Die „Toskana-Fraktion“ der Sozen wusste noch gut zu speisen, auch wenn der Brioni-Kanzler beizeiten gern zur proletarischen Currywurst griff. Heute bestimmen verhärmte Linke mit Veganismusfimmel die Szene. Da ist man für eine Sahra Wagenknecht, die beim Hummer-Mahl ertappt wird, doch geradezu dankbar.
Sie ließen es noch krachen, die Angehörigen der „Toskana-Fraktion“. Überzeugte Hedonisten, die sie waren, ließen es sich die wohl bestallten roten und rotgrünen Genossen gut gehen in ihren italienischen Refugien. Vormitttags ein später Caffé auf der Piazza, dann am Pool unter Zypressen ein wenig in der Marx-Engels-Gesamtausgabe schmökern, um zu wissen, was man der arbeitenden Klasse schuldig ist, und abends ausgiebig tafeln am rohen Bauerntisch auf edlem Terracotta-Fußboden mit Blick aufs Mittelmeer.
Auf den Tellern landete alles, was das schöne Land hergab, bevor es von der Klimakrise verwüstet wurde: Wildschweinragout mit Polenta, Bistecca alla fiorentina, Salsiccia und luftgetrockneten Schinken, weiße Bohnen, Fisch. Und Wein nicht zu vergessen. Damals standen die „Super-Toskaner“ hoch im Kurs, roten Bordeaux-Weinen nachempfundene, teuren Verschnitte mit Fantasienamen wie Ornellaia oder Sassicaia, bei deren Genuss es sich über Einschränkungen für andere besonders gut nachsinnen lässt.
Unter den Edel-Sozen und Edel-Ökos sah man Zelebritäten wie den grünen Terroristenanwalt Otto Schily (später SPD-Innenminister mit ausgeprägten Law-and-Order-Ambitionen), der ein Landgut bei Siena besitzt, Oskar Lafontaine mit seiner Vorliebe für den kleinen, aber feinen Ort Capannori bei Lucca oder dern SPD-Ober-Intellektuellen Peter Glotz, der oft im malerischen Castiglion Fiorentino bei Arezzo gesichtet worden sein soll.
Brioni-Kanzler mit Neigung zur Currywurst
Joseph Martin (Joschka) Fischer nicht zu vergessen, den es ebenfalls nach Siena zog, wenn er nicht das „Ristorante Nr.16“ in Frankfurt am Main beehrte, gegründet 1977 von dem sardischen Ehepaar Luigi und Luana Cavallaro und heute, nach einem Ortswechsel innerhalb Frankfurt-Bornheims, unter Leitung ihrer Kinder.
Hier gibt es Rigatoni Murdega mit einer würzigen Sauce, die unter anderem aus Lammfleisch, Zwiebeln, Knoblauch, Karotten, getrockneten Tomaten und Lorbeerblättern besteht. Anders als die italienische Festlandsküche ist die sardische Küche fleischlastig. Damals noch kein Problem, vor allem nicht für den in der Frankfurter Stadtguerilla aktiven Metzgerssohn Fischer, dem das blutige Handwerk des Vaters den Appetit auf Fleisch und Randale augenscheinlich nicht verschlagen hatte.
Unter Gerhard Schröder kam die „Currywurst-Linke“ zum Zug, was unter anderem mit Schröders prekärer Herkunft zu tun hat. Da ging es schon etwas proletarischer zu, zumindest in der Außendarstellung, wobei Brioni-Schröder seine einstigen Verbindungen zur Toskanafraktion nicht ganz verleugnen konnte. Auf jeden Fall war es deutlich volksnäher, sich an der Imbissbude im schmuddeligen Berlin schnell „ne“ Currywurst reinzuziehen. Auch näher am sich bald abzeichnenden wirtschaftlichen Abstieg. Doch immerhin kam noch Fleisch auf den Tisch bzw. den Pappteller.
Gewaltlos und vegan
Nunmehr ist die Linke oder das, was von ihr übriggeblieben ist, beim Veganismus angelangt – die Ausschweifungen von einst sind Geschichte, man übt sich in sozialistischer Askese. Wie das konkret aussieht, lässt sich in einem jüngst in der taz erschienenen Interview studieren, das die Zeitung mit einer gewissen Didem Aydurmus führte. Die 39 Jahre alte Berlinerin wird als Mitglied im Parteivorstand der Linken vorgestellt, promovierte „Klimapolitikwissenschaftlerin und freiberufliche Dozentin“ und angeblich einzige „vegane Person“, die für einen Listenplatz fürs EU-Parlament kandidiert.
Die Dame macht auf dem Foto einen etwas verhärmten Eindruck. Vielleicht setzt ihr die vegane Mangelernährung zu. Veganismus, sagt sie, sei für sie „eine politische Philosophie, die sich aus verschiedenen Gerechtigkeitsbewegungen heraus entwickelt hat“. Damit seien nicht nur die Menschen im globalen Süden gemeint, „die unter unserer industriellen Landwirtschaft unheimlich leiden“. Sondern „auch Lebewesen von anderen Spezien“.
„Tatsächlich ist da unser Wahlprogramm total schön“, quasselt Frau Aydurmus im Baerbock-Stil drauflos. Nach ihren Vorstellungen soll es gewaltlos zugehen auf der Welt und zwischen allen Spezien. Etwa so gewaltlos, wie jene grünen Kriegsdienstverweigerer, die, wenn es gegen die richtigen geht, gar nicht genug bekommen können von Waffen und vom Töten. Vor den Spruchkammern der Kreiswehrersatzämter, die einmal potentielle Kriegsdienstverweigerer auf Herz und Nieren prüften, kam man übrigens nicht durch mit der Unterscheidung vom gerechten und ungerechten Krieg.
Beim Hummeressen erwischt
Ob sich die Schönheit des Wahlprogramms der Linken für die Europawahlen 2024 angemessen wird entfalten können, darf angesichts der Spaltung der Partei und der aktuellen Krise des rotgrünen bzw. rotgrüngelben Projektes bezweifelt werden. Falls Sahra Wagenknecht mit ihrer neuen Partei reüssieren würde, wäre es mit der Enthaltsamkeit bald wieder vorbei, schließlich ist die Wiedergängerin von Rosa Luxemburg die Ehefrau des bekennenden Feinschmeckers Oskar Lafontaine.
Dass sie einmal in einem elsässischen Luxusrestaurant beim Hummeressen fotografiert wurde, spricht eindeutig für sie. Dass sie, damals noch Europa-Abgeordnete, dafür sorgte, dass die Fotos alsbald vernichtet wurden, ebenfalls. Die Inkonsequenzen der „gauche caviar“, wie man in Frankreich Linke nennt, die den Sozialismus predigen und selbst einen großbürgerlich-luxuriösen Lebensstil pflegen, sind allemal appetitlicher als linke Fleischverächter mit schlechtem Teint.
Das Einzige, was gegen vegane Blutarmut hilft, ist, neben Hummer, eine Bistecca alla fiorentina, ein riesengroßes Stück vom Chianina-Rind, mindestens drei bis vier Finger dick und mehr als ein Kilo schwer, das über einem Holzkohlen-Höllenfeuer gegrillt wird. Puristen lassen nichts außer ein wenig Salz und Olivenöl an ihr Steak. Dazu ebenfalls gegrillte Tomaten, etwas Rucola und Brot.
Dann kann sie kommen, die Revolution!
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.