Wolfram Weimer / 22.11.2019 / 06:20 / Foto: Wikimedia Commons / 62 / Seite ausdrucken

Alfred gegen Donald

Sie schwärmen bereits vom „weißen Obama“. Pete Buttigieg (ausgesprochen: Bude-dschitsch) mischt die amerikanischen Präsidentschaftswahlen spektakulär auf. Auf den Wahlkampfkundgebungen der Demokraten jubeln sie ihrem neuen, jungen Helden zu, seine Umfragewerte steigen rasant, die Spendensummen für seinen Wahlkampf auch. Im wichtigen ersten Vorwahlstaat Iowa liegt er nun plötzlich sogar an der Spitze. Die amerikanischen Medien überschlagen sich auf einmal mit Lobeshymnen über das neue Wunderkind der US-Politik. Auch Donald Trump startet Twitter-Attacken auf Buttigieg, beleidigt ihn als „Alfred E. Neuman“ (nach dem zahnlückenden Karikaturhelden des Mad-Magazins) und blafft: “Alfred E. Neuman kann nicht President der USA werden.“ Ein sicheres Zeichen, dass Trump ihn als Herausforderer ab sofort ernst nimmt.

Doch was ist passiert, dass ein 37 Jahre junger, krasser Außenseiter, ein bekennender Schwuler ohne Millionenvermögen plötzlich zum Hoffnungsträger für die Trump-Nachfolge wird? Buttigieg ist weder (wie Joe Biden) Vizepräsident gewesen, er ist kein Senator (wie Elizabeth Warren oder Bernie Sanders), kein Gouverneur, nicht einmal Hinterbank-Kongressabgeordneter ist er. „Mayor Pete“ ist Bürgermeister einer unbedeutenden Stadt im wenig bedeutenden Bundesstaat Indiana. South Bend heißt die 100.000 Einwohner große Provinzstadt. Und nun fragt sich die Weltpresse: Wie schafft es der Bürgermeister der 293. größten Stadt des Landes zu einem der verheißungsvollsten Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten? Fünf Antworten gibt es darauf: 

Erstens ist Buttigieg jung. Gerade einmal halb so alt Donald Trump (73), aber auch wie seine innerparteilichen Konkurrenten Joe Biden (76), Elizabeth Warren (70) und Bernie Sanders (78). Im grauhaarigen Feld der Altvorderen verkörpert er die Hoffnung auf eine neue Generation. Seine Sprache, sein Gestus, seine Liberalität strahlen Jugendlichkeit und Tatkraft aus. Gerade in den verkrusteten ideologischen Schützengräben des alten Amerika wirkt seine lässige Versöhnlichkeit wie der Tenor einer neuen Zeit. Amerika hat von Kennedy bis Obama den jugendlichen Helden immer geliebt – und so mögen es Amerikaner, dass Buttigieg mit nur 29 Jahren bereits der jüngste Bürgermeister einer 100.000-Einwohner-Stadt der USA geworden ist. Der Leitspruch seiner Kampagne lautet folgerichtig: „It’s time for a new generation of American leadership.“

Ein Kandidat der explizit nicht-links sein will

Zweitens ist Buttigieg ein Mann der Mitte, Veteran und Kirchgänger. Er diente als Offizier für die Navy im Afghanistan-Krieg. Anders als die mächtigen Senatoren Warren und Sanders, die mit neo-sozialistischen Parolen und revolutionären Programmen aufwarten, gibt Buttigieg den geschmeidigen, bürgerlichen, moderaten Optimierer. Wo die Altlinken wie Besserwisser wirken, kommt er wie der Bessermacher rüber. Er lebt wie weiland Gerhard-Schröder von der Betonung eines mittig-gesunden Menschenverstands nach dem Leitmotiv „Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen“. Neben Biden ist Buttigieg der einzige Kandidat der explizit nicht-links sein will. Doch Biden verliert im Wahlkampf zusehends an Zuspruch, weil er spröde wirkt, weil er zu alt ist und weil die Korruptionsberichte über geschäftliche Beziehungen seiner Familie in die Ukraine ihm schaden.

Drittens ist Buttigieg intelligent. Der superschlaue Sohn maltesischer Einwanderer wuchs als Professorenkind aus Indiana heran, war Harvard Absolvent, studierte mit Rhode Stipendium in Oxford, arbeitete dann drei Jahre MckKinsey. Er ist mit seiner bildungsfeinen Smartness das glatte Gegenteil von Donald Trump. Buttigieg spricht sieben Sprachen, darunter Norwegisch, was er nur lernte um die Novellen von Erlend Loe im Original lesen zu können.

Viertens ist Buttigieg ein Provinzler. Buttigieg gehört nicht zum Establishment Amerikas. Weder politisch noch geographisch. Er kommt weder aus New York, Los Angeles oder Boston, er kommt aus dem Rust Belt, also genau den Staaten, die den Präsidentschaftswahlkampf 2020 vermutlich entscheiden werden. Sein Außenseitertum wird als Vorteil wahrgenommen, weil die politische Klasse Washingtons und die Geld-Elite New Yorks als Klüngel empfunden werden, denen man besser ein aufrechten Mann aus dem Volk entgegen stellt.

Fünftens ist Buttigieg schwul. „Als ich jünger war, habe ich alles dafür getan um nicht schwul zu sein. Wenn schwul sein eine Entscheidung ist, dann wird sie viel weiter oben getroffen“, erklärte der bekennende Christ Buttigieg. Die gelassene Selbstverständlichkeit, mit der er seine Homosexualität lebt, wird ihm zur Stärke. 2018 heiratete er in der Kathedrale des Hl. Jakob in South Bend, den Lehrer Chasten Glezman. Der vermeintliche Nachteil ist im Verlaufe der Wahlkampfmonate zu einem Vorteil Buttigiegs geworden. Zum einen hat er die offene Unterstützung der in einflußreichen LGTB-Community – insbesondere seitdem Barry Karas, Obamas wichtigster Spendensammler und bekennender Homosexueller, massiv Gelder einsammelt. Zum anderen weil er auch in Medien zusehends einen Sympathiebonus bekommt – das Narrativ des ersten schwulen Präsidenten der USA fasziniert viele Kommentatoren – ähnlich wie im Fall Barack Obamas, als der erste Farbige sich aufmachte, das Weiße Haus zu erobern.

Im Labor für den Job des Präsidenten gezüchtet

Mit diesen fünf Ingredienzien seiner Persönlichkeit ist Buttigieg als Person der größte Anti-Trump im Kandidatenfeld. Wo die anderen sich programmatisch oder rhetorisch weit und laut von Trump distanzieren, ist er aus sich heraus das Gegenbild und kann daher einen ganz eigenen, freundlichen Wahlkampfton intonieren – ein besonnen-cooler Stil, der viele an Obamas erste Wahlkämpfe erinnert.

Und tatsächlich spielt Buttigieg mit dem Obama-Vergleich offensiv. Wie Obama spricht er predigerhaft Sehnsüchte an, entfaltet emotionale Visionen der Zukunft, verbreitet konzilianten Optimismus anstatt Klassenkämpferei. Selbst Obamas Kernvokabeln von „hope“ und „change“ nimmt er auf und baut seine Rhetorik um “hope” und “belonging.” Selbst seine beiden Hunde „Truman and Buddy“ inszeniert er wie weiland Obama „Sunny and Bo“.

„Dieser Mann wurde im Labor für den Job des Präsidenten gezüchtet“, kommentiert Comedian Trevor Noah den verblüffenden Aufstieg des jugendlichen Provinzbürgermeisters. Seit einigen Wochen hat nun auch das Silicon Valley und seine Digitalkonzerne Buttigieg als ihre Leitfigur für Innovation und Toleranz entdeckt, der ein neues Amerika verkörpern könnte – und spendet jede Woche mehr. Sollte er es schaffen, er wäre mit 38 Jahren der jüngste US-Präsident aller Zeiten. Und der erste, der keine „First Lady“ sondern einen „First Gentleman“ mit ins Weiße Haus brächte.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European.

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Leserpost

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Thomas Taterka / 22.11.2019

@Sabine Schönfelder : Ich glaube , daß die Frage , wer wem wo den Dildo reinschiebt, in der Weltpolitik zweitrangig ist. Privat kann jeder fast machen , was er oder sie will, das ist ein Fortschritt. Aber es hat nichts mehr im Wahlkampf verloren , die Schlacht ist gewonnen. In den Wahlkampf gehören ausschließlich die Fragen, die noch nicht entschieden sind, also alles ,was nicht stimmt und zu einer Bedrohung heranwächst. Und es wäre schlimm für die USA, wenn jemand Stimmen einfängt, dessen weltanschauliches Selbstverständnis sich zu sehr ” dehnen ” lässt. Auch wenn das smart aussieht. Staatsräson heißt auch , eine Grenze ziehen können. Deshalb bin ich allerdings noch lange kein Fan von Trump. Klar genug ? P.S. : ” James ” hat übrigens ‘nen Oscar bekommen für seine Rolle in ” The Untouchables ” von de Palma. Eine Empfehlung von einem seiner größten Fans , Sie Schmeichlerin !

Silvia Orlandi / 22.11.2019

Wieder ein neuer Messias a la Macron,  Homosexualität ist keine Schande aber auch kein Verdienst. Was hat er sonst noch vorzuweisen?

Doris Schmidt / 22.11.2019

Wieder einer, der als potentieller Messias gefeiert wird, so wie einst Obama gefeiert wurde? Wenn dieser Schuß man nicht auch wieder nach hinten losgeht. Kriegstreiber Obama war eine einzige Enttäuschung, nicht nur auf internationler, sondern vor allem auf nationaler Ebene. Die Wirtschaft an die Wand zu fahren und ein Heer von Arbeitslosen zu erzeugen, war seine größte Leistung. Da lobe ich mir doch lieber einen wie Trump, dessen Interessen dem Volk und dem Staat gelten, denen er dient.Vorschußlorbeeren auf einen Kandidaten, nur weil er schwul und jung ist? Na ja…

Alexander Mazurek / 22.11.2019

Nun, ich meine Barack Hussein Obama war ein falscher Prophet, und neue derselben Sorte braucht niemand. Für mich ist Tulsi Gabbard die einzig glaubwürdige Kandidatin der Demokraten. Weshalb sie nicht aufgestellt wird.

Steffen Huebner / 22.11.2019

“... ohne Millionenvermögen plötzlich zum Hoffnungsträger für die Trump-Nachfolge…”  - Na, ob das ein gutes Zeichen ist? Da besonders in den USA Wahlkämpfe nur mit Millionenaufwand geführt werden können, stellt sich die Frage,  woher Herr Buttigieg die Millionen bekommen wird. Ein Schelm, wer da nicht sofort an Soros und die anderen Globalisten denkt - es würde also, wie beim “Großen Obama”, eine neue Marionette installiert, die auch wieder neue Kriege führen kann. Man kann nur hoffen, dass genügend US- Wähler begreifen: Mit Trump ist seit langem wieder jemand Präsident in den USA, der Politik eigenständig machen kann, viel unabhängiger und nicht fremdbestimmt ist, weil er seine Wahl wesentlich mit Eigenmitteln finanziert hat.

Wolfgang Kaufmann / 22.11.2019

Natürlich ist es kein Rassismus, wenn es von Vorteil ist, schwul zu sein oder schwarz. Jedenfalls kein negativer.

Michael Murmurachi / 22.11.2019

Nach der 4 Jahre dauernden Hetzjagd auf Trump, gegründet in den Gehirnen von dummen und bösartigen Menschen, wird das mehr als 20 Kandidaten starke und wohl bald auch täglich wachsende Feld von Kandidaten selbst nichts zu einem Wahlsieg beitragen können. Die Kandidaten sind einfach zu schwach, um die mittlerweile stark gewachsene und weiter anwachsende Trump Wählerschaft zu verdrängen. Neuere Umfragen zeigen, dass Trump bei den Schwarzamerikanern seine Anteile von 8% auf nahezu 25% verdoppeln konnte. Bei anderen Minderheiten sieht es ähnlich aus. Und die „Independent“ Wähler haben während der letzten Tage der Anhörungen zum Amtsenthebungsverfahren in großen Zahlen den Demokraten den Rücken gezeigt. Wenn am 11. Dezember der Bericht des Inspector Generals des Justizministeriums veröffentlicht ist, wird sich das Gewicht noch weiter in Richtung Trump verschieben. Höchste Mitarbeiter der Obama Regierung saugen alle Höchstkaräter vom Markt der Anwälte auf. Ein sicheres Zeichen, das gegen alle demokratischen Kandidaten spricht, denn auf die eine oder andere Art sind sie an der Hetzjagd auf Trump beteiligt gewesen. Nur eine schwere Wirtschaftskrise kann den Demokraten noch helfen, oder Trump kann sich jetzt nur noch selbst besiegen. Und aus der Ukraine kommen auch noch schlechte Nachrichten. Die Parlamentsabgeordneten Andriy Derkach und Oleksandr Dubinsky haben am 14. November einen Bericht über Korruption und Geldwäsche veröffentlicht. Namentlich als Beteiligte sind Bürger und Unternehmen der Ukraine und der USA erwähnt. Die beiden Abgeordneten haben die Präsidenten der Ukraine und der USA aufgefordert, umgehend gemeinsame Untersuchungen einzuleiten. Mayor Pete ist nicht erwähnt, er wird dankbar sein…

Fritz Fuchs / 22.11.2019

Iowa hat gut drei Millonen Einwohner, von denen die relative Mehrheit mit etwa 36 Prozent von den Nachfahren der überwiegend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrgunderts zugewanderten Deutschen dargestellt wird, denen die weit überwiegend ländliche Prägung des Bundeslandes zu verdanken ist. Schwarze, Latinos und Indianer sind im Lande kaum anzutreffen. Eine Gegend mit vergleichbarer Struktur war im Deutschen Reich bis 1919 die Kaschubei um Berent, Karthaus und Konitz (die Rolle der ethnischen Minderheiten spielten dort die Polen und Deutschen). Niemand wäre damals auf die Idee gekommen, die politische Situation bei den Kaschuben für das übrige Reich in irgendeiner Weise für relevant zu halten. Mit Iowa dürfte es in Bezug auf die gesamte Union nicht anders sein.

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