In Frankreich sitzen die Grünen zwar nicht direkt in der Regierung, doch grüner Zeitgeist hat sich auch im „Hexagon“ breitgemacht, wie Franzosen ihr Vaterland wegen seiner geographischen Umrisse nennen. Das gilt selbst für die Edelgastronomie.
Manchmal könnte man meinen, Öko- und Klimapanik seien eine deutsche Spezialität. Doch leider grassieren diese Krankheiten auch in anderen Ländern, in Frankreich beispielsweise. Wobei dort glücklicherweise nicht alles mit einem solchen Furor und einer Konsequenz praktiziert wird wie hierzulande. So gilt Kernkraft in unserem westlichen Nachbarland bekannterweise als grün, was die Regierung von Präsident Emmanuel Macron nicht daran hindert, die „Erneuerbaren“ auszubauen. Gegner der „Energiewende“ a la francaise sagen, dass die Windkraft die Extraportion Zuckerwatte sei, mit der den französischen Ökos die auch bei ihnen ungeliebten Atomkraftwerke schmackhaft gemacht werden sollen.
In Frankreich sitzen die Grünen zwar nicht direkt in der Regierung, doch grüner Zeitgeist hat sich auch im „Hexagon“ breitgemacht, wie Franzosen ihr Vaterland wegen seiner geographischen Umrisse auf der Landkarte nennen. Das gilt selbst für die Edelgastronomie. So vergibt der Guide Michelin seit geraumer Zeit neben den bekannten (roten) Sternen einen grünen Stern – für im ökologischen Sinne nachhaltige kulinarische Spitzenleistungen. Auch Restaurants, die keinen grünen Stern ergattert haben, setzen auf flächendeckende Regionalität und „eco-responsabilité“ und bieten heutzutage meist auch ein vegetarisches Menü an.
Eine der vom Michelin für sein Nachhaltigkeitskonzept gepriesenen Adressen befindet sich nahe Sélestat im Elsass. „Wir kümmern uns seit mehr als zwanzig Jahren um ökologische Verantwortlichkeit“, heißt es in der Selbstbeschreibung des Restaurants. Man arbeite zusammen mit lokalen oder zumindest französischen Produzenten – so komme das in der Küche verarbeitete Schweinefleisch direkt aus dem Nachbartal, die Wachteln aus den Vogesen, die Tauben aus dem Elsass. Früchte und Gemüse beziehe man ausschließlich aus der Heimatregion, manches sogar aus dem eigenen Garten.
Rechnung ohne die Aktivisten gemacht
Dass einer der Inhaber ein Elektroauto fährt, ist selbstverständlich. Zum Glück wohnt er direkt unterhalb des Restaurants in einem Dorf, in dem einst für seine Edelmetallvorkommen berühmten Val d’Argent, und muss nicht jeden Tag lange Strecken zu seinem Arbeitsplatz pendeln, etwa nach Sélestat, Colmar, Mulhouse oder Strasbourg. Sonst würde er ganz direkt auch mit den Absurditäten des grünen Zeitgeistes konfrontiert.
Im Val d‘Argent nämlich gibt es seit dem Niedergang der Minen und der Metallurgie nur noch wenige industrielle Arbeitsplätze. Ohne Auto geht da nichts, zumal die Bahnstrecke durch das Tal schon 1980 für den Personenverkehr geschlossen und 2018 endgültig aufgelassen wurde. Zu den morgendlichen und abendlichen Stoßzeiten staut sich auf der Nationalstraße N 59, die auch eine wichtige Transitroute über die Vogesen ist, der Verkehr. Vor allem der Ort Chatenois am Eingang des Tales, wo mehrere Verkehrsströme zusammenfließen, ist ein berüchtigtes Nadelöhr.
Um den Engpass zu entschärfen, wurde 2019 mit dem Bau einer etwa fünf Kilometer langen Ortsumgehung begonnen. Dieses Jahr sollte sie fertig werden, doch leider hatten die verkehrsgeplagten Einwohner von Chatenois und die Pendler im Tal ihre Rechnung ohne die Aktivisten von Alsace Nature gemacht, einer regional einflussreichen Umwelt-Vereinigung.
Wut auf die Naturschützer
Weil bei der Planung der Straße (Kosten 60 Millionen Euro, kofinanziert auch von der EU) gegen Naturschutzrecht verstoßen worden sei, zogen die Naturfreunde vor das Straßburger Verwaltungsgericht – und bekamen Recht. Das Gericht – auch in Frankreich ist die aus gutsituierten Intellektuellen zusammengesetzte Justiz mittlerweile reichlich grün durchwirkt – verfügte im Mai einen Baustopp.
Seither ruhen die Arbeiten, die Baufahrzeuge wurden abgezogen. Dabei war die Trasse mehr oder weniger fertig, eigentlich fehlte nur noch die Asphaltdecke. Und der Verkehr quält sich bis auf Weiteres weiter durch Chatenois und gefährdet die Bürger mit Staub, Abgasen und Lärm. Die Wut auf die Naturschützer ist groß, in Kommentaren in sozialen Medien ist von „Grünen Khmer“ die Rede, denen das Wohl der Menschen egal sei.
Ein von einem Berufungsgericht in Nancy initiierter Vergleich scheiterte am Widerstand der Funktionäre von Alsace Nature. Mittlerweile scheinen die Fronten verhärtet. Allein die Einstellung der Bauarbeiten schlug lokalen Presseberichten zufolge mit einer Million Euro zu Buche, jeden Monat fallen weitere 250.000 Euro Kosten an. Der Pyrrhussieg der Naturschützer hat den Steuerzahler bereits fast zwei Millionen Euro gekostet. Mit diesem Geld hätte man viele Amphibientümpel als Ersatz für verlorengegangene Feuchtgebiete im Verlauf der Trasse angelegen und viele, viele Kilometer Krötenzäune bauen können.
Dem Zeitgeist eine kulinarische Note abgewinnen
Um einen Pyrrhussieg handelt es sich deswegen, weil den meisten Bürgern nur schwer zu vermitteln sein dürfte, warum eine schon beinahe fertiggestellte, dringend benötigte Straße nicht zügig zu Ende gebaut wird. Die Schäden an der Natur sind, wenn man so will, ja bereits entstanden, und wenn man den Behörden Glauben schenkt, wurden bereits zwei Millionen Euro für ökologische Ausgleichsmaßnahmen ausgegeben. Es kann also vonseiten der Umweltschützer nur darum gehen, noch mehr Geld herauszuschlagen, wobei die Effizienz kompensatorischer Maßnahmen zum Ausgleich infrastruktureller Eingriffe oft zu wünschen übriglässt.
Immer mehr Menschen – auch in Deutschland – sind mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass die traditionellen Ökoverbände eine Politik vertreten, die die Natur und deren „Bedürfnisse“ absolut setzt und das Wohl der Menschen, die ja auch Teil der Natur sind, aus den Augen verloren hat. Oder wie kann man sich sonst erklären, dass deutsche Umweltorganisationen bereit sind, für den „Klimaschutz“ und den Ausbau der Windkraft in Wäldern hunderttausende von Bäumen abzuholzen, die doch angeblich so wichtig sind, um dem Klimawandel beizukommen.
So wird Glaubwürdigkeitskapital verspielt, das die Umweltbewegung in Jahrzehnten angehäuft hat. Und irgendwann wird eine Mehrheit solcherlei ökologischer Arroganz dermaßen überdrüssig sein, dass auch sinnvolle und nachvollziehbare Maßnahmen zum Schutz der Umwelt in Verruf geraten könnten. Oder sympathische Restaurants, die dem ökologischen Zeitgeist, durchaus mit Herzblut, eine kulinarische Note abzugewinnen versuchen.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.