Ich behaupte dagegen: Es gibt eine Individualität des Todes und der Haltung ihm gegenüber! Es gibt Menschen, die das Leben tatsächlich als Qual begreifen und hier kann der Tod eine Erlösung sein. Und es gibt alte Menschen die ausgesprochen gern leben und noch im Alter am Schicksal ihrer Partner, Kinder und Enkel teilhaben und die nicht im Geringsten lebensmüde sind. Ich bin absolut dafür, die Menschen selbst über ihren Tod entscheiden zu lassen, solange diese Option existiert. Und ich bin absolut dagegen, den Menschen eine allgemeingültige Vorstellung vom Tod aufoktroyieren zu wollen, gleichsam als Begründung gegen den Schutz der alten Menschen vor Covid 19. Eine solche Stellungnahme finde ich insbesondere von Seiten eines Arztes mehr als bedenklich - morgen kommt möglicherweise dann jemand, der auf dieser Basis Euthanasie begründet? Vielleicht liegt es in der Natur der Sache, dass Ärzte mit der Zeit gegen den Tod abstumpfen, was sie dann allerdings kaum dazu qualifiziert, eine allgemeine Philosophie des Todes für alle festzulegen. Die Haltung, das Leben älterer und alter Menschen nicht mehr als wertvoll zu betrachten, ist mir leider im Medizinwesen nicht selten begegnet, ich finde sie jedoch absolut unethisch und lehne sie deshalb kategorisch ab!
Ein Arzt ist ein Arzt und kein Seelsorger und kein Philosoph. Wenn Patienten ihn direkt fragen, soll er seine Meinung sagen. Aber sich nicht ungefragt aufdrängen. Mir wäre ein katholischer Priester, der die Sterbesakramente spendet, allemal lieber am Totenbett als ein Arzt, der Epikur zitiert.
Vor knapp 2 Jahren sagten Ärzte meinem Schwiegervater (75, in US American) Sie habe noch 6 Wochen zu leben. Ausgestattet mir einem Sauerstoffgerät verbrachte er die letzten Wochen bei klarem Verstand (Monsterbrain der Nasa) in seinem wunderschönen Haus. Zeitweise genoss er seine Zigarre und verstarb nach 6 Wochen im Kreise seiner Familie und Freunde. Wie wäre es ihm heute ergangen? Intensivstation und isoliert?
Lesen sie doch einmal das Buch von jankovic; der Tod, mein schönstes Erlebnis.
Meine Mutter, die zu Hause, wie sie sich das wünschte, an einem Tumorleiden verstarb, wurde so wunderbar von einem Pastor verabschiedet und beerdigt, dass niemand weinte. Sie wurde weitergeschickt auf eine Reise.
Zuerst einmal kann ich von überwiegend sehr guten Erfahrungen mit Ärzten und Pflegern beim Thema Sterben berichten. Und dazu gab es bei mir reichlich Gelegenheit. Aber die Panik von Angehörigen habe ich auch erlebt. Wobei sich immer wieder zeigt, das diese Panik NIE dem Sterbenden galt, sondern immer und ausschließlich ihnen selbst. Viele halten es nicht aus mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert zu werden und andere realisieren das sie gar nicht in der Lage sind ohne den Sterbenden ein unabhängiges Leben zu führen. Wie eine Gesellschaft zum Leben steht, kann man gut daran ablesen wie sie mit ihren Toten umgeht. Die werden zunehmend wie räudige Hunde verscharrt (Euphemismus: “Die Bestattung fand im engsten Familienkreis statt”). Wobei man da nun noch mal an der Schraube gedreht hat. Neuerdings werden die eiligst “kremiert” und die Reste wie bei einer Aschenbecherentleerung auf der “Streuwiese” des örtlichen Friedhofs entsorgt. Marcus Aurelius Antoninus, römischer Kaiser und letzter Stoiker, hat zum Thema Sterben übrigens alles gesagt was es zu sagen gibt: “Der gegenwärtige Zeitpunkt ist für alle von gleicher Dauer, welche Ungleichheit es auch in der Dauer des Vergangenen geben mag, und den man verliert, erscheint nur wie ein Augenblick; [...] daß der im höchsten Lebensalter und der sehr jung Sterbende beide das gleiche verlieren. Sie verlieren nur den gegenwärtigen Zeitpunkt, weil sie nur diesen allein besitzen und weil man das, was man nicht besitzt, nicht verlieren kann.”
You made my day. Das ist ein wunderschöner Text, der Lust auf ein angstfreies Leben vor dem Tod macht.
Ein sehr wohltuender und notwendiger Beitrag, der deutlich macht, wie sehr wir die Begriffe “Sterben” und “Tod” aus unserer Gesellschaft verbannt haben und welche Wege wir zu gehen bereit sind, den Tod weiter auszublenden. Ein Virus, eines von Millionen anderen, mit denen wir leben müssen, hat unsere Politik und Gesellschaft zu den abstrusesten Äußerungen und Maßnahmen bis hin zur massiven Einschränkung unserer Freiheit und unserer Lebensfreude sowie Lebenszeit veranlasst, in dem sie die Ausrottung des Virus und den Kampf um jedes einzelne Leben als oberste Maxime vertritt, was in seiner Absurdität kaum zu überbieten ist. Erst, wenn sich endlich die Erkenntnis wieder durchsetzt, dass das Leben niemals ohne Risiko verläuft, der Tod zum Leben gehört und gerade im hohen Alter zu akzeptieren ist, wird die Mehrheit der Bevölkerung vielleicht wieder lernen, rational zu denken und die Ängste auf das Normalmaß zurückzuschrauben in der Lage sein.
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