Roger Letsch / 15.07.2022 / 12:00 / Foto: Tim Maxeiner / 50 / Seite ausdrucken

Bitte leben Sie weiter, hier gibt es nichts zu fürchten!

Die Art, mit der Politik und Medien auf die lauter werdenden Vorwürfe wegen ihrer fahrlässigen Geld- und Energiepolitik reagieren, ist ein starkes Indiz dafür, dass hier mal wieder berechtigte Kritik als "rechts" beerdigt werden soll.

Die Schlagzeilen lauten „Nur noch 19 Grad im Büro – Wer sich darüber aufregt, ist schlicht dekadent“, „Man kann sich wärmer anziehen. Wichtig ist, dass die Wirtschaft am Laufen bleibt“, „Füllstand sinkt – Deutschlands Gasspeicher werden wieder angezapft“ oder „Monatliche Zahlungen für Gas werden sich verdreifachen, warnt die Netzagentur“ und alle stehen sie gerade im Onlineportal von die Welt. Die hat zwar kein Monopol auf den Panik-Knopf, alle Medien klingen heute so oder noch schlimmer – und das aus Gründen.

Doch ist es ausgerechnet Die Welt, in der auch folgende Schlagzeile zu finden ist: „Wie Neonazis und Verschwörungsideologen Energiekrise und Inflation für sich nutzen“. Das macht neugierig und während ich den Artikel lese, blendet mir die Werbeabteilung der Welt Baumarktwerbung für ein Notstromaggregat ein, obwohl ich, der Cookie-Gott im Digitalhimmel sei mein Zeuge, seit Menschengedenken nicht nach sowas gesucht habe.

Das ist natürlich reiner Zufall, und hat nichts mit gar nichts zu tun. Aber zurück zum Artikel, denn ich erwartete von grimmigen Reichsbürgerpreppern zu lesen, die sich im Kyffhäuser verschanzen, nachdem sie den Markt für Notfallrationen leergekauft haben. Pustekuchen! Zu Preppern möchte uns die Bundesregierung selbst ja seit kurzer Zeit machen und die Empfehlung an Firmen, sich mit Notstromaggregaten einzudecken, stammt ebenfalls nicht vom Sturmbannfähnlein Fieselschweif, sondern von offizieller Stelle. Was also sagen oder tun die Neonazis wirklich, um sich das Missfallen der Welt-Autorin Diana Pieper zuzuziehen?

„Mit Warnungen vor einem „Energie-Lockdown“ heizen Rechtsextreme und Vordenker aus dem „Querdenker“-Milieu Abstiegsängste an – und instrumentalisieren Frust über steigende Preise. Dabei nutzen sie Netzwerke aus der Zeit der Corona-Proteste.“

Zieh den Pullover an und halt die Klappe.

Immerhin Heizung, möchte man sarkastisch anmerken. Doch bin ich mir sicher, dass nicht nur Rechtsextremisten die Duschempfehlungen des Wirtschaftsministers, die Ankündigung weiter galoppierender Gaspreise oder die gestiegenen Benzin- und Lebensmittelkosten nur so mittelgut finden. Das Problem ist: Wie unterscheidet man einen in die Pleite getriebenen Springerstiefelträger von einem ruinierten SPD-Wähler, wenn beide an derselben Tankstelle und hintereinander an der Supermarktkasse stehen?

Wie sieht es wohl aus, wenn der Frust über steigende Preise nicht (oder von den Falschen) instrumentalisiert wird? Für den Kartoffelanbau auf dem heimischen Balkon ist es zu spät und die Ölheizung, die man zugunsten einer modernen und KfW-geförderten Gasheizung rausgerissen hat, kommt durch stummes Verzweifeln auch nicht wieder. Von der „milieugetrieben Abstiegsangst“ ist es in der Presse wohl nur noch ein kleiner Schritt zur Abstiegsphobie, womit man die wie auch immer gestalteten Unmutsäußerungen der Bürger erfolgreich ins Pathologische und Irrationale hinein geframed hätte.

Da kann der Wirtschaftsminister noch so oft bei Lanz zerknirscht auf den dräuenden Winter deuten, keinesfalls darf der Bürger den eigenen lügenden Augen und Ohren trauen und das Gehörte in Frust umwandeln, welcher nach Artikulation drängt. Wisse, Bürgerlein, dass „Rechtsextreme und Vordenker aus dem Querdenker-Milieu“ auch nicht gern frieren wollen. Willst du zu jenen gehören? Nein? Dann zieh den Pullover an und halt die Klappe.

Der sächsische Verfassungsschutz assistiert der Welt auf Nachfrage mit der Feststellung, das Milieu „sei dabei, das politische Kalkül [dieser rechten Gruppen, Anmerkung d. A.], von den sozialen Abstiegsängsten der Bürger zu profitieren“ und die aufs Stichwort wartende Sozialpsychologin ergänzt „Rechtsextreme versuchen, gesellschaftliche Krisen und Spannungslagen für sich zu nutzen“.

Nun habe ich wirklich keinen Schimmer, ob sich angesichts des proklamierten Abstiegs Deutschlands als Industrienation in diesem Augenblick konspirative rechte Kräfte die Hände reiben, dass dies jedoch auf der entgegengesetzten Seite gang und gäbe ist, beweisen die zahlreichen grünen NGO jeden Tag, wenn sie Straßen blockieren und den von ihnen abhängigen Branchen der Sonnenfarmer und Windmüller den Weg in die Subventionskassen des Staates freimachen. Wer sieht sie nicht, die „Spannungslage“ zwischen der guten und der schlechten Energie, die, künstlich erzeugt, dem Selbstbetrug der energetischen Abhängigkeit von Russland erst die Tore geöffnet hat.

Überall Nazis, Querdenker und Leugner

Natürlich, so weiß die Welt, lauert die vermutete Verschwörung dort, wo auch jeder andere Wahnsinn der Postmoderne sein heimeliges Nest hat: in den sozialen Medien. „In vielen Gruppen der verschwörungsideologischen Szene dominieren derzeit die Themen hohe Inflation und Energieknappheit. Praktisch aus Sicht der Szene: Strukturen und Netzwerke sind bereits vorhanden, genauso wie Kommunikationsräume.“

Praktisch aus Sicht der Verunglimpfer: Strukturen und Netzwerke sind auch bereits vorhanden, genauso wie Kommunikationsräume. Überall Nazis, Querdenker und Leugner, mit denen sich Redaktionen, Faktenchecker und NGOs befassen können, bevor es im Herbst wieder ans Boostern der Booster geht. Ob Corona, Klima, Energie oder Inflation… machen Sie sich um Himmels Willen kein eigenes Bild von der Lage und meiden Sie Kommunikationsräume, in denen sie auf Kritik an der Weisheit der Regierenden stoßen könnten. Hieß es bei Großmutter noch sozial einhegend „was sollen denn die Leute denken“, schaltet man heute einen Gang höher und fragt, was denn wohl die Regierung über Sie denken soll, liebe Leser.

Die Welt behauptet, es sei politisches Kalkül der Nazis, von den sozialen Abstiegsängsten der Bürger zu profitieren. Doch das trifft für alle Extremisten zu, ob sie nun links, rechts, religiös oder sonst ideologisch zu verorten sind. Die Angefasstheit, mit der Politik und Medien auf die nun immer lauter werdenden Vorwürfe bezüglich einer geradezu kriminell fahrlässigen Geld- und Energiepolitik in Deutschland reagieren, ist jedoch ein starkes Indiz dafür, dass hier unter einer monströsen Anschuldigung berechtigte Kritik beerdigt werden soll. Ja, so verzweifelt ist man wohl schon, um zu solchen Mitteln zu greifen.

Unterdessen titelt die BILD, Bauministerin Geywitz wünsche sich eine Debatte, ob große Wohnungen dem Klima nicht zu sehr schaden. Na na, liebe Leser, da werden Sie doch wohl nicht kritisch bis blutig in die Debatte grätschen wollen? Jetzt, da Ihnen die WELT die Instrumente gezeigt hat? Das geschieht alles nur zu Ihrem Wohl und wenn Sie daran Schaden nehmen, müssen Sie entweder unsolidarisch oder ein Nazi sein. Und jetzt laden Sie Ihr Elektroauto, essen Ihr Dinkelbrötchen, zahlen Sie Ihre Gasrechnung und spenden Sie für „Demokratie leben“. Aber bitte leise, der Kanzler schläft!

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: Tim Maxeiner

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Christian Feider / 15.07.2022

wann waere in D seit den neunzigern schon einmal anders mit inhaltlicher Kritik an den Regierungen umgegangen worden? ich habe die einzelnen Kapagnen noch im Gedächtniss… insofern nix Neues von der linken “Volxfront”...es bleibt nur abzuwarten,ab welchem Leidensdruck den Normalos diese Stigmatisierung egal werden wird und Sie diese “Politelite” endlich entsorgen und wieder richtig wählen für Deutschland

Wilfried Grün / 15.07.2022

Und habt euch nicht so wenn die drei Nachkriegspläne gegen Deutschland umgesetzt werden.

Wilfried Grün / 15.07.2022

Warum Kritik gegen Klaus Schwab nicht durch die Antisemitismus-Keule geschützt wird bleibt mir im unklaren.

Robert Bauer / 15.07.2022

Kann man sich in Kommunikationsräumen wärmen, wenn’s kalt wird?

Rainer Niersberger / 15.07.2022

Bei mir geht es sogar noch viel weiter. Wenn ich lese, wer hier welchen Artikel verfasst hat, bin ich zu mindestens 99,5 % bereits im Bilde und weiss, was da “inhaltlich” kommt. Ich habe sogar eine gewisse Vorstellung von der Verfasserin dieser Machwerke, weniger optisch, als psychokognitiv und altersmaessig. Was fuer ein Segen, dass sich soviele Piepers unter das Dach des Journalismus begeben und nicht etwa versuchen, sich in der freien Wirtschaft womoeglich messbar den dortigen Herausforderungen zu stellen. Allerdings passt die Qualitaet der Artikel durchaus zum Niveau der Leserschaft, die nicht überfordert werden darf. Im MSJournalismus gelten ähnliche Anforderungsprofile wie in der linksgruenen Politkaste. Denken und Wissen gehoeren nicht dazu, sind vermutlich eher unerwünscht. Offen beibt, welche Aspekte dann noch zur späteren Karriere (in Medien oder Politik) hinzukommen, wobei man (Frau) sich auch dann, nach oder ohne Karriere, immer noch ueber die alten, weissen Maenner beklagen kann.

Dietmar Herrmann / 15.07.2022

Vor etwa einem Jahr war absehbar, daß es in 3 bis 5 Jahren knallen würde. Infolge von Großtaten gewisser Hirnathleten wird es nun in 3 bis 5 Monaten soweit sein. Auch wenn das reinigende Gewitter überfällig ist , bleibt die Tragik (hier ist das Wort ausnahmsweise einmal zutreffend), daß auch die 20 %  Vernünftigen in diesem Land nicht schadlos aus den Ereignissen hervorgehen werden und es noch lange nicht sichergestellt ist, daß die Verursacher auch zur Verantwortung gezogen werden.

Enrique Mechau / 15.07.2022

Das haben Diktaturen so an sich. Meinungen, die nicht denen des Regimes entsprechen werden bestenfalls nur verboten. Besser wird es nicht, wenn man z.B. den neuen selbsterteilten Aufklärungsauftrag des Verfassungsschutzes, der nun zum “STAATSSCHUTZ” mutiert, sieht : Phänomenbereich - “Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates” sieht. In der DDR hieß das “Öffentliche Herabwürdigung der …..”. Ich bin gespannt, wann die ersten Verfahren laufen und Hohenschönhausen wieder eröffnet wird und sich der Verfassungsschutz, der meine garantierten Rechte schützen sollte zur “neuen” STASI wandelt. Die Demokratie in diesem Land hat sowas von abgewirtschaftet, das hätte man noch von wenigen Jahren nicht geglaubt.

Johannes Schuster / 15.07.2022

Ist nicht der der beste “Nazi”, der den “Nazis” den Weg ebnet ? Oder künstlicher gefragt: Wäre, Zeitreisen vorausgesetzt, -  der Finanzminister Olaf Scholz nicht der beste Grund für Hjalmar Schacht gewesen ? War die SPD in Weimar die Planierraupe der SA ? Das sind alles sehr relative Betrachtungen, die die Dinge immer anders erscheinen lassen, als es das Stereotyp gerne hätte. Sollte jemals eine radikale Partei wieder in Deutschland das Maß der Dinge werden, so war die heutige Politik ihre Gebärmutter und das Gör wäre nur die Erbkrankheit. Schließlich hatte auch die NSDAP keine neuen Kindern, sondern die verprellten Gofen der bürgerlichen Parteien übernommen ! Hunger macht die Standarte, wer den Hunger macht, macht die Partei ! Das ist eine gefährliche Logik und vielleicht durchschauen sich die Akteure von heute, daß ihr Versagen durchaus das Potential hätte einen Hitler groß zu machen. Die Angst wäre jene vor sich selbst.

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