Achgut.tv / 10.09.2018 / 06:29 / 84 / Seite ausdrucken

Broders Spiegel: Generalverdacht Ost

In Chemnitz ist ein Mann getötet worden, ein Bürger dieser Stadt. Getötet haben ihn Asylbewerber. Weil es nicht die erste Gewalttat war, gehen Chemnitzer auf die Straße: Trauernde, wütende Bürger, örtliche Hooligans, Rechtsextreme und für Letztere auch Gegendemonstranten. Die Medien interessieren sich nur für die letzten Gruppen und manche auswärtigen Journalisten beschreiben die Zustände in der Stadt so, als würden sie aus einem afrikanischen Bürgerkriegsgebiet berichten.

In Sachsen, manchmal auch im gesamten Osten, würden sich wieder Rassisten und Nazis tummeln. In Chemnitz gebe es Hetzjagden gegen Ausländer. Ein grüner Politiker forderte gar: Kauft nicht bei Sachsen! Nicht nur der getötete Chemnitzer spielte kaum noch eine Rolle, auch die sonst allfällige Warnung vor einem Generalverdacht schien im Falle der Sachsen oder auch der Ossis völlig vergessen.

Ja, es gibt in Chemnitz eine Nazi-Szene und es waren grölende und bedrohliche Gruppen auf der Straße. Aber unterscheidet man sonst nicht auch immer zwischen den friedlichen und den gewaltbereiten Demonstranten? Warum nicht hier? Manchmal war die Berichterstattung auch äußerst kurios, denn etliche Interviews mit Chemnitzern auf der Straße, die eigentlich deren rechte Gesinnung belegen sollten, waren vielleicht zuweilen sprachlich schwer verständlich aber inhaltlich vollkommen in Ordnung.

Und dann der Streit um diese eine Videosequenz, die die „Hetzjagd“ beweisen sollte. Man sieht dort einen Mann laufen und ein anderer rennt hinterher. Was soll die Aufnahme beweisen? Einen Beleg-Wert hat sie nicht, egal wie echt sie ist. Vor allem aber ist es interessant, auf welche Quellen ARD und ZDF ihre Sicht auf die Ereignisse stützen: „Antifa-Zeckenbiss“! Das soll eine glaubwürdige Quelle sein? Mag das Video selbst völlig authentisch sein, der Gebrauch dieser Sequenz ist Propaganda.

Aber absolut irre ist, dass die Bundeskanzlerin und ihr Regierungssprecher erst vollmundige Interpretationen verbreiten und danach die Diskussion für beendet erklären. Sind wir hier auf einem Gutshof? Eine Kanzlerin kann doch nicht eine Debatte für beendet erklären? Tröstlich ist nur, dass jede offiziell für beendet erklärte Debatte meist umso heftiger fortgeführt wird.

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Werner Arning / 10.09.2018

Zweierlei Gründe mag es geben, die verstehen lassen, warum jemand eine Debatte für beendet erklärt. Eltern erklären eine Debatte mit ihren Kindern dann für beendet, wenn sie spüren, es geht dem Kind nur darum, sich aufsässig zu zeigen und nicht um die Sache selbst. Dann geschieht das Beenden der Debatte aus einer Position der Autorität heraus, die Eltern gegenüber ihren Kindern ja auch innehaben. Der andere Grund kann Unsicherheit sein. Jemand, der erkannt hat, dass er falsch liegt, der sich nicht zu helfen weiß, seinen falschen Standpunkt jedoch nicht zugeben will, erklärt in einer solchen Situation ebenfalls gerne eine Debatte als für beendet. Das ist aus seiner Sicht verständlich. Er tut dieses kraft einer tatsächlichen oder eingebildeten Autorität. Weitere Diskussionen würden nur noch mehr offenbaren, wie falsch er liegt. Er hat an einer Vertiefung der Diskussion kein Interesse. Als Oliver Bierhoff die Diskussion um Özil für beendet erklärte, mag dieser Fall vorgelegen haben. Welche der beiden Möglichkeiten trifft nun auf Frau Merkel und Herrn Seibert zu? Fühlen sie sich in einer uns gegenüber elterlichen Rolle, die ihnen erlaubt eine unsinnige Diskussion für beendet zu erklären, oder ist es eher die Gewissheit falsch zu liegen, die sie dazu treibt?

Enrique Mechau / 10.09.2018

Die vorzeitige Beendigung der Diskussion durch die Kanzlerin und Ihren Sprecher - wieso braucht diese Dame eigentlich einen Ausrufer? - war doch auch in der DDR gehabte Praxix. Maul halten, abtreten!

Karl Napp / 10.09.2018

“Sie verachten einander und schmeicheln (doch) einander; sie wollen einander den Rang ablaufen und kriechen doch voreinander.” Die, welche Marc Aurel damit meint, werden es genauso halten wenn der Wind gedreht hat. Auch dann sitzen kritische Leute wieder zwischen den Stühlen. Die Heuchelei ist unausrottbar, solange das Heucheln Vorteile zeitigt, fürchte ich.

Dietrich Herrmann / 10.09.2018

Bin immer noch gespannt, wann Merkel, wie versprochen, nach Chemnitz reist und was dann dort abgeht. Oder fährt die lieber nochmal nach Paris den Macron anmachen und beschmusen.

Marc Greiner / 10.09.2018

Lieber Hr. Broder, jetzt ist ja in einer anderen Stadt in Sachsen wieder jemand gestorben worden, gleiche Konstellation wie in Chemnitz. Das “witzige” daran ist, dass anscheinend der junge Mann an Herzversagen gestorben sei. Sie mögen sich sicher noch daran erinnern wie ein Regierungsmitglied- war es Steinmeier - der über eine deutsche Geisel in Afghanistan(?) gesagt hatte, er sei an den “Strapazen” gestorben. Das haben Sie ja damals auch gut zur Sprache gebracht. Ich denke hier sind klar parallelen erkennbar. Ich behaupte mal, auch ohne medizinische Ausbildung, der junge Mann hätte ohne die vielen Tritte gegen seinen Kopf und den Messerstichen viel länger gelebt, auch mit einem schwachen Herzen. Aber es gibt auch etwas was “gegen” diesen jungen Mann spricht: Sein Bruder soll ein Nazi sein. Na dann hat es ja fast den richtigen erwischt dieses Mal?! Machen Sie was daraus, Sie können das viel besser. Es stirbt sich zu leicht in letzter Zeit.

Walter Knoch / 10.09.2018

Am Schluss spricht Broder den “Schlussstrich” an, der gefordert wurde. Das regt mich zu einem Statement an. Wir, Volksschüler, 8. Klasse, hatten einen Lehrer, schuldig, er war Soldat, gewesen, Wehrmacht, Afrikaeinsatz unter Rommel, krank zurückgekommen, Malaria. Er der Schuldige, er war ja in der Wehrmacht gewesen und hat nicht die Alternative gewählt, die ich nicht beschreiben will, wagte es uns Buben, wir waren eine reine Bubenklasse, folgendes zu sagen: Ihr könnt an der Vergangenheit nichts mehr ändern. Aber ihr müsst alles tun, dass Ähnliches nicht wieder geschieht.” Seine Worte, in meinem Dialekt gesprochen, haben mich ein Leben lang dazu angeregt, gegen Totalitäre Ideologien, Ideologen, Herrschaftsansprüche anzugehen. Auch wenn diese Herrschaftsansprüche beispielsweise unter dem Deckmantel einer nicht so ganz kleinen Religion einhergehen. Heute, nein, seit längerem, habe ich den Eindruck, dass die monströsen Nazi-Verbrechen als Betondecke gebraucht werden, unter dem alles andere Unrecht, als minderes Unrecht, begraben werden soll. Alles gegen die Nazis, alles, aber auch alles gegen eine Instrumentalisierung zum Zwecke der Verdeckung.  

Horst Faber / 10.09.2018

Schon wieder ein Einzelfall, könnten man meinen. Das ist natürlich nicht richtig und zwar auf zwei Ebenen. Das Tötungsdelikt als solches ist die eine Ebene, die andere ist, dass auch in diesem Fall im Vorfeld hätte abgeschoben werden müssen. Und das ist das eigentliche Problem und das macht den Leuten Sorge. Mehrheitlich polizeibekannte Migranten, die eigentlich schon längst abgeschoben hätten müssen begehen schwerste Straftaten. Es hat etwas mit Staatsversagen zu tun und konterkariert Merkels Spruch von ‘wir schaffen das’. Wenn man bedenkt, dass der Untersuchungsausschuß abgeschmettert wurde und eine Untersuchung quasi aus dem eigenen Saft heraus eine wesentlich geringere Quote an falschen Asylbescheiden ergab, so macht dies nachdenklich/wütend. Ich hab so das Gefühl, dass wir an der Schwelle zu einer Entwicklung stehen die mit Eigendynamik zu beschreiben ist, dass der Staat die Kontrolle verlieren könnte, angesichts des massiven Unmuts innerhalb der Bevölkerung.

Martin Siegemund / 10.09.2018

Das mit der “Basta” Politik hat schonmal einer probiert. Danach hat es nicht mehr lange gedauert. Vielleicht haben wir ja Glück.

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