Henryk M. Broder / 12.07.2007 / 19:59 / 0 / Seite ausdrucken

Benjamin Weinthal: Happy Birthday!

Ivo Bozic trägt ein blaues Hemd mit hebräischen Buchstaben und dreht
einen Löffel, auf dem ein David Stern abgebildet ist, in der Teetasse.
Es ist schwierig vorzustellen, daß er ein Mitherausgeber der linken
deutschen Zeitung Jungle World ist, da die linke Presse nichts als
besonderes Israel-freundlich in Deutschland gilt. 

Diese Wochenzeitung jedoch ist kein typisches linkes Blatt. Die Jungle
World versteht sich als unorthodox innerhalb der linken
Medienlandschaft, und “darauf besteht eben nicht antizionistisch, antisemitisch, und
antiamerikanisch zu sein”, sagt Bozic.

Die Jungle World feiert im Juli ihr 10 jähriges Jubiläum und die
Geburtstunde dieser undogmatischen linken Zeitschrift fing 1997 mit einem
Streik gegen die junge Welt an, eine heutzutage links extreme
nationalistische antiisraelische Tageszeitung.

Die bunte und pluralistische Redaktion war damals für den
Geschäftsführer der jungen Welt Dietmar Koschmieder Ausdruck, daß “eine
antifaschistische und antinationale Strömung ein Übergewicht bekommen” habe.

Die nahezu gesamte Redaktion richtete sich damals gegen den neuen Kurs
der jungen Welt und brachte die Jungle World als Streikzeitung heraus.
“Hier beginnt die ungewöhnliche Geschichte dieser ungewöhnlichen
Wochenzeitung”, so Bozic.

Der an der Universität Michigan lehrende Germanist und Politologe
Andrei Markovits beschreibt die Jungle World als “ein Gegenwicht zum
überwältigenden pro -palästinischen Ton der Medien” in Deutschland.
Markovits, der gerade hierzulande auf Buchtour (Amerika, Dich haßt sich’s
besser. Antiamerikanismus und Antisemitismus in Deutschland) war, sagt,
daß eine Zeitung wie Jungle World eine Nischen-Publikation sei.

Markovits schreibt gelegentlich Beiträge für die Jungle World über
z.B. die giftige nationalistische Tendenz innerhalb der deutschen
Gewerkschaftsbewegung . Er sehe beträchtliche pro-israelische Gruppen in
Deutschland, die im Vergleich zu den achtziger Jahren in Deutschland viel
besser geworden seien, so Markovits.

Die Jungle Welt leistet zweifellos einen wichtigen Beitrag zu dieser
Bewußtseinänderung der linken. Die Jungle World widmete sich 2004 einer
Israel-Ausgabe, in der die gesamte Redaktion nach Israel ging, um sie
herauszubringen. Aufgrund der lebendigen und vielfältigen israelischen
Ausgabe “hat hier sehr viel Beachtung gefunden”.

Daß ein großer Teil der deutschen Medien Israel als ein “Angreifer”
oder “Aggressorstaat” darstellt, so fuhr Bozic, als er unlängst Urlaub
in Tel Aviv machte, zu der winzigen israelischen Stadt Sderot, die
ständig unter Beschuß der palästinensischen Qassam-Raketen steht, um
eine ausführliche Reportage über den “Alltag der Angst” in Sderot zu
machen.

Die Avantgarde-Richtung der Jungle World bedeutet, daß “andere
Zeitungen ihre Themen aufgreifen” und diese einfach ohne Quellenangaben weiter
verwerten. Wenn man über die Linke im Inland und Ausland aus einem
kritischen linken Blickwinkel etwas erfahren möchte, ist die Jungle
World ein muß. Die Zeitung stellt nicht nur eine ernst zunehmende
Auseinandersetzung mit den Defiziten des Kapitalismus dar, sondern ist ein
Blatt mit Humor, Ironie und Sarkasmus.

Die Jungle World widmete sich neulich z.B. der Rolle der amerikanischen
Juden in der Punkmusikszene. Zudem sind die Comics des Zeichner Andre
Michalke ein Teil der Jungle World-Spaßgesellschaft. Ab dem 12. Juli
kommt das neue Layout der Jungle World.

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