Thilo Schneider / 11.01.2022 / 12:00 / Foto: Timo Raab / 74 / Seite ausdrucken

Bummeln erlaubt, Spazierengehen verboten

Ein Schaufensterbummel mit dem Schatz durch die Fußgängerzone, und das am Montagabend – das sieht für die Staatsmacht verdächtig nach einem Spaziergang von Coronaleugnern aus.

Gut, ich gebe zu, dass der Zeitpunkt „Montagabend“ jetzt auch etwas unglücklich gewählt war, um mit dem Schatz einen Schaufensterbummel durch die Fußgängerzone zu machen, aber erstens hatte der Schatz eben nur an diesem Abend frei und zweitens darf der Schatz, so als ungeimpfter Schatz, sich maximal die Nase an den Schaufenstern plattdrücken und kann sich nicht einmal einen Döner kaufen, was so einen Bummel – nennen wir es – „kostenentspannt“ macht. Wir alle sollen ja Ressourcen schonen und für Geld, das wir nicht ausgeben, muss schon kein neues nachgedruckt werden.

Wir waren gerade am „Beklopptenburg“, dem sympathischen Texdealer aus Bangladesch mit seiner Ware aus 100% liebevoller Kinderarbeit vorbei und wollten Richtung Theater nebst Rathaus, als sich von einem Polizeibus, der mitten auf der Kreuzung zum Büro des Stadtsheriffs stand, ein vorschriftsmäßig mit Helm, Schlagstock und Handschellen gekleideter Beamter näherte. Oder eine Beamtin, ich bin nicht sicher. Man kann in der Montur keine Brüste erkennen. Und ich weiß ja auch nicht, was er/sie/es sich selbst für Pronomen gab.

„Was machen Sie da?“, fragte er oder sie mit einer Stimme, die mich des Geschlechts immer noch unsicher sein ließen. „Guten Abend“, hub ich an, um mit einer Begrüßung meine Sozialkompetenz unter Beweis zu stellen, „wir gehen spazieren!“ „Soso“, stelle das Verbeamtete fest, „Spazieren also. Sie wissen, dass Zusammenkünfte ab zehn Personen verboten sind?“ Ich muss etwas verblüfft ausgesehen haben. Ich deutete mit dem Zeigefinger zuerst auf den Schatz, dann auf mich. „Eins, Zwei“, zählte ich durch. Und stellte mathematisch korrekt fest: „Wir sind keine zehn Personen.“

Spaziergänger – oder Coronaleugner und Impfgegner?

„Nun werden Sie mal nicht frech!“, herrschte mich das Grab meiner Steuergelder an. „Sie sind also keine Impfgegner?“ „Ich nicht, ich bin geimpft, gebenedeit und gesalbt. Aber meine Frau da, die ist nur gesund!“, gab ich mit einer Kopfbewegung Richtung an meinem Arm hängenden Schatz bereitwillig erneut Auskunft. Immerhin war das ja ein Verbeamtetes, da darf man nicht frech sein, da muss man Respekt haben und die Wahrheit sagen, so habe ich das mal in den 70ern gelernt. Außerdem legt man sich lieber nicht mit Leuten an, die einen Schlagstock oder eine Schusswaffe oder beides tragen. Das kann böse enden.

„Du bist so ein Arsch“, schaltete sich der Schatz ein. „Meinen Sie mich?“, fragte das Uniformierte nach. „Nein, den geimpften Zwerg da“ – diesmal machte sie eine Kopfbewegung in meine Richtung. Ich setzte an, um den Schatz über Ausdrucksformen in der Öffentlichkeit und den Respekt vor der Polizei zu belehren, aber die Staatsmacht schaltete sich dazwischen, diesmal an den Schatz gewandt: „Leben Sie in einem Haushalt zusammen?“ „Ja, leider“, knurrte der Schatz, „aber wenn er so weiter macht, dann nicht mehr lange.“ „Ich stelle fest:“, konstatierte das Polizeiende, „Sie sind ein Paar, von denen einer geimpft und einer ungeimpft ist…“ „Ja genau“, quakte ich dazwischen, „…lassen Sie mich ausreden! Und Sie behaupten, Sie gingen hier nur spazieren.“ „Ja“, antworteten wir beide brav im Chor.

„Soso“, sosote die Staatsmacht erneut. „Können wir jetzt weiter?“, wollte ich wissen. „Wir wollen hoch zum Theaterplatz.“ „Soso“, nahm der Scherge der Innenministerin schon wieder zweisilbig Kenntnis von meiner Auskunft. „Jaja, soso“, gab ich, vielleicht jetzt nicht ganz so respektvoll zurück, aber ich will ja Menschen auch da abholen, wo sie stehen. In diesem speziellen Fall vor einem Polizeibus auf der Kreuzung zu Rathaus und Theaterplatz. Das Beamtete stemmte beide Arme in die Hüfte. Also in seine, nicht in meine oder die vom Schatz. „Ich sage Ihnen jetzt mal was: Sie sind gar keine Spaziergänger. Sie sind Demonstranten, Coronaleugner, Querdenker, Impfgegner und Rechtsradikale!“ „Aber ich bin doch geimpft“, wendete ich ein. „Ach ja? Dann zeigen Sie mal Ihr Zertifikat!“, forderte mich mein Gegenüber auf. „Das geht nicht, der Akku vom Handy ist leer“, sagte ich – und das stimmte wirklich. Ich hatte es vergessen zu laden, aber nachdem der Schatz ja neben mir stand, musste ich ja nicht stand-by für seine WhatsApp-Nachrichten sein. Deswegen hatte ich das verbummelt. 

Gesellschaftlicher Abschaum in Chino-Hosen

„Dann endet dieser…“, das Polizeiende malte mit beiden behandschuhten Händen Anführungszeichen in die Luft, „…,Spaziergang' für Sie beide heute hier und jetzt.“ Gut, vom Grunde her wäre mir das egal gewesen, am Theaterplatz gibt es nur wenige Geschäfte mit ausländischer Feinkost, aber das sah jetzt schwer nach Platzverweis aus. Und das alles nur, weil der Schatz ungeimpft war (und ist) und mein Handyakku leer war und wir beide damit im Verdacht standen, rechtsradikale, coronaleugnende, querdenkende, impfgegnerische Demonstranten zu sein. Gesellschaftlicher Abschaum in Chino-Hosen, sozusagen.

„Wir haben Bürgerrechte“, maunzte der Schatz und versuchte, sich trotz seiner Größe hinter mir zu verstecken. Das klappte aber nur bedingt, weil der Schatz größer als ich ist. „Aber nicht bei mir“, konterte die Allmacht, „…und nicht heute Abend!“ „Aber sie hat nur heute frei“, versuchte ich einen, zugegeben, sehr weichen Protest mit einem sehr schwachen Argument. „Das ist mir egal“, antwortete das Beamtete ruppig und rücksichtslos gegenüber den Arbeitszeiten vom Schatz.

Ich machte tapfer den Rücken gerade und schaute meinem Kontrahenten so scharf, wie mir das unter der Brille möglich war, in die Augen. „Na gut – Sie haben es nicht anders gewollt! Dann gehen wir eben woanders bummeln! Die Einzelhändler am Theaterplatz sagen Danke!“, schleuderte ich ihm entgegen. „Ach, sie gehen gar nicht spazieren? Sie bummeln nur?“, fragte das Polizei verblüfft nach. „Ja, wir bummeln nur“, echote der Schatz geistesgegenwärtig. „Achsoso, das ist natürlich etwas anderes“, wechselte unser Vorposten plötzlich den Ton, „dann gehen Sie durch. Bummeln dürfen Sie selbstverständlich – aber gehen Sie NICHT spazieren, hören Sie?“

Wir hörten und bummelten zum Theaterplatz, wo die anderen Herumbummler standen…

(Weitere Bummeleien des Autors gibt´s unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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Leserpost

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Stefan Schlepphorst / 11.01.2022

Ich hoffe doch mal sehr, dass es sich bei diesem Beitrag um Satire und der geschilderte Sachverhalt reiner Fiktion entsprungen ist? Zwar habe ich meinem Vaterland aufgrund der Corona-Regime geschuldeten Frustration den Rücken gekehrt. Sollte diese Anekdote aber auch nur zu 50% der Wahrheit entsprechen, haben sich die Dinge ja noch wesentlich schneller und hässlicher zum Bösen gewandt, als ich Deutschland zugetraut hätte. Übrigens, bedingt durch Schreibstil und Vokabular trotz des traurigen Inhaltes höchst amüsant, wie immer eigentlich, bei Herrn Schneider. Ich weiß schon, warum ich seine Beiträge hier als meine Favorisierten bezeichne. Well done!

Leo Hohensee / 11.01.2022

Da leckst mi doch am ......... ! Sind wir alle denn nur noch bescheuert?! Wir - gestern (Kölner Umland) - waren zwar polizei-begleitet, wurden auch vom Einsatzwagen aus gefilmt, aber alles war ruhig, alles war friedlich. Die Gruppe, war klein, so gegen hundert Leute. Die Kerzen (weiße für ungeimpft, rote für geimpft) wurden vor dem Rathaus auf einer Sockelmauer abgestellt. Noch hatten die letzten den Platz nicht verlassen, hat ein Stadtbediensteter die Kerzen schon gelöscht. - Brandgefahr - weit und breit war nichts entflammbares vorhanden, nichts leicht entflammbares und nichts schwer entflammbares - vielleicht wollte der Mann ja auch nur nach Hause .... jedenfalls war alles friedlich und “der rechte Rand” war nur räumlich rechts. Wobei - da möchte ich darauf hinweisen, dass heute alles was zu tun hat mit erhalten, bewahren, beschützen, pflegen und Verantwortung übernehmen, rechnen und bilanzieren ja rechts ist! Also rechnen und bilanzieren sind extrem rechts! 

Gerhard Schmidt / 11.01.2022

Der Beitrag ist zum Lachen zu ernst, denn er zeigt: Wir sind wieder genau dort, wo wir vor 77 Jahren hart gelandet sind….

Thomas Müller / 11.01.2022

Ich weiß etwas, das bald neu geframed und sozusagen verboten wird: Bummeln!

Marc Jenal / 11.01.2022

Toll wenn man so vorbildlich freundlich ist, wie der Schatz und sein Schneider. Ich empfinde Bedauern für all die pflicht- und aufgabenbewussten, wertvollen Polizeienden, welche unter all den Menschen nachhaltig die rechtsradikalen Querulanten mühsam aussortieren und deren Grundrechte beschneiden müssen. Nur schon wenn sie mitgebrachte, kindliche Schutzschilder mit Pfefferspray einnebeln, wird ihnen schon fast subtil der Vorwurf von unverhältnismässiger Polizeigewalt gemacht. Ich bin der Meinung man kann diesen vorbildlichen Beamtenden die Arbeit erleichtern. Wie wäre es wenn jede sich im Freien bewegende Person direkt mit der Impfdatenbank verknüpfen und automatisch per Handy ein Signal aussenden muss. Wer also geimpft bummelt, kann unbehelligt weiterbummeln, wer umgeimpft rechtsradikal spaziert oder fackelzügt, wird automatisch enttarnt und erhält automatisch ein entsprechend hohes Bussgeld, samt Platzverweis, zuerst 1 Jahr, im Wiederholungsfall 10 Jahre. Falls die Elektronik mal nicht funktioniert, wäre natürlich ein analoges Signal besser, wie das Aufnähen von einer Spritze bzw. einer durchgestrichenen Spritze. Aber Achtung! Solches wird nur den Falschen in die Hände spielen! Die würden das dann absichtlich falsch verstehen und einen Bezug zur Tragepflicht früherer Aufnäher einzelner Personengruppen herstellen. Deshalb bleibt man besser bei der digitalen Version. Entsprechende Programme und Anregungen erhält man sicher von chinesischen Partnerländern. Wenn das Corona-Thema durch ist, kann man dieses Programm wenigstens auf weitere Gruppen zur Umerziehung anwenden. Wir schaffen das.

A. Ostrovsky / 11.01.2022

Ich persönlich meide den Theaterplatz. Wegen dem Theater dort. Laufend irgendwelches Theater.  Aber am Bahnhofsvorplatz ist es auch nicht besser. Und hinter dem Bahnhof sind die Gleise, wo man sich auch nicht aufhalten darf. Nur vor der Staatskanzlei ist es noch erträglich, dahinter allerdings nicht, wenn man nichts kaufen will. Man fühlt sich dort irgendwie genötigt, doch etwas zu kaufen, aber die Taschen fest zuknöpfen, reicht nicht mehr.

Jörg Themlitz / 11.01.2022

Nach dem Aufstehen schalte ich immer kurz meine 2 Meter LCD Wand an, um Wetterbericht zu schauen. Die letzte Sendung die nur wenig grün sozialistischen Müll in mein Zimmer spült. Leider eine Minute zu früh angeschaltet. So durfte ich noch erfahren, dass es sich bei Menschen die mit einer Kerze in der Hand durch ihre eigene Stadt, die von ihnen finanzierte Stadt, spazieren, es sich um “sogenannte [sic] Spaziergänger” handelt. Die dann unter dem Begriff Nazis, meint alle Menschen rechts von Frau Merkel, subsumiert werden. Im Gegensatz zu die Nazi, also die Nationalsozialisten, die es bis 1945 gab. Anderseits sind Menschen die fremde Türen und Tore aufbrechen, in Betriebe und Bauernhöfe einbrechen, dort randalieren, Feuer legen, zerstören, vollschmieren, Aktivisten, Umweltaktivisten. Sprache wandelt sich. Ist jetzt Aktivist der Oberbegriff für Kriminelle?

Belo Zibé / 11.01.2022

Ich tippe bei dems Beamt*in auf   Es vom Über -Ich aus Berlin ,Schdurgert oder Minga,  Sie wissen schon, die von den sozialen Normen, Werten, Gehorsam, Moral und Gemeinschaftsstandards .

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