Von Julian Tumasewitsch Baranyan
„Eine Juristin ist mit einem Eilantrag gegen ein Kopftuchverbot vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. In einer vorläufigen Abwägung gaben die Karlsruher Richter der staatlichen Neutralitätspflicht mehr Gewicht als der Religionsfreiheit der Rechtsreferendarin.“
Das berichtet die FAZ am 4. Juli 2017 zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG), die heftige Diskussionen in den Kommentarbereichen diverser Medien ausgelöst hat. Man liest dort vorwiegend die gewohnten Pro- und Kontra-Argumente, wie sie jedes Mal vorgebracht werden, wenn dieses Thema Gegenstand des politischen Tagesgeschehens wird. Einen entscheidenden Aspekt scheint aber niemand so wirklich erkannt zu haben: Die Einflussnahme ausländischer Lobbyorganisationen.
Zunächst einmal haben wir ein ganz normales unproblematisches Kleidungsstück, das auch in ländlichen Gebieten hiesiger Breiten bis vor einem halben Jahrhundert recht gängig war, und, auch heute, betrachtet man die globale Ebene, lange nicht nur von konservativen muslimischen Frauen getragen wird. Allerdings haben es mittlerweile vor allem AKP-nahe, ausländische Lobbyverbände zu ihrem Kampfsymbol erkoren. Das zeigte sich in den letzten Jahren deutlich und wiederholt.
Der Vergleich mit Kippa und Kreuz hinkt
Gerade bei der Bewertung der vorläufigen BVG-Entscheidung sollte dieser Punkt eine ganz entscheidende Rolle spielen. Vergleiche mit Kreuzen, Kippas, etc., wie sie von Kritikern des Gerichtsbeschlusses immer wieder gezogen werden, führen stets ins Leere. Wenn überhaupt ein Vergleich mit anderen religiösen Symbolen herhalten soll, der dem Kopftuch in seiner vorliegenden Bedeutung gerecht werden soll, dann wäre es eher angebracht, sich einen Richter oder Anwalt vorzustellen, der während jeder Verhandlung, wie bei einer christlichen Prozession üblich, eine Monstranz vor sich her trägt.
Ein Vergleich mit hypothetisch existierenden Richtern oder Staatsanwälten, die Baseballcaps mit Emblemen der CDU, SPD, Pegida, Antifa, oder irgendeiner anderen politischen Partei oder Gruppierung tragen, ist noch weitaus zielführender. Er macht die Dimension der parteipolitischen Aussage des Kopftuchs gut deutlich. Es geht nämlich gerade nicht um ein Kreuz, einen Davidsstern, ein Faravahar, Zülfikar oder Vers eines Glaubensbekenntnisses in arabischer Schrift, das als religiös-spiritueller Talisman dezent und für die Öffentlichkeit verdeckt unter der Kleidung getragen wird. Es geht um ein unübersehbares Bekenntnis zu einer politischen Strömung – oder eigentlich immer sogar einer konkreten Partei.
Das Kopftuch ist mittlerweile ähnlich wie, meist absurde, "Islamophobie"-Vorwürfe" oder Forderungen nach Toleranz, die eigentlich Privilegien meinen, ein Instrument, mit dem Lobbygruppen ihren Einfluss in Deutschland und ganz Europa erfolgreich ausgebaut haben und weiter ausbauen wollen. Jene Vorwürfe sind oft eng mit dem Kopftuch gekoppelt. Wer es, in welchem Kontext und aus welchen Gründen auch immer, ablehnt, wird mit Kampfbegriffen wie „Islamhasser“ oder „islamophob“ versehen.
Islamisten verkaufen sich als Demokraten
Diese Gleichsetzung vertreten im deutschsprachigen Raum in erster Linie Vereine und Verbände, die in unmittelbarer Abhängigkeit zur AKP stehen, also einer ausländischen Regierungspartei, die eine eindeutig islamistische Agenda verfolgt. Dass sie mit dieser Taktik bei vielen lauten und einflussreichen, politischen Strömungen offene Türen einrennen, war dabei einkalkuliert, gewollt und auch meist erfolgreich.
Betül Ulusoy erlangte in Vergangenheit durch eine Aktion Bekanntheit, die im weiteren Sinne als Präzedenzfall für die nun abgewiesene Klage gewertet werden kann. Sie definiert sich ganz wesentlich über ihr Kopftuch sowie ihre Verbundenheit mit der türkischen AKP-Regierung und ihre Zugehörigkeit zu einer der wichtigsten Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei in Deutschland, dem Islamverband DITIB. Der Blogger Kurt Schmallekovski hat einen interessanten, gut recherchierten und exemplarischen Blogbeitrag bezüglich ihres Wirkens verfasst. Darin schreibt er: „Islamisten haben es inzwischen gelernt, sich als eloquente und herzergreifende 'Demokraten' zu verkaufen, […]“
In einem anderen Zusammenhang, aber immer wieder und gerade hier sehr passend, schrieb der britisch-kurdische Politikwissenschaftler, Essayist, Übersetzer und Menschenrechtsaktivist Rebwar Rashed 2014:
"In nahezu allen EU-Sitzungen und Verhandlungen hat die Türkei alles dafür getan, ihre aktuellen Vorrechte zu behalten bzw. sie sogar auszubauen, ohne aber dabei zu irgendeiner Form von Gegenleistung bereit zu sein. Ihre Waffe dabei ist einfach und wirkungsvoll zu gleich: Die Türkei schreit einfach immer, dass Europa Islamhass praktiziere.“
Die Karlsruher Richter haben ein wichtiges und richtiges Signal ausgesandt, dass diese Taktik nun nicht mehr so einfach aufgeht. Mit ihrem Beschluss wurde der Einflussnahme einer ausländischen Regierung eine wichtige Grenze gesetzt.
Julian Tumasewitsch Baranyan (31) hat Linguistik und Politologie in Gießen studiert und bereist als selbsständiger Handelsvertreter inbesondere die frankophone Welt. Dieser Beitrag erschien zuerst auf Fisch und Fleisch.