Henryk M. Broder / 25.07.2007 / 11:08 / / Seite ausdrucken

Benjamin Weinthal: Musterjuden machen mobil

Der an der New York University lehrende Historiker Tony Judt macht sich für einen bi-nationalen Staat in Israel/Palästina stark. Judts Haltung ist sehr populär in Europa, da ihre Umsetzung aufgrund der demografischen Verhältnisse in absehbarer Zeit das Ende des Staates Israels bedeuten würde. Am Montag stand in der taz ein Interview von Isolde Charim, einer Wiener Jüdin, mit Tony Judt. 

Nicht zum ersten Mal bestätigt die taz ein beliebtes Vorurteil ihrer Leserschaft: „Auf gewisse Weise produziert die Diaspora den Antisemitismus..“, sagt Judt in dem Interview über das Verhalten der Diaspora-Juden. Die taz verbreitet den linken Antisemitismus sehr geschickt: Man präsentiert einen Juden, der sich als „Israel-Krtiker“
versteht und in der Diaspora lebt; ja, wenn es ein Jude sagt, dann kann es doch kein Antisemitismus ein… So kann man Israel „politisch korrekt“ kritisieren, ohne sich selbst einem hässlichen Verdacht auszusetzen.

Was aber ist die psychologische Motivation der jüdischen „Israelkritiker“, die sich für solche Manöver zur Verfügung stellen?
Leon de Winter erklärt das Phänomen mit dem antiisraelischen Druck der Mehrheitsgesellschaft, die von den Juden eine Ablehnung der „säkularen jüdischen Religion“ (d.h. des Zionismus) fordert, um die Juden akzeptieren zu können. So wie die christliche deutsche Gesellschaft Heinrich Heine zwang, zum Protestantismus zu konvertieren, verlangt sie heute, dass die Juden zum Antizionismus übertreten. Leon de Winter schreibt: „Er ist ein ungefährlicher Jude…, der seiner nichtjüdischen Umgebung beweisen will, dass er kein gewalttätiger, sondern ein durch erlittene Verfolgung und Massenmord geläuterter Jude ist, der eine edle—also pazifistische—Moral vertritt…“

Nicht selten hört man den antizionistischen Juden behaupten, der Jude sei selbst Schuld am Antisemitismus. Eine Lieblingsbeschäftigung der deutschen Medien ist es,  solche „guten Juden“ der Öffentlichkeit zu präsentieren. Am äußersten rechten Rand ist es Gerard Menuhin, der für die National-Zeitung der DVU schreibt. Die nützliche Juden für die linksliberale Seite (insbesondere die taz und die SZ) sind u.a. Michal Bodemann, Tony Judt und Noam Chomsky.

Bodemanns’ oberflächlicher „Offener Brief an Micha Brumlik“ besteht im wesentlichen darin, den Rosenfeld-Essay über „progressives jüdisches Denken“ als „törichten Aufsatz“  zu bezeichnen. Der aus dem Allgäu stammende und zum Judentum konvertierte Soziologe ist unfähig,  sich mit dem Phänomen des jüdischen Antisemitismus und Antizionismus zu beschäftigen. Der Judenreferent der taz, Daniel Bax, führte neulich ein langes Interview mit Alfred Grosser, einem anderen „Musterjuden“, unter dem Titel „Ich muss als Jude nicht für Israel sein“.  Die Frankfurter Rundschau druckte einen langen Essay Grossers: „Warum ich Israel kritisiere“.

Die richtige Frage muss aber lauten: Warum gerät die linksliberale Presse angesichts einer kleinen Gruppe antizionistischer Juden permanent in einen Erregungszustand? Warum interessieren sich die zuständigen Redakteure nicht ab und zu auch für pro-zionistische Juden?

Während der Antisemitismus zunimmt, nutzt die taz jede Gelegenheit, von einem „inflationären Antisemitismus“ zu sprechen oder das Phänomen als „Vorwurf“ zu verharmlosen – unter Bezug auf Juden, die sich als Alibi anbieten.

Die Instrumentalisierung einer winzigen Anzahl jüdischer Israel-Basher, die ein privates Problem öffentlich verarbeiten, ist ein Skandal, der seinerseits ein Teil des „neuen Antisemitismus“ ist. 

Siehe auch: http://www.taz.de/index.php?id=digitaz-artikel&ressort=ku&dig=2007/07/23/a0004&menu=1

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