Henryk M. Broder / 05.11.2015 / 10:16 / 3 / Seite ausdrucken

Das ist ja irre! (12) Mach beim Abschied Winke-Winke

Gestern in der 17-Uhr-Tagesschau: „Die Situation an der deutsch-österreichischen Grenze ist währenddessen weiter angespannt. Die Bundespolizei sprach von einem ‚geordneten Ausnahmezustand’.“ Hier ab 3’40. Oder hier.

Haben die noch alle Zeichen im Setzkasten? Wenn das, was an de deutsch-österreichischen Grenze, wo täglich Tausende von „Schutzsuchenden“ von den Österreichern an die Deutschen „übergeben“ werden, ein „geordneter Ausnahmezustand“ ist, was ist das in den Köpfen derjenigen los, die solche Begriffe erfinden und verbreiten? Nein, das ist nicht mehr eine Kopie der „aktuellen kamera“, das ist schon ein Fall für Victor Klemperer.

Aber die Rettung naht, in Gestalt des Flüchtlingskoordinators Peter Altmaier, der an die Grenze bei Wegscheid geeilt ist, um den freiwilligen und unfreiwilligen Helfern zu sagen, was jetzt getan werden muss: „Hier kommt’s eben vor allen Dingen auch darauf an, dass wir arbeiten heute, weil ich weiß, es ist längst noch nicht alles so organisiert, wie wir es auch im Interesse der Grenzregion organisieren müssen.“ Danke, Peter, aber so genau wollten wir es nicht wissen!

Und weiter geht es mit einem Beitrag über die „Umverteilung von Asylsuchenden“, wie sie von der EU beschlossen wurde. 160.000 Asylsuchende, das sind etwa so viele wie im Laufe eines Monats nach Bayern strömen, sollen EU-weit umverteilt wurden.

Vor kurzem wurden 19 (neunzehn!) Eritreer von Rom nach Schweden ausgeflogen, jetzt sind 30 (dreißig!) Iraker und Syrer an der Reihe, die von Athen nach Luxemburg abgeschoben werden. Und zum Abschied gibt es einen großen Bahnhof. Mit dem griechischen Ministerpräsidenten Tsipras, dem luxemburgischen Außenminister Asselborn und – lieber Gott, steh mir bei! – dem Präsidenten des Europaparlaments Martin Schulz, der von Brüssel nach Athen geflogen ist, um dort gemeinsam mit den Flüchtlingen die 310.- Euro Tagegeld zu verprassen, die er jeden Tag steuerfrei bekommt. Was sich immerhin zu knapp 110.000.- jährlich summiert – zusätzlich zu seinen regulären Einnahmen von mehr als 200.000.- Euro p. A.

Wer so viel Geld dafür bekommt, dass er nur dummes Zeug labert, der kann natürlich die Gelegenheit nicht versäumen, den Umsiedlern, die er nie zuvor in seinem Leben gesehen hat und nie wieder sehen wird, hinterher zu winken. Und so sieht das „Großaufgebot an Politikern“ aus, das sich am Athener Flughafen versammelt hatte, mittendrin der Grüßaugust der EU, Martin Schulz. Hier ab 5’50.

Diese Vorstellung ist so irre, so infam und so ekelhaft, dass ich mir beim Zuschauen wünschte, die Erde möge sich auftun und dieses ganze dekadente Pack verschlucken. Leider wird das nicht passieren. Schulz und seine Kumpel werden weiter machen, denn sie haben nichts anderes gelernt außer: sich selbst in Szene zu setzen. Im übrigen: Wenn die EU so weiter macht und jede Woche 30 Schutzsuchende umsiedelt, werden die 160.000, um die es geht, in etwa 100 Jahren fair umverteilt sein. Wie sagte es Alexis Tsipras? Ein Traum wird wahr.

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Leserpost

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Max Wedell / 05.11.2015

Geistesgigant Schulz erinnerte uns anschließend daran: “Niemand verlässt sein Heimatland ohne Grund.” Da bin ich baff. Das hätte ich nicht gedacht. Aber wo er recht hat, hat er recht… Schulz entdeckte soeben das erste “Grund”-Gesetz des Heimatverlassers, das einfach für alle gilt, sogar für die deutschen Rentner auf Mallorca! Damit hat Schulz alle Ewiggestrigen blamiert, die meinen, Flüchtlinge hätten überhaupt keine Gründe, ihr Heimatland zu verlassen. Etwa die vielen Dummköpfe, die glauben, es wäre lediglich der Wind, der diese Menschen auf der Erdkugel umherweht… Auch Schulz hat übrigens einen Grund, sein Heimatland zu verlassen und heute auf Lesbos zu sein… er muß unbedingt von Flüchtlingen weitere anekdotische Fluchtgeschichten erfahren, die er in seine Reden einbauen kann… offiziell wird das so ausgedrückt: Er will sich vor Ort über die Lage der Flüchtlinge informieren. Und nicht vielleicht doch mal kontrollieren, ob wirklich auch alle einen Grund haben? Denn nur wenn ein Grund da ist, wird alles weitere schon seine Richtigkeit haben. Sich von Menschen, die vor Ort sind, die Lage telefonisch übermitteln zu lassen, ist für Schulz nicht drin. Da kämen dann am Ende vermutlich völlig falsche europäische Gesetze dabei heraus, wenn Schulz die Dinge nicht mit eigenen Augen gesehen hätte! Durch eine relativ einfache mathematische Ableitung, auf die ich hier verzichten will, kommt man übrigens auf folgende erweiterte Form des “Grund”-Gesetzes: “Niemand verlässt sein Heimatland in Richtung Deutschland ohne Grund”. Das aber nur am Rande angemerkt.

Wolfgang Richter / 05.11.2015

Danke für diese zu Papier gebrachten Worte. Zum gemeinsamen Griechenwein hätte nur noch Jean Claude gefehlt, um das Panikorchester zu vervollständigen. Göttin Europa hat sich vermutlich vor Scham seit längerem in einer düsteren Ecke des Hades vor Gram u. Scham auf Dauer verkrochen.

Daniel Sunnus / 05.11.2015

Danke, Herr Broder, dass Sie sich den Anblick des Verfalls öffentlich-rechtlicher Berichterstattung noch antun. Ich kann es jedenfalls nicht mehr und lese nur noch Rezensionen darüber.

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