Peter Grimm / 25.07.2022 / 12:00 / Foto: Pixabay / 74 / Seite ausdrucken

Das leuchtende Beispiel des Bundespräsidenten

Wenn Deutschlands politische Vorbilder beispielgebend Energie sparen wollen, wirkt das mitunter unfreiwillig komisch, denn viele Bürger haben wegen der hohen Energiepreise längst selbst entdeckt, dass man Licht auch ausschalten und die Heizung abdrehen kann.

Deutschland steht – das schreiben und senden ja auch all die Medien, die bis vor Kurzem noch das beste Deutschland aller Zeiten feierten – vor einer so dramatischen Energiekrise, dass die Bundesregierung zum Instrumentenkasten der Kriegswirtschaft greifen sollte. Ungeachtet aller vielleicht kommenden Energieverbrauchs-Restriktionen sollte natürlich bereits jetzt Energie gespart werden. Und um den Appellen an die Bürger zur Energie-Enthaltsamkeit Glaubwürdigkeit zu verleihen, wollen etliche politische Verantwortungsträger hier natürlich zeigen, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen.

Am Montagmorgen konnte man auch hier in der Morgenlage lesen, dass Folgendes vom deutschen Staatsoberhaupt zu berichten wusste:

„Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will beim Stromsparen angesichts drohender Energieknappheit mit gutem Beispiel vorangehen. Sein Berliner Amtssitz Schloss Bellevue wird nachts in der Regel nicht mehr angestrahlt."

Was für ein vorbildliches Beispiel. Die Bürger werden dem sicher gern folgen und künftig auch auf das Anstrahlen ihrer Schlösser verzichten. Im Ernst: Es ist natürlich vollkommen in Ordnung, wenn ein Staatsoberhaupt seinen Amtsssitz nicht mehr anstrahlen lässt, um Strom zu sparen. Nur dies als „gutes Beispiel" zu verkaufen, während die meisten Deutschen fürchten, im Winter ihre ohnehin unangestrahlten Wohnbehausungen nicht mehr heizen zu können, wirkt schon – sagen wir es mit alleräußerster Zurückhaltung – recht eigenartig.

Spitzen-Tipp vom Landesvater: Heizung nachts abdrehen!

Zu Steinmeiers Entlastung muss man sagen, er ist in so einer verstolperten Vorbildrolle kein Einzelfall. Bereits Anfang April – die Heizperiode war noch nicht vorüber – meldete sich Deutschlands einziger grüner Ministerpräsident als Energiespar-Vorbild in der Öffenlichkeit. Die Welt berichtete seinerzeit:

„Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fordert zum Energiesparen auf und verweist auf sein eigenes Beispiel: Er habe seit Beginn des Ukraine-Kriegs die Wärme reduziert."

Nein, keine Angst, Kretschmann hatte nicht ausprobiert, wie es sich mit den maximal 18 Grad Raumtemperatur lebt, die mancher Politiker-Kollege von ihm den Bürgern schon mal ankündigte. Der Südwest-Landesvater konnte von einer Energiespar-Entdeckung berichten, wie die Welt weiter berichtete:

„Bislang habe sich seine Heizung nachts automatisch abgesenkt, sodass sie am nächsten Morgen zum Frühstück wieder den Raum voll erhitzt habe. 'Das machen wir jetzt anders, wir drehen die Heizung einfach abends ab', sagte der Grünen-Politiker. Seinen Berechnungen zufolge habe das einen messbaren Effekt. 'Dieser kleine Schritt spart noch mal 20 Prozent Verbrauch im Vergleich zur technischen Nachtabsenkung ein', sagte Kretschmann."

Was für eine Entdeckung! Man kann die Heizung nachts selbst abdrehen. Und das muss der Landesvater seinen Landeskindern nun beispielgebend mitteilen?

Warum nicht 18 Grad im Schloss Bellevue?

Ich mag merkwürdige Alltagsgewohnheiten haben, und offenbar kenne ich etliche Menschen mit ähnlich merkwürdigen Alltagsgewohnheiten. Zu denen gehört das Abdrehen der Heizung, wenn man sie nicht braucht, also auch nachts, wenn man nicht gerade nachtaktiv ist. Damit könnte ich meinen Verbrauch nicht senken. Und viele andere Bürger wahrscheinlich auch nicht. Solche Belehrungen von einem Ministerpräsidenten einer Partei, die den Bürgern schon länger Energie-Askese predigt, wirken deshalb ähnlich deplatziert wie Steinmeiers beispielhafte Einsparung der Schloss-Anstrahlung.

Der Bundespräsident hätte ja auch solidarisch verkünden können, Schloss Bellevue werde nicht mehr über 18 Grad Raumtemperatur beheizt. Sein Vorgänger im Schloss, Joachim Gauck, hatte bekanntlich schon länger das „Frieren für die Freiheit" empfohlen. Das wäre eine Meldung am Montagmorgen gewesen, die zu anderen Nachrichten zum Wochenbeginn gut gepasst hätte.

So berichtete n-tv.de von einer Äußerung des Audi-Produktionsvorstands Gerd Walker. Zum Thema der Gaseinsparung in seinem Unternehmen habe dieser auch gesagt:

„Eine Absenkung der Temperatur könnte aber ab Spätherbst ein Thema werden – nicht nur in der Produktion, auch in unseren Büros. Das ist tatsächlich einer der Bestandteile der ermittelten 20 Prozent Einsparungspotenzial. Und besser, als gar nicht mehr zu produzieren".

Acht Limousinen, aber hybrid!

Wie ernst letztere Option bei anderen Unternehmen ist, konnte man ebenfalls bei n-tv.de erfahren. Nach einer Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) drosseln etliche Unternehmen wegen der hohen Energiepreise ihre Produktion. „Das, was wir aktuell an Rückgang des Gasverbrauchs in der Industrie beobachten, geht vor allem auf die Stilllegung von Maschinen und Anlagen zurück. Es lässt sich nicht unter einer verbesserten Energieeffizienz verbuchen", wird DIHK-Präsident Adrian zitiert.

Aber zurück zum Bundespräsidenten. Es wäre äußerst ungerecht, hier zu verheimlichen, dass auch noch über weitere Energiesparmaßnahmen als „gutes Beispiel" des Bundespräsidenten bei faz.net berichtet wurde:

„Ein Teil des Stroms werde über Photovoltaikanlagen auf dem Dach des Verwaltungsgebäudes des Präsidialamts erzeugt. Dies solle bei der geplanten Sanierung und Modernisierung der Gebäude deutlich erweitert werden. Geprüft werde auch, dann das Heizen und Kühlen auf Erdwärme umzustellen. Probebohrungen dafür seien in Planung, hieß es. Momentan würden die Gebäude des Bundespräsidialamtes mit Fernwärme geheizt. Eine Klimaanlage gebe es nicht.

Auch bei der Mobilität setzen das Staatsoberhaupt und seine Behörde den Angaben zufolge nach Möglichkeit auf CO2-Neutralität. Die Beschäftigten an den Standorten Berlin und Bonn könnten ein Jobticket nutzen. Das Amt stelle vier Fahrräder zur Verfügung, die Anschaffung weiterer Job-Räder werde geprüft. Und die acht Limousinen des Bundespräsidialamtes seien Hybridfahrzeuge, sagte die Sprecherin."

Welchem Spar-Beispiel will man da folgen? Vielleicht nimmt man eine der acht Limousinen.

 

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Leserpost

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Thomas Szabó / 25.07.2022

Der Bundespräsident könnte mit leuchtendem Beispiel vorangehen, indem er sich einen ordentlichen Beruf sucht.

Dietmar Moll / 25.07.2022

Ich dachte die Strahlkraft einen Bundespräsidenten ist so hoch, daß  es für das ganze Regierungsviertel ausreicht ? Wieso muß bei diesem Bundespräsidenten zusätzlich geheizt werden ?

paul peters / 25.07.2022

ich dusche jetzt 3x täglich auch nur noch jeweils 20 statt 40 minuten. so kurz ist zwar gewöhnungsbedürftig - macht aber ein wahnsinnig gutes gewissen. mal schauen ob ich mir ab herbst das heizen der küche mittels voll aufgedrehter kochplatten abgewöhnen kann. wobei, man solls aber auch nicht übertreiben oder?

Heike Olmes / 25.07.2022

Zum Wohle der Bevölkerung sollte man 50% der Politiker einsparen. Und das höchst überflüssige Amt des Bundespräsidenten sowieso.

Franz Klar / 25.07.2022

Wenn die Wohnung nachts auskühlt , saugen sie kalten Wände am Morgen danach die neue Energie auf wie ein Schwamm . Ergebnis : Kältegefühl und nix gespart . Abhilfe : Kaffee mit Schuß ......

Ronald Maeder / 25.07.2022

Kann jeder selbst nachprüfen: die Energie welche bei Nachtabsenkung vermeintlich gespart wird, verheizt man, wenn es morgens schnell wieder annehmbar warm sein muss. Nebenbei kann man auch vermehrt Kondenswasser bzw. Mauerfeuchtigkeit durch sporadisches heizen beobachten, wie z.B. englische Cottages, welche oft nur Nachmittags/Abends durch offene Kamine beheizt werden, beweisen. Es ist daher effizienter, möglichst konstante Temperatur zu halten.

Nico Schmidt / 25.07.2022

Sehr geehrter Herr Grimm, sein Schloß nicht mehr anzustraheln, ist natürlich der ganz große Wurf! Unsere Qualitätsmedien verkommen immer mehr in Richtung Nordkorea: “Unser großer Vater spart Wärme und Strom für die Landesverteidigung und zum Wohle aller Menschen dieser Welt!” Jetzt noch die tränenerstickte Stimme von Petra Gerster und fertig sind Nachrichten aus Pjöngjang. MfG Nico Schmidt

Torsten Hopp / 25.07.2022

Man könnte auch acht von acht -der bis übers Dach steuersubventionierten Hybrid-Limousinen nehmen.

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