Roger Letsch / 01.06.2022 / 06:00 / Foto: Pixabay / 87 / Seite ausdrucken

Im Ernstfall hilft nur Bargeld

Bislang zielte die Politik in der EU auf das Zurückdrängen des Bargelds. Der derzeitige großflächige Ausfall elektronischer Bezahlsysteme zeigt, dass der von staatlicher Überwachung freie Zahlungsverkehr deutlich krisensicherer ist.

Es war einmal in diesem Land zu einer Zeit, als ein Liter Diesel eine Mark kostete. Da trug sich zu, dass ich tanken musste. Vergeblich versuchte ich, meine Karten durch das Lesegerät an der Kasse zu ziehen, die Fehlermeldung war hartnäckig. Auf meine Frage, wie die Tankstelle in solchen Fällen verfahre, verlangte der Kassierer Barzahlung. Meinen Einwand, ich hätte kein Bargeld dabei, bürstete der unfreundliche Herr mit der Bemerkung ab, man müsse immer so viel Bares dabeihaben, wie man mit Karte zu zahlen beabsichtige. Diese Regel hatte er zwar gerade erfunden und es kostete mich einige Zeit, ihn zu überzeugen, ein umständliches Lastschriftformular hervorzukramen.

Sie ahnen es jedoch, liebe Leser, ich will ihnen hier nicht alte Geschichten von defekten Lesegeräten erzählen, sondern die Kurve kriegen zu einer Begebenheit, die wohl viele in den letzten Tagen betroffen hat. Unter anderem meldete der Zahlungsdienstleister Payone Probleme mit der Software von Verifone, und bundesweit funktionierte bei vielen Einzelhändlern und auch an Tankstellen die Zahlung mit EC- und Kreditkarten nicht mehr. „Nur Barzahlung möglich“, hieß es an den Kassen, und der Zettel hing in einigen Geschäften nicht weit weg von einem anderen, mit der Bitte, in Zeiten von Corona aus pandemischen Gründen am besten bargeld- und damit kontaktlos zu zahlen.

Kriminalitätsbekämpfung als Vorwand

Da man jedoch nicht gleichzeitig vorwärts und rückwärts laufen kann, stellt sich die Frage, was die Politik in Deutschland nun eigentlich will. Denn auch in der Presse lesen wir mittlerweile Erstaunliches. Ob durch die bundesweite Störung ausgelöst oder nicht, der Focus gibt Empfehlungen für Notvorräte an Bargeld, die jeder Haushalt anlegen solle! Nicht die erste Empfehlung, sich für Krisensituationen vorzubereiten, wie wir wissen. Ob es nun staatliche Handreichungen wie „Kochen ohne Strom – das Notfallkochbuch“ sind, oder Empfehlungen, die lange Zeit obsolete private Vorratshaltung wieder in Betracht zu ziehen – da ist so einiges, was gerade kippt. Der unvorbereitete Staat, der alles zukunftsfest zu gestalten und im Griff zu haben vorgibt, verlässt sich zunehmend auf die einst verpönten und in die rechte Ecke der Verschwörer gestellten „Prepper“.

Jahrelang hatte die Politik gegen das Bargeld getrommelt. Es sei zu beliebt bei kriminellen Aktivitäten und diene der Steuervermeidung, so hieß es. 2019 wurde der 500-Euro-Schein abgeschafft, was das Verbrechen aber nur milde interessierte. Alles Scheinargumente aus den Propagandakanonen der hochverschuldeten Staaten und Digitaldienstleister. Denn wer wirklich kriminell absahnen will, bedient sich von jeher anderer Mittel als Koffer und Geldboten im kleinen Grenzverkehr. Einen vorläufigen Höhepunkt der Madigmachung des Bargelds erreichten wir 2020 im Corona-Panikmodus, als die bedruckten Baumwollzettel sogar verdächtigt wurden, Träger des Virus zu sein. „Bitte zahlen Sie bargeldlos“, hieß es vielerorts, auch wenn sich Verweise auf das in der Moderne angekommene Schweden – wo die Bargeldabschaffung doch so vorbildlich laufe – aus anderen Gründen gerade nicht anboten.

Zwischen 2016 und 2018 unterstützte die Bundesregierung mit einer halben Million Euro die Initiative „Besser als Bargeld“, die sich gern als „UN basierte Organisation“ bezeichnet. Das kann man tun, wenn man Büros im UN-Gebäude in New York hat. Eine UN-Organisation ist man dann selbstredend noch lange nicht. Wie notleidend eine Initiative sein muss, dass die Bundesregierung ihr Geld (kein Bargeld natürlich) überweisen muss, obwohl zu den Gründern Organisationen wie die Gates-Stiftung, VISA, Citibank und die Ford-Foundation zählen, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Vermutlich weil das erklärte Ziel der „finanziellen Inklusion“ so wunderbar in das merkelsche Wortgeklingel passte. Doch mittlerweile ist wohl auch dem Letzten aufgefallen, dass es vielen Menschen auf dieser Welt nicht am Zugang zu digitalen Finanzdienstleistungen mangelt, sondern schlicht an Einkommen. Oder dass sie darunter leiden, wie viel davon übergriffige Staaten ihren Bürgern wieder aus der Tasche ziehen.

Was nutzen EC-Karten, wenn der Strom ausfällt?

Der Idee der Bargeldabschaffung liegt eine Annahme zugrunde, die sich zunehmend als falsch erweist. Dass nämlich digitale Infrastrukturen prinzipiell besser und vor allem so langlebig und zuverlässig sind, dass man ihnen geradezu blind alle Aspekte der menschlichen Gesellschaft anvertrauen kann. Unterstellte Alternativlosigkeit ist jedoch nicht nur in der Politik eine Gefahr. Und es ist nicht nur die Infrastruktur elektronischer Zahlungen, die anfällig ist. Das Stromnetz selbst ist mittlerweile auf Kante genäht und einem Kunden letztlich egal, ob er aufgrund einer Softwarestörung, der Pleite eines Zahlungsdienstleisters, Internetstörungen oder Stromausfällen nicht tanken oder den Wochenendeinkauf nicht bezahlen kann. Von der Möglichkeit staatlicher Stellen, diese „Stecker“ auch zur Disziplinierung meinungsfreudiger oder renitenter Bürger zu nutzen – sei es nun über Sozialpunktesysteme wie in China oder über behördliche Schikanen – ganz zu schweigen.

Absicht oder nicht, Macht über dich hat, wer die Stecker ziehen kann. Und das sind beim Bargeld nicht viele. Sieht man mal vom Totalausfall einer Währung und Hyperinflation ab, gibt es beim Bargeld keine Möglichkeit, es nach der Ausgabe noch zu beeinflussen. Und keine Zuschauer bei Transaktionen. Denn nur über Bargeld ist es möglich, anonym zu zahlen, ohne dass neugierige Statistiker, Metadatenhändler, Regierungen, Krankenkassen oder Geheimdienste dabei zusehen. Letztlich auch via Blockchain und digitale Werte wie Bitcoin nicht, die zwar fälschungssicher sind, aber in der Konsequenz zu noch mehr unfreiwilliger Transparenz führen – besonders dann, wenn sie – was ja geplant ist – bald von Zentralbanken wie der EZB ausgegeben werden.

Miete an Einkommen koppeln?

Die schleichende Abschaffung des Bargeldes ist offensichtlich vorerst abgeblasen. Doch wie bei dem anderen Kohleausstieg, der wegen Gasmangels gerade schwächelt, ist aufgeschoben nicht gleich aufgehoben. Zu verlockend ist das Maß an Kontrolle, das man über jede noch so kleine finanzielle Regung der Bürger erlangen könnte, wenn man nur endlich das Bargeld los wäre. Auch Pläne aus dem stalinistischen Soziallabor wie Giffeys bekloppte Idee, die Höhe der Miete prozentual an das Einkommen des Mieters zu koppeln, ließe sich ohne totale Kontrolle und gläserne Bürger gar nicht umsetzen.

Bis zum nächsten staatlichen Versuch in Richtung Bargeldabschaffung gebe ich Ihnen deshalb Hausaufgaben auf, liebe Leser. Machen Sie eine Inventur, welche alltäglichen Geschäfte Sie heute schon nicht mehr mit Bargeld erledigen können. Vergessen Sie ruhig die Rundfunkgebühren, die sind im Notfall ihr kleinstes Problem, schließlich senden ARD und ZDF im Blackout nicht mehr. Wenn Internet und Stromversorgung versagen oder auch nur unsicher werden, bekommen Sie im Hofladen um die Ecke oder ein Dorf weiter sicher noch einen Sack Kartoffeln oder eine Packung Eier für Bargeld, während Sie Amazon oder Lieferando nicht mal mehr mitteilen könnten, was Sie gern haben wollen.

Es genügt am Ende vielleicht, nicht das Bargeld selbst und absichtlich, sondern lediglich „aus Versehen“ die Gelegenheiten abzuschaffen, bei denen man es überhaupt noch verwenden kann. Und dabei helfen wir gerade alle – ob aus Bequemlichkeit, Ignoranz oder Überzeugung – kräftig mit.

Foto: Pixabay

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Robert Krischik / 01.06.2022

Man kann ja auch Trommeln und Dosentelephone verwenden, sofern man welche hat. Und zum Bezahlen Goldstücke…

Severin Schönfelder / 01.06.2022

Als steuerzahlender Unternehmer bin ich voll und ganz für die Einführung des E-Euros und hier insbesondere für die Bargeld-Abschaffung. Warum? Bin ich verrückt? Für mich argumentativ ausschlaggebend ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit, die in Deutschland und Europa apokalyptische Ausmaße angenommen hat. Es kann nicht sein, dass sich viele Berufssparten nonchalant am Fiskus vorbei bereichern, den Sozialstaat bei Bedarf voll auskosten und einen selbst, bemitleidend anlächeln. Das muss und wird hoffentlich ein Ende finden. Wenn eine Gesellschaft massenhaft und substantiell betrügt, dann muss sie eben kontrolliert werden: Die arbeitsbedingten Geldströme müssen transparent werden, damit diese himmelschreiende Ungerechtigkeit endlich bekämpft wird. Hierfür nehme ich persönlich auch assoziierte Nachteile nolens volens in Kauf.

Günter H. Probst / 01.06.2022

Früher wußten die Menschen, daß man nicht alle Eier in einen Korb legt. Es gab immer mehrere Systeme: Bargeld und Scheck, Kohle und Gas zum Heizen und Kochen, Elektrizität für elektrische und lektronische Geräte, Benzin und Diesel für Autos. Jeder wußte, daß technische Systeme fehleranfällig sind, und Naturgewalten nicht standhalten. Und man war auch nicht scharf darauf, sich privater oder staatlicher Überwachung zu unterwerfen. Heute versucht man, vom Öffnen der Wohnungstür, dem Autofahren, der Heizung, der Bezahlung usw. alles mit elektrischen und elektonischen Systemen, die beide stäranfällig sind, zu betreiben. Weil es so bequem ist, alles mit Smartphone zu erledigen. Neulich traf ich eine junge Frau, die auf der Suche nach einer Straße völlig hilflos war, weil ihr Smartphone ausgefallen war. Sie wußte nicht einmal, wo sie sich ungefähr befand. Und daß die demokratischen Staaten scharf darauf sind, die staatsfreie Privatsphäre einzuschränken, ist verwerflich.

Arne Ausländer / 01.06.2022

Selbst wenn Bargeld ungültig wird, ist sein Wert immerhin noch etwas über null. Bei einer allgemeinen Abschaffung könnte es so auch inoffiziell oder illegal weiter benutzt werden. Aber wir brauchen außerdem Verrechnungssysteme, die sich weder verbieten noch fälschen lassen, wenn uns eine gewisse Unabhängigheit auch in Zukunft etwas wert ist. Und die möglichst unabhängig von Infrastrukturen wie dem Internet funktionieren, also nicht etwa nur Bitcoin.

Dr Stefan Lehnhoff / 01.06.2022

@ D Schmidtlein: Sehe ich anders: Habe vor 2 Jahren einen Neuwagen bei Händler für rund 100.000 Euro abgeholt- das ist in 200ern ein schmaler Umschlag. Und so konnte er nicht zwischen Überweisung und Abholung Konkurs gehen. Habe ich nie anders gemacht, würde ich nie anders machen. Und wo gibt es einen Erste-Klasse -Flug für unter 15000 Euro um die halbe Welt (also 20000 km) ? Nicht, dass ich je sowas kaufen würde.

Enrique Mechau / 01.06.2022

Ich denke die “neue” Software und die “neuen” Geräte sind in der Lage, - extern gesteuert - alle Käufe/Zahlungen zu kontrollieren und im Bedarfsfall zu verhindern. Es ist auch die Vorstufe zur generellen Abschaffung des Bargeldes, weil man da nicht kontrollieren kann, für was es ausgegeben wurde. Außer den “Mitgliedern der inneren Partei” (“neue” Nomenklatura) natürlich.

Leo Hohensee / 01.06.2022

@Dietmar Schubert - Sie schreiben, -” ... Am Geldautomaten kann eine eindeutige Zuordnung der ausgegebenen Geldscheine zu einem Konto erfolgen. ...” - Das dürfte praktisch nicht möglich sein mit der Nachverfolgung des Geldweges. Warum nicht? Okay Sie ziehen das Geld aus einem Automaten - es wäre möglich, jeden einzelnen Schein zu registrieren. Aber dann kreist der Schein, und solange er nicht einem weiteren Automaten untergeschoben wird, kann der Schein etliche Stationen machen. Ob der in Kiel oder in München wieder auftaucht, besagt nichts über den, der ihn einbezahlt hat. beste Grüße

Gerrit Mondstein / 01.06.2022

Ich empfehle Remarques “der schwarze Obelisk”, im Ernstfall wird auch das Baumwoll Klopapier namens Euro nichts wert sein.

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