Ausverkauf mit Rezo

Von Julian Marius Plutz.

Wenn Richard David Precht für die Philosophie das ist, was André Rieu für die Klassik ist (laut Sloterdijk), was mag wohl Rezo für die Medienlandschaft sein? Die ungarische Mädchentraube für Sommeliers? Der Boxter für Porschefans? Der Klopfer vor dem Herren, Jörg Heinrich für Fußball-Feingeister? Oder doch die Apotheken-Umschau für Journalisten? Denken Sie mal darüber nach. Ich weiß, was Sie jetzt denken, low hanging fruits und so, ja. Geschenkt, Sie haben ja recht. Es ist simpel, den schnuckeligen Youtuber zu widerlegen. Echte Journalisten wie der von mir sehr geschätzte Constantin van Lijnden taten das bereits in seinem Video. Das Ende vom Lied: Rezo ist nicht nur selektiv, er ist auch manipulativ und intellektuell unterkomplex.

Damit wäre zu ihm alles gesagt. Fast alles.

Denn mir ist da was aufgefallen, an den Rezo-Fans. Wer feiert ihn denn? Wenn man mal die paar irren Journalisten vom Spiegel und dem sogenannten Öffentlichen Rundfunk abzieht, die alles gut finden, was gegen den bösen Springer-Konzern ist, bleibt ein ganz bestimmtes Milieu übrig. Sie würden sich womöglich „linksliberal“ bezeichnen. Da jedoch der Begriff ein Oxymoron ist, schlage ich „grünbürgerlich“ vor, was wesentlich besser passt, spiegelt er doch die Einkommensverhältnisse, aber auch ihr Selbstverständnis, zur Mitte zu gehören, wider.

Sie pflegen ein postchristliches, geklärtes Weltbild

Sie hören gerne Podcasts wie „Die Lage der Nation“ oder „Stimmenfang“, sind natürlich Akademiker, verdienen also nicht schlecht. Daher wohnen sie wie selbstverständlich in den ehemaligen Scherbenvierteln, die heute zu den besten Gegenden gehören. Sie sind urban und dialektlos, sprechen dafür eine Abart an über- bis falschbetontem Hochdeutsch, was mir bereits in der Hochschule tierisch auf den Senkel ging und an die Musik von „Wir sind Helden“ erinnert. Der kleine Sören wird auch erst mal mit der „sanften“, also wirkungslosen Medizin behandelt, wenn er krank ist. Der ÖPNV ist gut, die SUVs sind böse. Geflogen wird nicht, außer es muss sein. Dann aber mit einem ordentlich schlechten Gewissen, in der Hoffnung, der Klimagott berücksichtigt die Buße, wenn der Gevatter Tod einmal vor der Türe steht.

Aus einem mir rätselhaften Grund haben sie ein schizophrenes Verhältnis zu den USA. Serien oder Late Night Shows werden, natürlich in der Originalsprache, aus den Staaten geschaut, bis der Doktor kommt. Man ist auch sehr informiert und liest und hört die linken US-Medien. Aber so richtig für voll nehmen sie den Ami nicht. Denn die haben nicht nur Trump, sondern auch keine Ahnung, dass Hannover die Hauptstadt von Niedersachsen ist.

Jan Böhmermann ist lustig, „Neues aus der Anstalt“ macht intellektueller Humor. Henryk Broder ist einer, der mal ganz ulkig war, aber heute ein greiser Rechtsextremist ist. Und Greta ist einfach toll. Sie pflegen ein minutiös geklärtes, postchristliches Weltbild, das genau zwei Pole kennt: Gut und Böse.

Wenn Journalisten zu Aktivisten werden

Nun, Sie haben wieder recht. Nicht alles im Holzschnitt ist auch korrekt. Was aber stimmt ist, dass die Grünbürgerlichen ein ähnliches Konsumverhältnis teilen, was Medien angeht. Die etablierten Häuser werden kritisch beäugt, vorausgesetzt, sie sind nicht links oder GEZ-finanziert. So drückt man bei der Süddeutschen schon mal ein paar Augen zu und es wird verziehen, wenn das moralinverbrämte Heribert Grantl-Prantl mal wieder ein Interview erfindet. Und auch dem Spiegel sei vergeben, das Blatt, das Relotius erst möglich machte, haben sie doch die viel und auch von Rezo zitierte Dokumentation. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird hingegen hinter jedem Fehler Bösartigkeit unterstellt. Von der WELT brauche ich gar nicht reden, denn die ist ja in Springer kontaminiert.

Diesen Journalismus von Gut und Böse befeuern Tendenzbetriebe wie Übermedien. Sie verdienen damit ihr Geld, wogegen gar nichts einzuwenden wäre, würden sie sich allen Medien gleichermaßen widmen und nicht nur vornehmlich denen, denen sie nicht gewogen sind.

Eine ganz besondere und lebenlange Liaison unterhalten die Grünbürgerlichen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Denn ihrer Meinung nach ist dieser marktwirtschaftlich befreit und politisch unverdächtig. Sie gehören zu den Guten. Die ganz Guten hören auf die Namen Georg Restle, Anja Reschke oder Dunya Halali, ihnen wird geglaubt. Nicht, weil sie einen so guten Journalismus betreiben, investigativ ist zum Beispiel keiner von denen, sondern weil sie den richtigen Journalismus machen. So zeigen sie „Haltung“ und kämpfen mit Herzblut für eine bessere Zukunft. In dem Moment, in denen Redakteure und Moderatoren den deskriptiven Raum verlassen und die Welt normativ betrachten, in dem Moment verlassen sie den Journalisten und werden zu Aktivisten.

„Lügenpresse“ von der anderen Seite

Und da sind so bockbeinige Medien wie die WELT oder auch Achgut.com den Grünbürgerlichen ein Dorn im Auge. Ich weiß nicht, wie oft ich gehört habe, dass die Achse „rechts“ sein soll, in aller Regel von Leuten, die den Webblog gar nicht lesen.

Die Denkfäule der Grünbürgerlichen beginnt spätestens an dem Punkt zu miefen, wenn es um Themen geht, von denen sie nichts wissen, aber unbedingt eine Meinung haben müssen. So ist der Kapitalismus vom Teufel, der Sozialismus zumindest eine interessante Idee. Wenn man dann fragt, können sie weder das eine, noch das andere definieren. Die Faustregel, nur über Dinge zu reden, wovon man etwas weiß, ist für den Grünbürgerlichen keine Option. Die Haltung muss stimmen, wozu dann noch sich um die Details kümmern? Daher können sie auch mit Jungle.World oder den Salonkolumnisten nichts anfangen, weil die irgendwie gar nicht kategorisiert werden können. Das gilt zwar auch für Achgut.com, aber egal. Die sind bereits rechts gelabelt.

Ich war überhaupt nicht einverstanden, als Pegidas „Lügenpresse“ krakeelten. Bei aller Kritik ist der Begriff in seiner Allgemeinheit unfair. Und ich bin überhaupt nicht einverstanden, was Rezo in seinem Video „Die Zerstörung der Presse“ machte. Hochwertige Zeitungen mit einem Netz an Korrespondenten mal eben in den Schredder zu werfen, weil sie über seine Friseur nicht so geschrieben haben, wie es ihm gepasst hat. Rezo ist nicht weniger auf dem „Lügenpresse“-Trip, nur impliziter und geschickter als die Rechten. Besser macht ihn das noch lange nicht.

Rezo ist für die Grünbürgerlichen das, was Martin Sellner für die Identitäre Bewegung ist. Posterboy, Dorfschreier, „Der, der den Finger in die Wunde legt“. Damit manifestiert sich der intellektuelle Ausverkauf eines Milleus, das von sich behaupt, die Krone der deutschen Schöpfung zu sein, also moralisch persilrein.

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Sara Stern / 24.06.2020

Springer Blätter als Böse in der Grünen Filterblase? Aber nur weil die Kommentare da das störende Korrektiv zu den Artikeln sind. Die Artikel sind stramm auf Parteilinie. Ich schätze die löschen ca. 90% der Kommentare und können/wollen sich keine gekauften mehr leisten. Daher kommt dann hier und da mal einer durch, der die Fehler im Artikel aufzeigt. Aber ansonsten kann man das Blatt in dieselbe Tonne treten, wie die ZONe oder die Alpenpravda. Mich wundert immer wieder: Wie halten diese Blätter sich und wer bezahlt für den Dreck?

Karl-Heinz Vonderstein / 24.06.2020

Hab den Eindruck, dass die Fridays for Future Generation, wie auch Rezo, nur zwischen gut und böse unterscheidet und die Wirklichkeit so ist,  wie die Welt von Herr der Ringe.Sie fühlen sich moralisch überlegen und auf der Seite der Guten, gegenüber jeden, der anderer Meinung ist oder das anzweifelt oder auch nur hinterfragt für was sie stehen und sie richtig oder falsch finden.    

Sandra Richter / 24.06.2020

“Und da sind so bockbeinige Medien wie die WELT oder auch Achgut.com den Grünbürgerlichen ein Dorn im Auge.” - Das kann doch nur satirisch gemeint sein, die linksgrüne WELT, die schon vor über 20 Jahren grösstenteils linksgrün war (siehe Kommentar in der NZZ vom 9. Februar 2019 vom ehemaligem WELT-Chefredakteur Matthias Döpfner), schwimmt zusammen im Mainstream mit dem SPIEGEL oder der ZEIT. All diese MSM beschäftigen einen oder mehrere Alibi-Konservative, bei WELT ist das gerade Don Alphonso und Broder. Deswegen sind sie aber nicht “bockbeinig”, sondern genau das Gegenteil davon, feige und opportunistisch.

Arnold Warner / 24.06.2020

Hat sich da ein Text auf Achgut verirrt, der eigentlich für Bento gedacht war? Unter den etlichen Lowlights in der letzten Zeit ist das hier das bisher dunkelste.

Heribert Glumener / 24.06.2020

Zu Rezo wäre damit alles gesagt. Danke. Mithin reicht er nicht einmal im Ansatz an den wahren grünbürgerlichen Akademiker (in spe) heran – denn: unerreichbar ist JOHANNES STEEN (zu ergoogeln: Johannes Steen Grüne;  die Videos, u.a. „Young Hitler“, sind Kult, grünster Grusel, linkster Halloween pur, der wahre Horror, frei im Internet verfügbar !)

Mathias Rudek / 24.06.2020

Das meiste ist ja hier schon gesagt. Ich halte diesen Rezo für einen völlig überschätzten Dummschwätzer. Wie verkommen diese Redaktionen und Blätter heute sind, sieht man schon daran, daß “Die Zeit” solchen un-inspirierten Witzfiguren ‘ne Kolumne gibt. Der Typ ist ein Influenzer-Witz, ein Dünnbrettbohrer nicht mehr und nicht weniger. Dieser Haltungs-Journalismus heute ist wirklich eine Geißel geworden, ein realitätsverweigerndes, gesichtsloses, ewig redundantes Meinungskartell, opportunistisch und ohne jegliche Inspiration und ihre Feindbilder die immer gleichen Verdächtigen.

Rolf Lindner / 24.06.2020

Man braucht sich nicht an Rezo zu reiben, um die intellektuelle Dürftigkeit seines Klientels zu dokumentieren. Dafür reichen Genderismus, Klimawahn und aktuell das Rassismusgeplärre, das einen Kriminellen zu einem Märtyrer erhebt. Herrn Plutz’ Beiträge werden von Mal zu Mal besser, aber die partiell in die Niederungen des Haltungsjournalismus abgestiegene “Welt” mit der Achse gleichzusetzen, könnte man als verunglimpfenden journalistischen Rassismus auffassen.

Markus Breitenstein / 24.06.2020

Guter Text, gern mehr davon!!

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