Henryk M. Broder / 09.03.2010 / 10:09 / 0 / Seite ausdrucken

Deidre sei Dank

Die Berliner Niederlassung des American Jewish Committee “setzt sich ein für eine tolerante Gesellschaft, für Integration und Verständigung” ein, wobei besonders “die vielen persönlichen Kontakte zwischen der amtierenden AJC-Repräsentantin Deidre Berger und den deutschen Verantwortungsträgern aus Politik, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft… sehr zur erfolgreichen Arbeit des AJC in Deutschland” beitragen. In Klardeutsch übersetzt heisst das: Keine Party ohne Deidre. Sie wirke, heisst es immer wieder, vor allem hinter den Kulissen, Krawall zu machen, sei nicht ihre Sache, lieber lasse sie ihren weiblichen Charme spielen, wobei ihr zugute kommt, dass sie auch nach 30 Jahren in Deutschland immer noch so deutsch spricht wie Howard Carpendale.

Manchmal allerdings tritt das AJC aus der Deckung und geht in die Vollen. Radikal, rabiat und ohne Rücksicht auf Verluste. Heute ist es wieder so weit. Das AJC lädt zu einem Podiumsgespräch über das Thema “Der Umgang mit Antisemitismus, Kommunismus und nationaler Identitätsfindung” ein. Anlass ist ein rumänischer Film, der bei der Berlinale gezeigt wurde, „Portrait of the Fighter as a Young Man“ von Constantin Popescu, der, so lesen wir in der Einladung zu dem Podiumsgespräch, “für Kontroversen gesorgt” hat. “Kritisiert wurde, dass in dem antikommunistischen Widerstandsepos die antisemitische und nationalistische Gesinnung der als Helden portraitierten Protagonisten ausgeblendet wird.”

Das ist wirklich ein Thema, über das wir schon lange mehr wissen wollten: Warum in einem rumänischen Spielfilm, den außer Deidre Berger niemand gesehen hat, die antisemitische und nationalistische Gesinnung der als Helden portraitierten Protagonisten ausgeblendet wird. Das Thema gehört ganz oben auf die Tagesordnung, nicht nur des AJC Berlin sondern der ganzen Zivilgesellschaft. Deidre sei Dank, dass es nun zur Sprache kommt, und das in einer prominenten Besetzung:

Prof. Dr. Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin
Christoph Terhechte, Leiter des Internationalen Forums des Jungen Films der Berlinale
Alexandru Florian, Nationales Institut zur Erforschung des Holocaust in Rumänien
William Totok, Schriftsteller und Publizist
Moderation: Deidre Berger, American Jewish Committee

Nach dem Podiumsgespräch soll, bei Brezen und Wein, auch über andere Themen gesprochen werden, zu denen sich das AJC bis jetzt nicht geäußert hat. Zum Beispiel zu der Kölner “Klagemauer”. Oder zu der Weigerung der Kölner Staatsanwaltschaft, sich der Sache anzunehmen. Die letzten Äußerungen des iranischen Präsidenten zu Israel wären ein guter Anlass, die deutsch-iranischen Beziehungen “kritisch zu hinterfragen”. Aber diese Themen haben einen großen Nachteil, sie liegen weit, weit weg. Während die die antisemitische und nationalistische Gesinnung rumänischer Widerstandskämpfer etwas ist, womit wir es täglich zu tun haben, das uns unmittelbar angeht und betroffen macht. Deswegen wird es bald eine weitere Veranstaltung des AJC in Zusammenarbeit mit dem ZfA geben - über antisemitische Kinderbücher in Moldawien zu Beginn das 20. Jahrhunderts. Wir werden den Termin zeitnah bekannt geben.

PS:
Kleine Korrektur. Wie wir soeben erfahren, hat sich Deidre Berger, Chefin des Berliner Büros des AJC, doch zu der Kölner Klagemauer geäußert, wenn auch nur privat und inoffiziell:

“It is encouraging to see a number of leading citizens of Cologne finally taking action after five years against an ongoing public display rallying hatred against Jews and Israel.  It is inexplicable, however, how a public prosecutor could determine that ancient antisemitic libels displayed on Cologne’s historical main square do not violate laws against public incitement. We applaud the political parties and individuals in Cologne who continue to press legal action against the hate-filled vitrolic of a one-time peace activist.”

Deidre, you have balls! We applaud you!

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