Chaim Noll / 11.04.2020 / 10:00 / Foto: Freud / 108 / Seite ausdrucken

Alternativlos ins Aus

Die Corona-Krise hinterlässt viele Verlierer und wenige Gewinner. Zu den großen Gewinnern gehört die deutsche Bundeskanzlerin, wie das führende Blatt der Hofberichterstattung, Der Spiegel, am 9.4.2020 mit beglücktem Unterton mitteilen konnte: „Zum Ende ihrer Zeit im Kanzleramt wird Angela Merkel noch einmal zur unangefochtenen Krisenmanagerin (…) Merkels Beliebtheitswerte sind so hoch wie noch nie in dieser Legislaturperiode. Die Kanzlerin erscheint den Deutschen derzeit, um ein zumindest früher bei ihr beliebtes Krisenbewältigungswort zu benutzen: alternativlos.“

Sie ist nicht die erste Herrscherfigur in Deutschlands Geschichte, die mit diesem Attribut in den Untergang schipperte. (Abgesehen davon, dass es viel zu früh ist, die Merkelsche „Krisenbewältigung“ zu loben, denn die wirklichen Krisen – ausgelöst weniger durch das Corona-Virus selbst als durch die dagegen ergriffenen Maßnahmen – kommen erst noch auf uns zu.) „Alternativlos“ waren der Kaiser, der Führer und der Generalsekretär, die Deutschland (oder Teile davon) Jahrzehnte lang regierten. Die unruhige Weimarer Republik erweist sich im Nachhinein als kurzes Experiment inmitten einer im Osten hundertjährigen, im Westen etwas kürzer währenden Epoche stabiler Alleinherrschaften und Alternativlosigkeiten.

In dieser Periode wurde die Mentalität des deutschen Untertanen geprägt und gefestigt. Sein Hauptmerkmal: Er war des Nachdenkens über andere Möglichkeiten enthoben. Denn es gab sie nicht. Generationen deutscher Staatsbürger haben nie gelernt, Alternativen überhaupt für denkbar zu halten. Der Kaiser war Herrscher „von Gottes Gnaden“, Hitler hatte nach eigenem Zeugnis die „Vorsehung“ erwählt und den Generalsekretär der SED die Parteispitze in Moskau, damals ebenfalls eine gottgleiche Institution.

Was diese zu ihrer Zeit „unangefochtenen“ Alleinherrscher besonders auszeichnet: Sie alle haben Deutschland katastrophalen Schaden zugefügt. Das gestand man sich jedoch immer erst hinterher ein. Vorher, solange sie an der Macht waren, wurden sie einhellig umjubelt. Und die wenigen kritischen Geister zum Schweigen gebracht. Die begeisterten Anhänger der „alternativlosen“ Herrscher haben nie wirklich den Zusammenhang zwischen ihrem glücklichen Gehorsam und der folgenden Katastrophe verstanden. „Alternativlos“ ist Synonym für einen Weg ins Aus. Ein hoffnungsloses Programm.

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Gabriele Klein / 11.04.2020

@Frau Bauch: “Oder sind die meisten Corona-Toten ohnehin jene, die natürlich gestorben wären?” Ja, das ist die interessante Frage. Tippe mal, nachdem eigentlich jeder Deutsche irgendwann auch den natürlichen Tod gestorben wäre, haben wir, hier NULL Corona Tote am Ende bzw. gerade soviel wie wie unser public image zulässt, wohingegen in USA jeder Corona positive der stirbt als ein Corona Toter gezählt wird, so die Worte D. Trumps als er sich zu den verschiedenen Hochrechnungen äußerte.

J. Boese / 11.04.2020

Ich bleibe dabei: die Deutschen haben ein Faschismus-Gen. Sie fühlen sich am wohlsten in einem Staat der sie quält und mit sinnlosen Vorschrften malträtiert und ihnen beständig in den Allerwertesten tritt. Sie freuen sich, dass statt lästiger Demokratie wieder zack-zack von oben regiert wird. Bei der nächsten Wahl braucht man sich auch keine Gedanken zu machen, das Grundgesetz war nur für Schönwetterzeiten relevant und wer regiert, regiert ohne Widerspruch oder gar Kontrolle durch Medien und Oppostion. Der Souverän ist ein hirn- und machtloser Popanz und wird wieder so behandelt. Und das absolute Sahnehäubchen: man kann wieder anschwärtzen, denunzieren, Nachbarn anonym fertigmachen. Es wird nicht mehr lange dauern und Leute, die nur ihre verfassungsmäßigen Rechte ausüben,  werden im Morgengrauen abgeholt. Nein, Corona ist eine ernste Sache, aber sie ist eine Naturkatastrophe wie sie alle paar Jahrzehnte stattfindet. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenbruch aber ist menschengemacht.

Gudrun Dietzel / 11.04.2020

@Frances Johnson, wunderbar, das alles mal laut von einer Ärztin gesagt bekommen zu haben. Bei mir rennen Sie da offene Türen ein. Dennoch, ein ganz großes, von Herzen kommendes Danke für diese Ehrlichkeit. Die haben sehr, sehr Viele nötig, allerdings, ob es was hilft… Ich höre schon das Geschrei.

Karla Kuhn / 11.04.2020

„Zum Ende ihrer Zeit im Kanzleramt wird Angela Merkel noch einmal zur unangefochtenen Krisenmanagerin (…) Merkels Beliebtheitswerte sind so hoch wie noch nie in dieser Legislaturperiode. Die Kanzlerin erscheint den Deutschen derzeit, um ein zumindest früher bei ihr beliebtes Krisenbewältigungswort zu benutzen: alternativlos.“  Du meine Güte, GLAUBT das wirklich jemand ?? Abgesegen davon VERBITTE ich mir, mich zu beleidigen und mich unter “DEN DEUTSCHEN” mit einzubeziehen !! Immer wenn ich mit FREMDEN Menschen rede, was ich gerne mache und die Sprache kommt unweigerlich auf Merkel und ihre Politik, sagen die allermeisten, Wann tritt diese Frau endlich zurück ? Ganz FRÜHER konnte ich den SPiegel noch lesen, heute würde ich ihn nicht mal zum…..verwenden. MERKEN eigentlich diese ganzen Journos, die uns das verklickern wollen gar nicht, daß sie sich mit solche Äußerungen immer mehr von vielen Menschen entfernen und viele ihre Blätter deshalb nicht mehr lesen ?? Walter Neumann, völlig richtig, im Dritten Reich war es die Hugenbergpresse und in der DDR das “Neue Deutschland”  Beide derart VERLOGENE Schmierblätter, daß sogar etliche “Genossen” in der DDR sich geweigert haben, sie zu lesen !  Kann es sein, daß Corona auch das HIRN zersetzen kann ??? Ihr letzter Abschnitt Herr Noll ist aktueller denn je. Hervorragend. Bleiben Sie gesund !

Thomas Schmied / 11.04.2020

In Köln klatschen und jaulen sie jetzt immer, pünktlich um 21 Uhr, auf den Balkonen und an den Fenstern. Man sagt, das wäre eine Bekundung des Respekts gegenüber Mitarbeitern des Gesundheitswesens und anderen Leuten, die momentan einen wirklich wichtigen Job machen. Begreife zwar nicht, was denen das bringen soll - aber ok. (Mit wesentlich mehr Kohle und zumindest ausreichender Schutzausrüstung wäre ihnen doch viel sinnvoller gedient, als mit den Jubelritualen.) Mir persönlich ist diese kostenlose Klatscherei irgendwie unheimlich. Man kann sich mal wieder “gut fühlen”, ohne jede persönliche Konsequenz.Vielleicht drehe ich auch schon am Rad - aber mir kommt das etwas so vor, wie Beifall für die Herrschenden: Kollektive Zustimmungsrituale. Früher hing man Fähnchen raus.

Martin Stumpp / 11.04.2020

@Dov Nesher: Ja die Medien machen von wenigen Ausnahmen (Achse, Tichy usw.) abgesehen eine sehr schlechte Figur aber die deutsche Gerichtsbarkeit im Allgemeinen ist ein eigenes Thema, das aber mit dem Versagen der höchsten Deutschen Gerichte sehr wohl im Zusammenhang steht. Und Nein die Tagesform der Anwältin war nicht entscheidend, entscheidend war die Tatsache, dass das BVG kein unparteiisches Gericht ist. Zum Artikel kann man nur sagen, STIMMT, gut beobachtet Herr Noll.

Marcel Seiler / 11.04.2020

Ich teile die Einsicht von Autor Chaim Noll. Ich empfinde das Leben in diesem Land seit längerer Zeit als bedrückend und unangenehm. Im Privaten empfinde ich meine deutschen Landsleute als freundlich und klug. Im Politischen sind sie dumm, engstirnig und brutal. Insofern ist Hitler “wieder da”, aber nicht einfach bei den jungen Nazis (dort wohl auch), sondern beim linken Bürgertum, das sich für liberal hält, dessen Grundsubstanz aber der Führergehorsam und der Vernichtungsimpuls gegen Andersdenkende ist.

Jochen Brühl / 11.04.2020

Und weil das alles so alternativlos in 2010/11 und 2015 war, gibt es ja inzwischen eine neue Partei, die das Wort “Alternative” im Namen führt. Die würde in der heutigen Situation natürlich auch nicht so sehr viel anders agieren, hätte aber zuvor wesentlich weniger Geld verschleudert. Das ist es, was die Empfänger dieser verschleuderten Gelder so sehr auf die Palme bringt, dass sie so gewalttätig agieren und dies auch mit staatlicher Duldung können.

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