Volker Seitz / 29.01.2021 / 16:15 / Foto: Pixabay / 3 / Seite ausdrucken

Afrika-ABC in Zitaten: Kräuterwissen / Marxismus und Kapitalismus

Kräuterwissen

Überkommenes Kräuterwissen wird u.a. von Geburtshelferinnen, Wahrsagern und Kräuterkundigen angewendet. Nach den Angaben der der WHO nutzen in manchen afrikanischen Ländern bis zu 80% der Bevölkerung solche Formen der Medizin. Die bereits erwähnte Schriftstellerin Nathacha Appanah aus Mauritius schreibt in ihrem Roman „Der letzte Bruder“: „Meine Mutter war der festen Überzeugung, dass das Krankenhaus niemanden richtig heilen kann... In ihren Händen wohnte eine geheimnisvolle Kraft. Sie wusste, wie man die richtigen Kräuter und Blätter fand, und konnte mit ihnen umgehen. Unter ihren Fingern fand jede Pflanze ihre Bestimmung: heilen, entfernen, lindern, manchmal auch töten. In Mapou hatte man sie um Rat gefragt, wenn es um einen Schmerz oder eine Verletzung ging, und sie hatte flüsternd den Namen einer Pflanze und einige Anwendungen verraten. Wenn es anschlug, fanden wir einige Tage später etwas Obst oder Gemüse, eine Handvoll Reis oder auch Zucker vor unserer Tür.“ (S. 80)

[Éric de Rosny (1930-2012), ein französischer Jesuit und Anthropologe, hat sich in Afrika (besonders in Kamerun) über Jahrzehnte mit der traditionellen Medizin, Zauberei und Schadenzauberei (Hexerei) auseinandergesetzt. Er hat eine große Kluft zwischen  traditionellen und wissenschaftlichen Heilmethoden festgestellt. Volksmedizin hat ihren Ursprung in der ländlichen und dörflichen Welt, während die wissenschaftliche Medizin intellektuellen und städtischen Kreisen ihr Entstehen verdankt. In vielen Staaten ist die Volksmedizin bis heute sehr lebendig. Genauso wichtig wie die Kräuter, Rinden etc. sind die Rituale (Beziehung zwischen Menschen und Geistern). Die Behandlungsmethode der Volksärzte (in Kamerun heißen sie „nganga“) beruht auf der Macht der Ahnen und der Geister. Es wird mit Emotionen gearbeitet. Es gibt oft ein Nebeneinander. Manche sind nur mit einer der beiden Heilmethoden nicht zufrieden. Nicht selten werden beide Wege der Medizin als einander ergänzend und nicht miteinander rivalisierend angesehen. de Rosny hat zahlreiche Afrikaner interviewt und schildert deren Erfahrungen wörtlich in seinem Buch „Heilkunst in Afrika“, Hammer 1994]

Marxismus und Kapitalismus

Den Wandel der Staatspartei MPLA vom Marxismus zum Kapitalismus beschreibt der angolanische Schriftsteller José Eduardo Agualusa in seinem Roman „Eine Allgemeine Theorie des Vergessens“, 2017 bei C.H. BECK: „Das sozialistische System wurde von denselben Leuten, die es einmal errichtet hatten, demontiert, und aus der Asche stieg wieder der Kapitalismus empor, aggressiver denn je. Leute, die noch vor Monaten bei Familienfeiern, auf Festen, Kundgebungen und in Zeitungsartikeln gegen die bürgerliche Demokratie gewettert hatten, fuhren nun, in teure Marken gekleidet, in polierten Autos herum.“ (Seite 75)

[In seinem Buch „Ein letztes Mal in Afrika“ (2017 bei Hoffmann und Campe auf Deutsch erschienen) schreibt der amerikanische Reiseschriftsteller Paul Theroux über die neue politische Klasse in Angola: „In Luanda tritt deutlich vor Augen: die behelfsmäßig geflickte Brücke oder Straße, die provisorische Ausrede. Angola ist ein Land ohne Plan, ein von Habgier getriebener Kampf aller gegen alle.. (...) Da in Luanda nichts richtig funktioniert und Stromausfälle und Wasserknappheit an der Tagesordnung sind, haben sich wohlhabende Angolaner wie Ausländer kleine, abgeschottete, von Mauern umgebene Wohnanlagen geschaffen, die über eigene Generatoren, Wasserversorgungsanlagen und andere Annehmlichkeiten verfügen: Tennisplätze, Swimmingpools, Golf- und andere Clubs, und natürlich bewaffnete Sicherheitsleute und Wachhunde.“ (Seite 358)]  

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Wolfgang Kolb / 29.01.2021

Da der naechste Arzt oft Stunden beschwerlichen Weges entfernt ist - nicht zu sprechen ueber die Kosten einer Konsultation - ist es ueberlebenswichtig, die Heilkraft von Pflanzen zu kennen. Leider haben wir in unserer westlichen Welt dieses Wissen dank Schulmedizin und Apotheke verloren.

Dieter Kief / 29.01.2021

Ach - noch ein weiteres meiner absoluten Lieblingsbücher aller Zeiten: Reisen in die Hölle! - Darin: Ein großartiger Afrika-Aufsatz: Tansania, Februar 1997 - Wie man aus allem nichts macht - Autor: P. J. O’Rourke. Verlag: Die Andere Bibbliothek. - Und wegen Whitchcraft und Zauberei usw. noch ein online-Hinweis: Bei Steve Sailer auf der Seite findet sich in der linken Spalte ein permanenter Hinweis auf den Anthropologen und Humangenetiker Henry Harpending. Harpending hat in Südwest-Afrika eine ganze Weile mit den Buschmännern gelebt und beschreibt hinreissend die Jagd auf den Cape-Buffalo. Wer Englisch kann: Der wirklich dolle Bericht ist gratis bei Steve Sailer auf iSteve PUNKTcom online.

Dr. Manfred Neumann / 29.01.2021

Lieber Herr Seitz, jetzt beeile ich mich aber, Ihnen für die regelmäßigen Sendungen Ihres Afrika-ABC in Zitaten zu danken und Sie zu dieser Reihe zu beglückwünschen. Der lexikalische Ansatz ist besonders reizvoll, weil die Zitate auf afrikanische Autoren und Autorinnen oder Berichterstatter zurückgehen und daher als Quellen von hohem Wert sind; das dürfte auch für die Romane gelten. Bei den 3.000 Ethnien und Volksgruppen sowie 3.000 Sprachen und zahllosen Religionsgemeinschaften haben Sie ja noch viel vor! Ihnen als Afrika-Kenner dürfte die Kunst der Auswahl nicht schwerfallen. Für den Leser sind diese Denkanstöße äußerst wertvoll, denn es stehtI ihm ja frei, diese je nach Interesse zu vertiefen. Kurzum: ich möchte anregen dürfen, bei dieser afrikanischen Fülle von Informationen über Politik, Alltag und Mißstände an die Herausgabe eines Buches zu denken. Als Leser dieser Serie aber freue ich mich schon jetzt auf die thematische Fortsetzung dieser Folge! Dr. Manfred Neumann

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