Wolfram Weimer / 23.07.2018 / 06:29 / Foto: Efras / 55 / Seite ausdrucken

Das Herdensprech-Mainstreaming der Linken

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat es gesagt, Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat es gesagt und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) auch: "Asyltourismus". Für Deutschlands rot-grüne Szene ist das ein Fanal. Der SPD-Bundespräsident schaltet sich ein und rügt, von den Tagesthemen bis zur Süddeutschen Zeitung wird über „rechte Kampfbegriffe“, „Hetzersprache“ und „perfides Framing“ hergezogen. Am liebsten würden Rote und Grüne die Sprachpolizei ausschicken und das freie Reden verbieten.

Söder verteidigt den umstrittenen Begriff so: "Die Bevölkerung versteht das Wort ‘Asyltourismus’ leider sehr genau", sagt er. Die Menschen hätten kein Verständnis dafür, dass Menschen wieder nach Deutschland kämen, die bereits mit einem Einreiseverbot belegt seien. "Ein Großteil der Bürger fragt sich außerdem: Wieso soll jemand, der einen Asylantrag in Spanien gestellt hat, sein Verfahren in Deutschland betreiben?"

Nun mag der Begriff für die einen treffend und aufklärend, für die anderen falsch und skandalös, für Dritte unscharf sein. Die heftige Reaktion der rot-grünen Kritik aber verrät etwas anderes – die Linke verliert zusehends die Deutungsmacht der Sprache. Und darüber wird sie wütend. Die taz fordert daher offen: „Die Linken müssen sich die ihnen entrissene Sprache zurückerobern. Sie ermöglicht erst die Transformation von Ideen in politische Praxis.“ Das stimmt. Spätestens seit Pierre Bourdieu wissen wir: “Worte üben eine magische Macht aus: sie machen sehen, sie machen glauben, sie machen handeln.”

Über Jahrzehnte waren es Linke, die gezielt mit ideologischer Sprachverzerrung politisches Framing erfolgreich betrieben haben. Nun gelingt das den Rechten ganz erfolgreich, und darum soll die Mechanik plötzlich skandalös sein? Ist sie nicht, und der Bundespräsident sollte kein Zensor des Sprachgebrauchs sein. Denn der Kampf um die Sprache ist lebendiger Teil der Demokratie. Worte sind nicht nur Kommunikationsmittel, sondern auch Instrumente sozialen Handelns.

Die Sprache fungiert als politisches Barometer

Politischer Streit in der offenen Gesellschaft vollzieht sich immer über die Sprache. Und die Sprache fungiert häufig als unbestechliches politisches Barometer. So ist „Lügenpresse“ ein verzerrender, demagogischer Begriff, eigentlich eine Lüge in sich, und doch spaziert er so selbstverständlich durch das Bürgertum Deutschlands, da er die wachsenden Legitimations- und Glaubwürdigkeitsdefizite unserer öffentlich-rechtlichen Medien gezielt aufspießt.

Als die FDP einst die „Gesundheitspauschale“ einführen wollte und hoffte, dass der Begriff Gesundheit positive Vorstellungen hervorruft (denn eigentlich ging es um eine Krankheitsversicherung), war die Linke sofort parat und setzte das Wort „Kopfpauschale“ durch, denn der funktionierte als demagogischer Abwehrbegriff und setzte auf die assoziative Nähe zu Negativworten wie Kopfgeld, Kopfsteuer oder Kopfjäger. 

Als die CSU wiederum mit dem „Betreuungsgeld“ Mütter unterstützen wollte, die sich zu Hause um ihre Kinder kümmern wollten, kam der linke Kampfbegriff „Herdprämie“ und diffamierte die Absicht. Eine Mahnung des Bundespräsident über die Verrohung der Sprache, selektive Verunglimpfungen und die Spaltung der Gesellschaft bliebt aus.

Mit dem Begriff „Klimaleugner“ werden von Rot-grünen seit Jahren Personen stigmatisiert, die es wagen, die Theorie vom rein menschengemachten Klimawandel in ihrem Absolutheitsanspruch zu bezweifeln. Das Wort „Klimaleugner“ soll jede offene Debatte töten, denn es weckt gezielt die Assoziation zum „Holocaustleugner“.

„Armutsbericht“ über die reichsten Sozialfälle der Welt

Erfolgreich ist auch der grüne Propagandabegriff „Energiewende“, dessen manipulative Bedeutung gar nicht mehr bemerkt wird, weil er so erfolgreich etabliert ist. Mit der Vokabel verfolgt man das Ziel, das teure und energiepolitisch umstrittene Projekt des Atomausstiegs auf dieselbe moralische Ebene zu heben wie die friedliche Revolution in der DDR. Wer sich gegen die „Energiewende“ stellt, ist demnach also ein gestriger Blockwart, geistiger Kommunist, repressiver Ideologe.

Natürlich ist auch der „Euro-Rettungsschirm“ eine Verharmlosungs-Metapher für ein Multimilliardenrisiko zu Lasten deutscher Steuerzahler. Der „Armutsbericht“ berichtet in Wahrheit über die reichsten Sozialfälle der Welt. Seine Definition orientiert sich an einem permanent steigenden Durchschnittseinkommen der Deutschen, womit bei steigendem Wohlstand auch die vermeintliche „Armut“ auf absurde Weise zunimmt.

Selbst das Wort „Flüchtling“ setzt auch einen einseitigen Frame, einen Rahmen der politischen Interpretation für ungeregelte Zuwanderung. Er suggeriert, es gehe hier vor allem um akute Noteinsatz-Hilfsbedürftigkeit. In Ungarn nennt man die gleichen Personen Invasoren, in England Migranten, in Italien Zuwanderer. Natürlich gibt es echte Kriegsflüchtlinge im eigentlichen Sinne des Wortes, die aber sind in der Minderheit der großen Migrationsbewegung. Der Fischer aus dem Senegal, der Straßenhändler aus Marokko, der Bauer aus Eritrea, der Taschendieb aus Tunesien – sie alle kommen aus wirtschaftlichen, durchaus legitimen Motiven, aber Flüchtlinge sind sie gerade nicht. Doch für die politische Entscheidung, ob sie kommen sollten oder nicht, ist das Wort von ausschlaggebender Bedeutung.

Fazit: Die Sprache spiegelt politischen Wettbewerb der Ideen und Sichtweisen wider. Sie sollte nicht politisch korrekt eingehegt oder zensiert werden. Wir sollten es mit Heinrich Böll halten: „Die Sprache soll der Hort der Freiheit sein.“

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European

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Leserpost

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Wolfgang Richter / 23.07.2018

@ Jacco van den Broek Oder um Ihre Feststellung plastisch zu formulieren, kommt scherzhaft aus der Arbeitswelt: “Erfolgreiche Personalführung ist, wenn der Chef einen so über den Tisch zieht, daß man die Reibungshitze als Nestwärme empfindet.” Entsprechend praktizieren Politdarsteller und ihre medialen Umsetzer Sprachverhunzung als gesellschaftskonformen Zeitgeist. Alles andere, einschließlich Kritik an den selbst ernannten Inhabern der die Welt rettenden Erkenntnis,  ist “pöse”, ewig gestrig, bis hin zu Nazi.

Martin Landvoigt / 23.07.2018

Zu M. Volkers ’ Wie hier von “Abschaum” gegenüber Linken und Grünen gesprochen wird. Hier mal eine Begrifflichkeit zum für regelmäßige Leser dieser Seite: Notdürftig bildungsbürgerlich übertünchte Faschisten. ’ Ich weiß nicht, was der Rundschlag gegen eine Gruppe von Menschen rechtfertigt, wo sie eben solches gerade scharf kritisierten. Das erinnert an die Elchkritik. Sicher können Sie eine Wortwahl wie die im Kommentar von Armin Reichert, der sehr wohl weiß, dass dieses Wort in pauschalierenden Kontext nicht den gewählten Verkehrsformen entspricht, kritisieren. Aber doch nicht, wenn sie noch einen draufsetzen!

Udo Kemmerling / 23.07.2018

Sehr geehrter Herr bildingsbürgerlich gar nicht übertünchter Linksfaschist Volkers, warum sollte irgendwer hier mit Unterdrückung beginnen, wo doch Sie und Ihre Gesinnungsgenossen in Politik, Medien und Verbänden Experten für die Unterdrückung abweichender Meinungen sind? Schon vor 1989 habe ich die Diktion von Linken mit einem Begriff versehen: Ostblockdeutsch! Daran hat sich nichts geändert, lediglich die Themenwahl hin zum Ersatzklassenkampf. Widersprechen muß ich hingegen der Argumentation mit dem Durchschnittseinkommen zur Armutsdefinition. Das Durchschnittseinkommen beschreibt irgendwelche Armutsgrenzen in etwa so schlecht wie die Durchschnittstemperatur den Klimawandel, oder die Durschnittstelefonnummer das was ich wählen soll um jemanden zu erreichen. Betrachtet man hingegen das Median-Einkommen wird sehr schnell, insbesondere im Vergleich zu anderen Staaten, sichtbar, dass es unhaltbare Schieflagen im stets beschworenen “Reichen Deutschland” gibt.

Holger Lensing / 23.07.2018

Ich möchte noch eine schönen, bewusst verwirrend eingesetzten Begriff ergänzen: Für Griechenland wurde eine Vielzahl von sogenannten “Hilfspaketen geschnürt”. Natürlich denkt jeder an ein das Überleben sicherndes Paket, bestehend aus vielfältigen Bestandteilen wie vielleicht Nahrungsmitteln, Decken, etc.. Ist es aber nicht, es ist lediglich Geld. Ich nehme also zur Kenntnis, dass mein Arbeitgeber mir jeden Monat ein Hilfspaket schnürt, das nur irrtümlich als Gehalt bezeichnet wird. Ich meinerseits schnüre wöchentliche Hilfspakete für meine Tochter in der irrigen Meinung, dies sei Taschengeld. Letztens erst habe ich ein Hilfspaket für einen Versandhändler geschnürt als Dankeschön dafür, dass er mir seinerseits ein Paket mit Produkten geschnürt hat. Übrigens fuhr gestern ein “Wertstofftaxi” vor mir. Raten Sie mal, was das war! Richtig! In Vulgärdeutsch wurde das einst als Müllwagen bezeichnet.

Max Weber / 23.07.2018

Ich vermisse in der Asydebatte immer noch die Gendergerechte Sprache. Warum ist immer nur von DEM Flüchtling und DEM Asylanten die Rede nie von “Flüchtling*a”, meintewegen auch “Flüchtling*lin” oder sonstwas. Liebe Asylbewerber*innen bitte steht auf und protestiert vor der Parteizentrale der Grünen, Linken und SPD gegen diese Diskriminierung!!

Martin Stumpp / 23.07.2018

@M.Volkers: Bezeichnen Sie in einem linken Blog, z. B. Bento die Leser einmal als rot-grün angestrichen Faschisten. Sie können sicher sein, dass Sie darauf hin gesperrt werden, und veröffentlicht wird ein solcher Kommentar schon gar nicht. Woher ich das weiß? Ein Freund hat eine Kommentarschreiberin von Bento nur darauf hingewiesen, dass der Islam keine Rasse sondern eine Religion ist. Er wurde dafür umgehend gesperrt. Sehen Sie der Unterschied zwischen Demokraten und Faschisten besteht eben genau darin, dass Demokraten auch andere Meinungen akzeptieren. Im Gegensatz dazu sind Faschisten so von der Richtigkeit der eigenen Ansicht überzeugt, dass sie mit allen Mitteln versuchen solche falsche Meinungen zu unterdrücken. Solange noch die politische Macht fehlt dies staatlich durchzusetzen, geschieht dies durch Sperren, Blockaden Gegendemonstrationenen und im schlimmsten Fall auch durch Gewalt (Stichwort: Antifa).

W. Schwarz / 23.07.2018

M.Volkers fühlte sich sofort ertappt und beweist, mit seiner Faschismuskeule in seinem Kommentar, zu 100% die Richtigkeit des ursprünglichen Artikels.

Wolfgang Kaufmann / 23.07.2018

Je lauter ein Hund bellt, desto empfindlicher wurde er getroffen. Dieses Aufjaulen zeigt, wie der Bann der hohlen Worte sich dem Ende zuneigt: ein klassisches Rückzugsgefecht kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch des deutschtümelnden Wir-retten-die-Welt-Kartenhauses. – In 27½ Staaten der EU ist die Diskussion übrigens längst beendet: Keiner außer der moralinverseuchten deutschen Linken will noch die grenzenlose Einwanderung kultureller Trittbrettfahrer!

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