Wolfram Weimer / 22.06.2013 / 20:23 / 0 / Seite ausdrucken

Brauchen wir noch höhere Steuern?

Die Steuereinahmen sprudeln. Der Fiskus meldet eine Rekordeinahme nach der anderen. Trotzdem fordern SPD, Grüne und Linke im Wahlkampf neue, massive Steuerhöhungen. Warum eigentlich?

So etwas haben die Finanzämter noch nicht erlebt. Von Ravensburg bis Flensburg sprudeln die Steuereinnahmen wie noch nie in Deutschlands Geschichte. Alleine im beschaulichen Ravensburg bringt jeder einzelne Tag 2 Millionen Euro in die Kasse des Finanzamtes, im vergangenen Jahr schon kamen die Beamten mit dem zählen kaum noch nach, ein Plus von 10,4 Prozent wurde verbucht. Und in diesem Jahr sind es noch einmal plus 7 Prozent. Kaum etwas wächst in Deutschland derzeit so rasch wie Steuereinnahmen.

Im Mai waren es deutschlandweit 5,4 Prozent mehr im Vorjahresmonat - trotz der Konjunkturschwäche und einer Wahlkampfdebatte um vermeintlich leere Staatskassen. In Wahrheit sind die Staatskassen so brechend voll wie noch nie. Wie aus dem Monatsbericht des Finanzministeriums hervorgeht, haben Bund, Länder und Gemeinden in den ersten fünf Monaten des Jahres schon 217,8 Milliarden Euro eingenommen – auch das ein Rekord. Alleine die Einnahmen der Lohnsteuer lagen um acht (!) Prozent über dem Vorjahresergebnis.

Lohnsteuersätze zwischen 30 und 50 Prozent sind für weite Kreise des Bürgertums die Regel geworden. Wir haben uns daran gewöhnt, als wäre das normal. Jeden dritten oder gar jeden zweiten Einkommenseuro an den Staat abzuführen, ist freilich alles andere als normal. Historisch betrachtet ist das extrem. Zur Gründerzeit vor 120 Jahren war die Steuerbelastung für Einkommen ungefähr zwanzigmal kleiner als heute – eine Voraussetzung geradezu für Gründerzeiten. Die Miquelsche Steuerrefom von 1892 schuf eine Steuerquote von 0,62 Prozent für kleine Einkommen bis zu einem Spitzensteuersatz von 4 (jawohl, vier) Prozent für Großverdiener. Noch für die Generation unserer Großväter überstieg die Gesamtbelastung an indirekten Steuern die Marke von 5 Prozent nicht. Doch selbst wer den vielbeklagten “Zehnten” aus dem angeblich so düsteren Mittelalter zu zahlen hätte, er wäre heute froh – lumpige 10 Prozent wäre der reinste Steuerdiscount.

Der deutsche Staat aber marschiert immer weiter hinein in die Finanzamtrepublik. Die Einnahmen des Staates werden - laut offizieller Steuerschätzungen - für das Jahr 2017 mit beeindruckenden 704,5 Milliarden Euro Steuereinnahmen erwartet. Das wären etwa 100 Milliarden Euro mehr als 2012. Für das laufende Jahr wird bereits ein Rekordaufkommen von 615,2 Milliarden Euro vorausgesagt. Auch wenn Thomas von Aquin meinte “Steuern sind ein erlaubter Fall von Raub”, so muss der Raub ja nicht gleich zur Plünderung ausarten.

Dass SPD, Grüne und Linke in Anbetracht dieses gewaltigen Steuerbooms nun auch noch weitere Steuererhöhungen anpeilen und im Wahlkampf von einem “armen Staat” schwadronieren, grenzt an eine Groteske. Unser Staat braucht einiges – eine effiziente Verwaltung, eine Abkehr von der Bevormundungslust, ein Ende der Schuldensucht und eine neue Ethik der Solidität. Noch mehr Geld aber braucht er am wenigsten. Kurzum: Wir sollten mehr von den Steuern und weniger von den Steuerzahlern erwarten.

Dass nämlich der Staat mit all den neuen und zusätzlichen und extra erzwungenen Milliarden nie auskommt und obendrein noch Gebirge neuer Schulden aufhäuft, das liegt an seiner Ausgabenmanie. Er ist ein Nimmersatt. Vor 100 Jahren machten die Staatsausgaben 10 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung aus, vor 50 Jahren waren es 30 Prozent, heute nähern wir uns 50 Prozent. Wer jetzt also die Steuern nach dem Steuerrekord weiter erhöhen will, der kann nur ein Ziel haben, und das hat Helmut Kohl dereinst mahnend formuliert: „Bei einer Staatsquote von 50 Prozent beginnt der Sozialismus.“

Zuerst erschienen auf Handelsblatt Online

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Wolfram Weimer / 26.06.2020 / 06:00 / 80

Corona als Kanzlermacher

In der CDU knistert es. Die Kanzlerkandidatur-Frage legt sich wie eine Krimispannung über die Partei. Im Dreikampf und die Merkelnachfolge zwischen Markus Söder, Armin Laschet…/ mehr

Wolfram Weimer / 12.06.2020 / 10:00 / 47

Nichts ist unmöglich: AKK als Bundespräsidentin?

„Das ist die größte Wunderheilung seit Lazarus“, frohlocken CDU-Bundestagsabgeordnete über das Comeback ihrer Partei. Die Union wankte zu Jahresbeginn dem Abgrund entgegen, immer tiefer sackten…/ mehr

Wolfram Weimer / 21.05.2020 / 12:00 / 23

Warren Buffet traut dem Braten nicht

Warren Buffetts Barreserven liegen jetzt bei sagenhaften 137 Milliarden Dollar. Das ist so viel wie das Bruttosozialprodukt der 50 ärmsten Staaten der Welt zusammengenommen –…/ mehr

Wolfram Weimer / 23.04.2020 / 06:10 / 183

Robert Habeck: Die grüne Sonne geht unter

Am 7. März erreichten die Grünen im RTL/n-tv-Trendbarometer noch Zustimmungswerte von 24 Prozent. Monatelang waren sie konstant die zweitstärkste Partei in Deutschland, satte 8 Prozentpunkte betrug der…/ mehr

Wolfram Weimer / 27.02.2020 / 06:11 / 135

Die CDU braucht einen Notarzt

Friedrich Merz tritt an – und er hat vier Trümpfe in der Hand. Erstens führt er die Umfragen nicht nur an. Er liegt seit Monaten…/ mehr

Wolfram Weimer / 22.02.2020 / 06:18 / 19

SPD-Comeback in Hamburg?

Lange hatten die Grünen gehofft. Doch nun zeigen die Umfragen: Die Hamburg-Wahl wird die SPD wohl gewinnen. Es bahnt sich sogar ein bundesweiter Stimmungsumschwung im…/ mehr

Wolfram Weimer / 14.02.2020 / 06:14 / 106

Die CDU sucht den Merkel

„Angela Merkel will Armin Laschet. Die CDU-Basis will Friedrich Merz.“ So fasst ein CDU-Spitzenpolitiker aus der Bundestagsfraktion die K-Debatte in der Union zusammen. Mit dem…/ mehr

Wolfram Weimer / 13.12.2019 / 06:23 / 33

Batterien aus Deutschland? Potzblitz, und es geht doch!

Monatelang war es bloß ein Gerücht: Angeblich verbaut der Technologiekonzern Apple in seinen Kopfhörern “AirPods” deutsche Batterien. In Asien lachte man darüber – die Deutschen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com