Wenn Justizminister Maas Recht hat, hat er Recht. Am „Tag der Pressefreiheit“ postet er auf seiner Facebook-Seite dies:
Kritischer Journalismus ist unverzichtbar für jedes freie Land. Das gilt auch und gerade am heutigen "Tag der Pressefreiheit". Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine Demokratie. Parolen wie „Lügenpresse“ oder „alternative Fakten“ machen die Gefahren für die Pressefreiheit deutlich. Die #Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss erkämpft, verteidigt und geschützt werden – in Deutschland und weltweit. In immer mehr Ländern fassen die Mächtigen politische Kritik als persönliche Beleidigung auf und unterdrücken Meinungsfreiheit – auch mit dem Strafrecht. Unsere Solidarität gilt allen unabhängigen Journalistinnen und Journalisten, die daran gehindert werden, ihre Arbeit zu machen. Wir fordern insbesondere die Freilassung von Reportern, die wie Deniz Yücel zurzeit in Haft sitzen! #freedeniz"...„#TagDerPressefreiheit"
Ich unterschreibe jedes Wort! Nun sehen viele Bürger, Verbände und auch Politiker der Koalition die Aktivitäten des Justizminister im Zusammenhang mit dem geplanten „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ durchaus kritisch. Ich hatte nahezu zeitgleich einen Videokommentar zu diesem Thema produziert, den ich mit folgendem Kommentar unter das Posting von Heiko Maas einstellte:
"Sehe ich genauso. Und weil der kritische Journalismus auch in der BRD unter Beschuss gerät, habe ich mir dazu, ganz im Sinne unseres Justizministers – und insb. dessen gesetzlicher Vorhaben – ein paar Gedanken gemacht."
Was dann geschah, ergibt sich aus meiner Anfrage an die Pressestelle des Bundesjustizministeriums, die dort am 05.05.2017 um 09:10 Uhr einging:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin Autor der “Achse des Guten”, “Tichys Einblick”, “The European”, Gastautor von “stern.de” usw.
Herr Minister Maas hat am 03.05.2017 um 11:20 Uhr ein Posting zum „Tag der Pressefreiheit“ veröffentlicht.
Ich habe unter diesem Posting folgenden Kommentar geschrieben: ” Sehe ich genauso. Und weil der kritische Journalismus auch in der BRD unter Beschuss gerät, habe ich mir dazu, ganz im Sinne unseres Justizministers – und insb. dessen gesetzlicher Vorhaben – ein paar Gedanken gemacht.” Und dazu diesen Link mit einem Video-Kommentar zum geplanten “NetzwerkdurchsetzungsG” verlinkt: https://www.youtube.com/watch?v=-b1qhsXXm9E.
Der Kommentar war kurze Zeit später der “Top-Kommentar”, dann wurde er gelöscht. Facebook bietet die Funktion an, den Kommentar dergestalt zu entfernen, dass er für den Kommentierenden und dessen Freunde sichtbar bleibt, für alle anderen aber nicht. Diese Funktion wurde, wie eine Recherche zweifelsfrei ergeben hat, gewählt. Mein Kommentar befasst sich – im Video – kritisch mit dem “NetzwerkdurchsetzungsG”, ist jedoch in keiner Weise justiziabel. Ich bin seit ca. 25 Jahren als Anwalt mit auch presserechtlichem Schwerpunkt tätig und traue mir daher diese Einschätzung zu. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir im Laufe des Tages, möglichst bis zum frühen nachmittag, die nachstehenden Fragen beantworten könnten.
1. Warum wurde der Kommentar in der beschriebenen Weise gelöscht?
2. Sieht der Minister keinen Widerspruch in dieser Löschung einer kritischen Stimme, während er sich im Ausgangsposting als Verfechter der bedrohten Pressefreiheit und des kritischen Journalismus positioniert?
3. Wird der Minister die Löschung rückgängig machen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, darf ich mit einer Entschuldigung rechnen?
4. Die Facebook-“Währung” sind Likes. Mein Kommentar ist trotz der Manipulation der Top-Kommentar. Die Zahl der Likes wäre deutlich höher, wenn der Kommentar nicht, ausser für meine “Freunde” gelöscht worden wäre, sondern der gesamten Öffentlichkeit zugänglich. Damit ist der durch Likes dokumentierte Zuspruch manipuliert und die Leser der Seite werden über den Zuspruch getäuscht. Einen möglichen Hinweis auf diesen “redaktionellen Eingriff” zur Vermeidung dieser Täuschung haben Sie unterlassen. Wie rechtfertigen Sie dies?“
Knapp zweieinhalb Stunden später meldete sich Herr Scholz aus der Pressestelle des Justizministeriums. Er bestätige den Sachverhalt. Es lasse sich aber „nicht mehr nachvollziehen“, wie es zu der Sperrung des Kommentars gekommen sei. Der Kommentar sei jetzt wieder für alle sichtbar freigeschaltet. Das Ministerium lösche nur Beiträge, die gegen die eigene Netiquette verstießen. Dies sei bei dem in Rede stehenden Beitrag nicht der Fall. Man bitte um Entschuldigung.
Was das Ministerium nicht mehr nachzuvollziehen vermag, dürfte sich so abgespielt haben: Der Redaktion der Facebook-Seite von Heiko Maas gefiel der „kritische Journalismus“ nicht, weil er sich gegen den eigenen Dienstherren richtete. Anstatt dies im Interesse der Meinungsfreiheit, die der Minister soeben pries, zu ertragen, wurde die perfide Löschmöglichkeit von Facebook genutzt, mit der man löschen kann, ohne dass der Kommentator dies sogleich merkt. Als sich dann ein shitstorm abzeichnete, ruderte man zurück. Wie wir sehen, hatte Justizminister Maas mit seinem Posting völlig Recht. “Die Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss erkämpft, verteidigt und geschützt werden.” Schade nur, dass das auch gegenüber denjenigen gilt, die sie zu verteidigen eigentlich berufen sind.
Joachim Steinhöfels Blog finden Sie hier.