Demokratiefeinden zählen selbst jene, die in die Parlamente gewählt worden sind, aber den Regierungskanon nicht mitsingen. Früher nannte man das Opposition. Sie werden nicht nur von den Vertretern des Parteienblocks diffamiert und ausgegrenzt, sondern auch von den Staatsorganen. Dies ist ein klarer Verstoß gegen das Recht auf Chancengleichheit, und dass dieser ungeahndet bleibt, ist nur möglich, weil sich die seit jeher in unterschiedlichen Konstellationen regierenden Parteien der Verfassungsorgane und aller maßgeblichen Institutionen bemächtigt haben. Rückblickend muss man feststellen, dass es ein Kardinalfehler der „Väter des Grundgesetzes“ war, den Parteien derart weitreichende Wirkungsmöglichkeiten zuzugestehen. Diese sollten lediglich an der „politischen Willensbildung mitwirken“, doch musste jeder wissen, dass sich die an die Macht Gekommenen auf Dauer mit ihrer Rolle nicht zufriedengeben würden.

Dauerhaftes Ungleichgewicht

Das 1967 geschaffene Parteiengesetz war ein Wendepunkt. Es gab den Parteien viel weitergehende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten und sicherte ihnen insbesondere den Zugriff auf die Gelder der Steuerzahler. Von nun an waren Parteien nicht mehr nur an der Willensbildung beteiligt, sondern „ein verfassungsmäßig notwendiger Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“. Damit stellten sie sich eine Generalvollmacht aus und schufen ein Ungleichgewicht zwischen dem Souverän und seinen Volksvertretern. Seither hat sich zunächst schleichend und unmerklich, inzwischen aber immer unverhohlener ein Staat im Staate gebildet. Der Parteienstaat hat von der Demokratie Besitz ergriffen und schickt sich an, sie zu zerstören.

Mit der Wandlung vom Mitwirkenden an der politischen Willensbildung zum demokratiedefinierenden Element war es jedoch nicht getan. Selbstverständlich nutzten die Parteien ihre gesetzliche Macht dazu, das Maß ihrer Mitwirkung umfassend auszuweiten, um „auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens“ zu wirken. Sie haben sich gesetzlich dazu legitimiert, dass sie „insbesondere auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss nehmen“ können. Der eigentliche Coup ist ihnen aber dadurch gelungen, dass bis heute kein Politiker der Bundes- oder einer Landesregierung für einen am Gemeinwesen angerichteten Schaden haften muss. Schlimmstenfalls droht ihm der Abgang mit „goldenem Handschlag“. Hier liegt das eigentliche Problem. Es ist zu spät, den Dämon des Parteienstaates bändigen zu wollen. Vielleicht hilft aber der Hinweis auf die Fehler der Vergangenheit irgendwann beim Wiederaufbau nach dem Zusammenbruch der Demokratie. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ramin Peymanis Blog Liberale Warte.

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Horst Jungsbluth / 25.02.2022

Wenn ich das richtig verstehe, ist das 1967 geschaffene Parteiengesetz ein klarer Verstoß gegen Artikel 20 (2) GG, der vorgibt, dass “alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht”. Artikel 21 (1)  GG billigt den Parteien lediglich “ein Mitwirkungsrecht bei der Willensbildung des Volkes” zu, was ganz offenkundig die Parteien einfach zu ihren Gunsten umdrehen.  Wir leben also in einem Staat, wo ausgerechnet jene, die dafür gewählt und gut bezahlt werden, dass sie das Grundgesetz strikt beachten, dieses einfach beiseite schieben. In Berlin übrigens bereits seit dem Antritt des von der SED geförderten SPD/AL-Senats im Jahre 1989!

Roland Stolla-Besta / 25.02.2022

Πάντα ῥεῖ, alles fließt, nichts bleibt wie es ist. So geschieht es auch von alters her mit allen politischen Systemen. Und gerade befinden wir uns in einer solchen Epoche der Änderung, wie der Autor hier sehr klar darlegt. Die Demokratie, wie wir, die mit der Gnade der frühen Geburt Gesegneten, sie noch kannten, wird in Bälde eine andere sein, nichts jedoch mehr mit dem Δῆμος, dem Volk, zu tun haben. Das stört die Herrschenden doch nur.

Immo Sennewald / 25.02.2022

Nicht neu aber notwendig, immer wieder darauf hinzuweisen: Vor allem ist dringend über eine Verfassung nachzudenken, die Fehlentwicklungen ausschließt, wie wir sie erleben (und demnächst erleiden). Da gibt es Hoffnung, denn genügend politische Köpfe, die gegen totalitäre und politbürokratische Auswüchse gefeit sind, die Freiheit, Recht, Selbständigkeit, Verantwortung als Aufgaben staatlicher Neuordnung und nicht als Worthülsen zur Tarnung in Parteiprogrammen nehmen, werden sich fürs Aufräumen nach dem Kollaps finden. Chinesische Verhältnisse sind nicht alternativlos.

R. Reger / 25.02.2022

Eine gute Analyse. Sie macht doch eines sehr deutlich: Demokratisch sind einzig die 4 bzw. 5 turnusmäßigen Wahlen. Das ist ein Sonntag alle 48, bzw. 60 Monate. Zwischendrin herrscht Diktatur. Der Artikel macht auch deutlich, dass das bestehende System nicht mehr zeitgemäß ist. Im Zeitalter des Internets sind sehr viele Bürger wesentlich mündiger geworden und wollen mitreden. 4-5 Jahre Immunität vor jeglichem Volkeswillen kann man den Politikern nicht mehr zugestehen. Und 16 Jahre Kanzler hat überhaupt noch keinem Land gut getan. Ein völlig neues Konzept muss her. Ich denke da an einen Generalsekretär, der 2 Jahre durchweg installiert ist und auf Auftrag Exekutiventscheidungen von Unten koordiniert. Die aktuelle Anzahl der Abgeordneten ist völliger Unsinn, verursacht einen riesigen Kostenposten, das kann deutlich abgespeckt werden. Abgeordnete der Parteien sollten täglich, wie an der Börse, neu gehandelt werden. Setzen die den Bürgerwillen mehrheitlich um, dürfen sie bis zum Monatsende bleiben. Ansonsten werden sie umgehend ersetzt. Das schliesst schon mal die Geschäftsidee Politiker aus. Sowas tut dem Volk überhaupt nicht gut. Ministerien werden von spezialisierten Fachkräften bemannt. Richterleistungen gehören transparent bewertet. Sich einfach auf fehlerhafte Regierungseinschätzung zu berufen, darauf unreflektiert “Recht” zu sprechen, das hat die Corona Diktatur gezeigt, ist total daneben, also bürgerfeindlich. Das klingt alles “insane”, aber was von uns täglich erwartet wird, ist es ebenso. Die Abwesenheit eines jeglichen Leistungsprinzips in der Politik ist gemessen an den Wertschöpfern des Bruttosozialprodukts weder verhältnismäßig noch zeitgemäß.

Ralf.Michael / 25.02.2022

Die lieben Politiker_*innen dieses Parteienstaates werden Uns nicht auskommen ! Nach erfolgter Renaissance der Demokratie haben wir alle Daten und Nichts davon ist verloren ! Dann heisst es ganz lapidar ” Halali ” und die Jagdhörner und Knüppel werden ausgepackt ! Nennt sich ” Open Season ” ;o)))

Rainer Niersberger / 25.02.2022

So ist es. Ein entscheidender System - und Regelungsfehler wurde zutreffend beschrieben. Allerdings sind manche “Fehler” keine, sondern aus bestimmten Motiven entstanden.  Weitere “Fehler” wie die unterlassene Befristung der Macht, der Verfahren zur Ernennung der Richter des BVerfG oder auch das Listensystem waeren zu nennen und vor allem ging es trotz einer vermeintlichen Demokratie vor allem den “Alliierten” genau darum, den boesen Demos von der Macht fernzuhalten. Man muss zugeben, dass dieses Ziel voll aufgegangen ist.  In diesem Zusammenhang hatte auch die “Reedukation” und (mentale) Entnationalisierung ihre Anteile, die bis heute wirken. Es gibt weder eine Nation, eine nationale Identität und folgerichtig auch keine materielle Demokratie. Leider zu Lasten des Demos, wobei sich dieser auf seine Reduktion bis zum Kleinkind nur zu gerne eingelassen hat, bis heute.  Richtig ist, dass es eines totalen Zusammenbruches bedarf, um ueberhaupt neu und dann “besser” starten zu koennen. Ob dieser Neustart tatsaechlich “besser” wird, bleibt angesichts der Verfasstheit des Demos, inzwischen eigentlich nur eine entpolitisierte Bevölkerung! auf einem bestimmten Gebiet, und des WEF und seiner maechtigen Helfer sehr fraglich.

Harald Unger / 25.02.2022

Ramin Peymanis Beitrag ist für mich eine Zeitreise, genau 30 Jahre zurück, als Richard von Weizsäcker eben diese Bestandsaufnahme vornahm. Den Beginn der Aufhebung des GG und damit der Bundesrepublik, ab dem 04.09.2015, durch den marxistisch geschulten Kader der SED/FDJ, von dem die Weizsäckers Partei unterwandert und extrinsisch verdaut wurde, musste er nicht mehr miterleben. - - - Mir ist klar, ich hatte es schon früher hier im Forum geschrieben, daß größere politische Umwälzungen 20 bis 30 Jahre benötigen, um ins Bewusstsein der heutigen Bisherdeutschen zu gelangen. Was leider zu langsam ist. Unsere Zurichter leben von dieser totalen, undurchdringlichen Umnachtung. Deren Tempo, zur Beendigung der Bürgerlichen Epoche, vollzieht sich rasend vor unseren Kuhaugen. Wir haben keine Sprache und damit keine Vorstellung, kein Bewusstsein, von dem, was aktuell, auf der Ebene der politischen Meta-Mechanik, mit uns geschieht. Mit den Erkenntnissen und Instrumenten der frühen 90er Jahre, ist das nicht möglich. Wenn es also soweit sein könnte, ab 2052, hat der Great Reset und die CCP den Sack längst schon zugemacht. Schließlich war es die CCP, die genau vor 30 Jahren erstmals ihren Anspruch formulierte, bis zum Jahr 2050 die uneingeschränkte, absolute Weltherrschaft auszuüben.

Heiko Engel / 25.02.2022

Brilliant, Herr Peymani. Das deutsche Kernproblem kurz und knapp geschildert.

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