Coming out: Wie ein Corona-Autokorso unseren Sonntag rettete

Gestern am Sonntag. Februar in Augsburg. Es regnet in Strömen und wird den ganzen Tag nicht so richtig hell. Ich habe mich im Büro verkrochen. Dann ruft Sabine hoch: „Was ist denn da draußen los?“ Unser Haus steht direkt an einer viel befahrenen Straße mitten in der Stadt. Ein Hupkonzert dringt an mein Ohr. „Türkische Hochzeit“, rufe ich routiniert zurück, ohne nachgeschaut zu haben. Moment. Türkische Hochzeit? Kann nicht sein. Wir haben ja Lockdown. Nächste Möglichkeit: Hat wieder jemand falsch geparkt, und die Straßenbahn kommt nicht vorbei? Nicht am Sonntag. Letzte Möglichkeit: „Sabine, hat der FCA heute gewonnen?“

Ich öffne das Dachfenster und spähe nach unten. Alles voller Autos. Vom schweren Mercedes bis zum Kleinwagen. Alle voll besetzt. Alle mit Warnblinker. Alle hupen. Und alle haben einen Streifen rot-weißes Absperrband am Außenspiegel befestigt. Ein paar tragen italienische Flaggen auf dem Dach. Kleintransporter fahren große Schilder spazieren. Darauf steht: „Freiheit“. Dazwischen Blaulichter und fliegende Motorrad-Reiter der Polizei. Endlich blitzt in mir ein zielführender Gedanke auf. Ich rufe runter zu Sabine: „Das ist eine Corona Demo. Autokorso.“ Sabine zurück: „Da müssen wir mitfahren“. Und dann etwas kleinlauter: „Wo ist der verdammte Autoschlüssel?“. 

Hektik kommt auf. Ich: „Wir müssen raus in den Vorgarten. Fähnchen schwingen“. Sabine: „Vergiss den Regenschirm nicht, komme gleich nach.“ Ich finde den Regenschirm, aber kein Fähnchen. Maske brauch ich nicht, stehe ja in meinem Vorgarten. Also winke ich schlicht mit dem Daumen nach oben. Ein paar Passanten schauen mich komisch an. Dann kommt Sabine, und es sind schon zwei erhobene Daumen. „So fängts an, Herr Söder“, sage ich zu Sabine. Der Autokorso hört gar nicht auf. Allmählich tut mir der Arm weh. Ist aber egal. Das muntere Völkchen in den Autos, darunter ganz viele junge Leute, freut sich über den Zuspruch vom Fahrbahnrand. Es ist gewissermaßen ein Corona-Defilee mit sympathisierenden Bevölkerungsteilen. Die Auto-Insassen geraten in Verzückung, sobald sie uns entdecken und drücken gleich nochmal auf die Dreiklang-Fanfare. Nicht leise. Aber friedlich. Klassenlos, divers und multikulturell. Auf der anderen Straßenseite filmt jemand mit seinem Handy. Sein kleiner Sohn sieht uns winken und winkt auch. Er wurde gerade gegen den kommenden Sozialkundeunterricht in der Schule immunisiert. Jetzt sind wir schon drei. Sabine hat ein Regencape mit bunten Blumen. Die reinste Nelken-Revolution.

Ein kleiner Schritt in den Vorgarten, aber ein großer...

Nach etwa einer Stunde ist der Korso vorbei. Wir gehen wieder ins Haus. Sind angenehm ermattet, so ähnlich wie im alten Leben nach einem Silvesterfeuerwerk. „Das hat mir jetzt den Sonntag gerettet“, sagt Sabine.  

Man mag darüber lachen, aber ich meine das jetzt ernst: Reden wir nicht ständig darüber, dass man auf die Straße gehen müsste? Endlich haben wir es getan. Unser Demo-Coming out. Tut gar nicht weh. Die Demo wurde uns sogar frei Bordsteinkante geliefert. Erstmals durchfährt uns das angenehme Gefühl, unserer staatsbürgerlichen Pflicht zum zivilen Widerstand nachgekommen zu sein. Und unserer Empörung öffentlich Ausdruck verliehen zu haben. Ein kleiner Schritt in den Vorgarten, aber ein großer für unseren seelischen Haushalt. Das hat was Ansteckendes. Besten Dank an die Initiative „Grundrechte wahren“.

Autokorsos setzen offenbar die praktischen und psychologischen Barrieren herab, sich öffentlich zu bekennen. Insbesondere in Kreisen, die das bisher nicht getan haben. Erstens befindet man sich als unmittelbarer Teilnehmer wohlabgeschirmt in einem faradayischen Käfig, die Abstands- und Masken-Tyrannei ist (außer in Berlin) außer Kraft gesetzt. Die harte Hand des Gesetzes greift gegenüber Autodemos bislang in die Kloschüssel. Und zweitens sind 500 Autos mehr als 500 Menschen, das Auto potenziert gewissermaßen die Größenordnung und die psychologische Wirkung. Und man kann am Straßenrand einfach mitmachen wie beim Karnevalsumzug in Köln. Gegen die Narren vom Berliner Elferrat. An der Börse nennt man so etwas Hebelwirkung. Der einst ziemlich dümmliche ADAC-Spruch „Freie Fahrt für freie Bürger“ bekommt in diesen Tagen eine ganz neue Bedeutung. Bin gespannt, wann sie anfangen, Autodemos verbieten.

Eine Volksbewegung im wahrsten Sinne

Wenn ich zur Söderteska zählen würde, wäre ich jedenfalls nervös. Und wenn ich im Internet surfen würde, wäre ich sogar noch nervöser. Ich habe im Netz nach der Sonntagsdemo in Augsburg gesucht und als Beifang viele Dutzend solcher Demos bis hinein ins kleinste Dorf irgendwo auf der schwäbischen Alb oder dem norddeutschen Flachland gefunden. Das Ganze ist längst eine Volksbewegung im wahrsten Sinne des Wortes. Von Balingen bis Chemnitz, von Ulm bis Radolfzell, von Montabaur bis Zittau. Überregional wird von den großen Medien darüber kaum berichtet. Der blinde Fleck herrscht besonders bei denen, die sonst selbst dort einen Trend herbeischreiben, wo keiner ist. 

Und wenn eine Autodemo es in eine Regionalzeitung schafft, dann hat das oft einen etwas merkwürdigen Zungenschlag. Die Augsburger Allgemeine schreibt heute: „Autokorso von Corona-Gegnern behindert Verkehr in Augsburg“. Fahrlässiges Verkehrschaos an einem Starkregen-Sonntag in der Augsburger Lockdown-Öde, die mittlerweile selbst werktags an den New Yorker Zentralfriedhof erinnert... Ach Leutchen, ihr habt aber auch gar nichts begriffen.

Foto: Bundesarchiv/Jürgen Ludwig CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Okko tom Brok / 08.02.2021

„Wir“ sind also die „Corona-Gegner“? Wer sind denn eigentlich die Corona-Befürworter? Das sollte die Augsburger Zeitung aber noch einmal erklären…

S.Müller-Marek / 08.02.2021

Habe mich heute kurz im Internet informiert: Söderich und Lauterclown sind, wie auch nicht anders zu erwarten, für die Verlängerung des lockdowns. Ich will ja nicht pessimistisch sein, aber die Autokorsos kommen bei dem Politikerregime an, wie wenn man einem Ochsen ins Horn petzt. Ich hoffe ich irre mich….... Der Aufstand muss solche Formen annehmen, dass die Politik die Meinung des Volkes nicht länger ignorieren kann!!!

N.Lehmann / 08.02.2021

Die Mitläufer, Speichellecker und Systemparasiten werden natürlich von Verkehrsgefährdung und Lärmbelästigung faseln, aber wen interessiert schon deren Meinung ?! Selbst Merkel auf Bild oder Ton ist seit 2015 eine unerträgliche Erscheinung und somit kein Thema mehr. “Sie soll sich auf den Kopf stellen und mit dem Popo fliegen fangen”, pflegte meine Mutter immer zu sagen. Seitdem richtet man sich kontinuierlich im Out- Back ein. Denn Verbote auf der einen Seite, sind die Freiheiten auf der Anderen. Soweit und schnell können diese Panik- Mutanten gar nicht denken.

Jörg Themlitz / 08.02.2021

@Karla Kuhn: Sehr geehrte Frau Kuhn, ich werde jetzt nicht hinter jeden meiner Einwürfe, Ironie oder Satire schreiben. Wenn die SZ von hochgeschätzt hundert Nawalny Demonstranten berichtet (mein Hinweis von wem die finanziert werden), während von tausenden Autos die an deutschlandweiten Autokorsos teilnehmen, nicht berichtet wird, sollte doch alles klar sein. Ein anderer Punkt. Ich habe Honecker nicht gewählt. 1989 die Wahl im Mai, erschien am Nachmittag jemand bei meinen Eltern ! und hat nachgefragt, wann ich wählen komme. Da denkt man selbst als junger Mensch über seine Verantwortung nach. “...wenn in Deutschland die “Hütte brennt??”” Das haben die meisten ca. 80 Prozent noch nicht mitbekommen oder wollen es nicht mitbekommen. Wie nah der Kipppunkt ist, wissen wir nicht. Ich bin Ende Oktober/Anfang November 1989 in meiner Gegend mit einer Unterschriftenliste gegen Honecker unterwegs gewesen. Ich hatte eine Unterschrift, nämlich meine. Eine Woche später gab es die DDR nicht mehr. Na mal sehen.

Karin Krause / 08.02.2021

Ha, ha sind auch bei uns in Stadtbergen durch gefahren! Endlich war mal wieder was los! Man freut sich schon über einen Autokorso der hupt , was ist bloss aus diesem Land geworden? Das nächste mal fahre ich auch mit!

Manfred Sonntag / 08.02.2021

Es hat Spaß gemacht Ihren Artikel zu lesen, Herr Maxeiner. Am 20.02.21 findet in Dresden der große Autokorso zum gleichen Thema statt. Das letzte Wochenende hat er erfolgreich in Zwickau und Chemnitz stattgefunden. Ich werde jedenfalls meinen Unmut über die totalitären Zwangsmaßnahmen den Corona-Diktatoren, wie dem Sachsen-Pumuckel, kundtun. Bei jedem Wetter!

Karla Kuhn / 08.02.2021

Dr.  Rene Brunsch, ich zweifle jeden Tag mehr an dem Verstand dieser Person. Merkt die eigentlich noch, was für einen Schwachsinn die schwafelt ?

Michael Stoll / 08.02.2021

“Die Augsburger Allgemeine schreibt heute: „Autokorso von Corona-Gegnern behindert Verkehr in Augsburg“.”  Die Überschrift verstehe ich jetzt nicht. Ich dachte, es wäre ein Autokorso von “Corona-Leugnern”, dieser linke Kampfbegriff, der sich so schön nach Holocaust-Leugnern anhört. Die schärfsten Corona-Gegner sind doch unsere alternativlose Kanzlerin und ihre treusorgenden Paladine. Oder nicht?

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