Vera Lengsfeld / 05.11.2020 / 10:00 / Foto: Olaf Kosinsky / 55 / Seite ausdrucken

CDU: Eine Farce namens Parteitagsverschiebung

Im gegenwärtigen Corona-Spektakel und der akuten Terrorbedrohung gehen andere wichtige Themen eher unter. Dazu gehört das peinliche Hin-und-Her um die Verschiebung des CDU-Parteitags. Zu diesem überraschenden Beschluss waren Vorstand und CDU-Präsidium einstimmig gekommen, deshalb war die erste Ansage, dass es keineswegs eine Diskussion darüber geben sollte. Leider hat sich Alt-Ministerpräsident Bernhard Vogel dazu hinreißen lassen, das Manöver zu verteidigen:

„Es kann keine Verschwörung des ,Partei-Establishments‘ geben, wenn Präsidium und Parteivorstand einen Beschluss einstimmig fassen – das allein widerlegt die These“, sagte er zur Reaktion von Friedrich Merz, der meinte, das Parteiestablishment wolle seine Wahl verhindern. Aber Vogel forderte nicht weniger, als dass alle Parteimitglieder den Mund halten sollten: „Mich ärgert, dass über diese Frage nun eine Diskussion ausgebrochen ist. Die CDU muss in dieser so schwierigen Situation geschlossen sein. Streit ist schädlich, noch schädlicher ist unnötiger Streit.“

Aber die Parteibasis ließ sich diesmal nicht den Mund verbieten, zumal durchgesickert war, dass Armin Laschet noch vor dem Spitzentreffen eine Verschiebung der Vorsitzentscheidung gefordert hatte. Es hagelte E-Mails und Telefonanrufe im Konrad-Adenauer-Haus. Die immer unglücklicher agierende Noch-Parteichefin Kramp-Karrenbauer versuchte erst, Kritik als Verschwörungstheorie abzuwehren, worauf sich etliche Generalsekretäre der Landesverbände in ihren Mitgliederbriefen ähnlich äußerten. Mit geringer Wirkung.

Überraschungskandidat für den Parteivorsitz?

Die Werteunion hatte bei ihrer Kampagne klugerweise darauf hingewiesen, den Eindruck von Massenbriefen an die Parteiführung zu verhindern und individuell zu argumentieren. Aber es mobilisierten auch einige Landesverbände. Daraufhin drohte Kramp-Karrenbauer mit einem möglichen Überraschungskandidaten für den Parteivorsitz. Das war klar auf Friedrich Merz und die Baden-Württemberger CDU gerichtet, die ihn unterstützt. Als das auch nicht fruchtete, war die Parteiführung zum Einlenken gezwungen. Hatte man ursprünglich verkündet, man würde sich im Januar treffen, um über einen neuen Termin, etwa im März, zu beraten, musste nun verkündet werden, dass der Parteitag im Januar stattfinden würde. Dies soll einvernehmlich mit den drei Kandidaten abgesprochen worden sein. Anschließend wurde dieser Entschluss als eine Befriedung der Partei gefeiert. 

Leider hat man übersehen, dass – wahrscheinlich nicht nur in NRW – das Mandat der Parteitagsdelegierten im Dezember ausläuft. Soll alles mit rechten Dingen zugehen, müssten zahllose Kreisparteitage stattfinden, um neue Delegierte zu wählen. Damit wird das Argument, der Parteitag würde aus Infektionsschutz-Gründen verlegt, ad absurdum geführt.

Die Diskussion ist durch die Einführung des Lockdowns und den islamistischen Terror in den Hintergrund gedrückt worden. Sie ist aber noch nicht zu Ende. Die CDU ist keineswegs befriedet, unter der Oberfläche brodelt es weiter. Der Arroganz der Macht sind ihre Grenzen gezeigt worden, das sollte alle ermutigen, weiter ihre Stimme zu erheben. Noch kann der Parteitag im Dezember stattfinden, ob als Präsenzparteitag, wie das Estrel-Hotel Berlin als Möglichkeit anbietet, oder digital, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass die Basis dafür sorgt, dass sich die Parteiführung an die Regeln hält.

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Leserpost

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Jürgen Dannenberg / 05.11.2020

Merz kam schon damals gegen die mit allen sozialistischen Wassern gewaschene AgriPop Sekretärin nicht an, geschweige den heute. Er hat einfach keine Steher und aus teil Qualitäten. Anscheinend kann er nicht “morden”. und er sollte einmal US Wahlkampf der Demokraten analysieren. Da wird ihn geholfen.

E Ekat / 05.11.2020

“Wichtig ist, dass die Basis dafür sorgt, dass sich die Parteiführung an die Regeln hält”. An was für Regeln ?

Hermann Schulte-Vennbur / 05.11.2020

Mir ist rätselhaft, warum Friedrich Merz nicht eine Mitgliederbefragung fordert! Dem mögen im Moment noch irgendwelche Gremienbeschlüsse entgegenstehen, aber die müssten sich revidieren lassen. Zumal in der jetzigen Situation.

Kay Ströhmer / 05.11.2020

Die CDU-Basis soll dafür sorgen, dass… . Wer ist denn die CDU-Basis? Die CDU hat von 1990 bis 2019 ca. 49 % ihrer Mitglieder verloren (von knapp 800.000 auf gut 400.000). Gegenwärtig sind 73,5 % der Mitglieder Männer, 26,5 % Frauen. Ca. die Hälfte der Mitglieder ist 60 Jahre alt oder älter. Wer ist gegangen? Darüber lässt sich nur spekulieren, aber sicher haben vorwiegend die Unzufriedenen die Partei verlassen. Der Rest findet Mutti toll und ist auch nicht irritiert, wenn Parteitagsbeschlüsse ignoriert (Doppelpass) werden oder die Nationalfahne von der Bühne entfernt wird. Mit anderen Worten: Von der Basis ist nichts zu erwarten. Wer sich auflehnt, findet keine Mehrheit. Die CDU ist tot, sie weiß es nur noch nicht.

Hartmut Laun / 05.11.2020

+++ Vera Lengsfeld +++ Das dieses Mal aus dem Brodeln ein Ausbruch werden wird, das glauben Sie doch selber nicht. Der Zug in Richtung SED-Diktatur mit einer Partei die bestimmt und den anderen Parteien die mitlaufen, einschließlich der Kirchen und der Medien, dieser Zug ist längst abgefahren. Flieht schnell und weit wenn ihr könnt ist das Motto

Rasio Brelugi / 05.11.2020

Ich finde es toll, dass man das Handeln der “Werte-Union” mit “klugerweise” bezeichnen kann. Vielleicht sollte ich die das nächste Mal wählen!? Blöd ist allerdings, dass man dann sein Kreuzchen bei “CDU” machen muss.

Gudrun Dietzel / 05.11.2020

Liebe Frau Lengsfeld, großen Dank fürs Plaudern aus dem Nähkästchen. So lief es doch auch in der SED. Genau so!

Dr. Jürgen Kunze / 05.11.2020

Vielleicht sollten die Parteien einmal die Gunst der Stunde nutzen und sich überlegen, ob man nicht ganz auf einen Vorsitzenden verzichten könnte. Weniger Zusammentreffen bedeutet schließlich auch weniger Virusübertragungen. Und durcheinander reden kann man ja auch ohne Vorsitzenden.

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