Henryk M. Broder / 18.07.2013 / 00:32 / 6 / Seite ausdrucken

Abgeblitzt

Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht ist der Nationalismus keine Domäne der Rechten. Der linke Nationalismus unterscheidet sich nur in einem Punkt vom rechten: Er tut so, als wäre er keiner. Es ist ein camouflagierter Nationalismus, sozusagen ein Wolf im Schafspelz.

Gerät das „Schaf“ in Aufregung, dann dauert es meistens nicht lange, bis der Wolf zum Vorschein kommt. Und dann fangen sowohl rechte wie linke Deutsche ihre tagespolitischen Statements mit den Worte an: „Gerade wir als Deutsche…“ Worum es dabei geht, spielt keine Rolle, es kommt nur auf die Pose an.

„Gerade wir als Deutsche“ müssen darauf drängen, dass die Amerikaner Guantanamo schließen. „Gerade wir als Deutsche“ müssen uns um die Palästinenser kümmern, sind sie doch die Opfer „unserer Opfer“. „Gerade wir als Deutsche“ dürfen uns an militärischen Einsätzen – egal wo und gegen wen – nicht beteiligen, haben wir doch im letzten Jahrhundert zwei Kriege angefangen – und verloren!

Denn „gerade wir als Deutsche“ wissen, „dass Gewalt kein Problem löst“,  obwohl „wir“ das beste Beispiel dafür sind, dass es Probleme gibt, die nur mit Gewalt gelöst werden können. Keine politische Strömung bzw. Bewegung in Deutschland ist deutscher und nationalistischer als die Friedensbewegung.

Nun ist der deutsche Innenminister Friedrich vor kurzem nach Washington gereist, um unsere amerika-nischen Freunde zu fragen, was so dran wäre an dem Verdacht, dass der Geheimdienst NSA den deutschen Telefon- und email-Verkehr überwacht. Jedem war klar, dass die Reise nur einem Zweck diente: eine medial aufgeregte Öffentlichkeit zu beruhigen.

Jedem, außer ein paar Linken, ein paar Grünen und dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundes-tag, Thomas Oppermann. Er sagte gleich nach der Heimkehr des Innenministers: „Die USA haben Friedrich abblitzen lassen. es waren keine Gespräche auf Augenhöhe, das war eher transatlantisches Duckmäusertum.“

Was hätte der SPD-Mann anstelle des CSU-Ministers getan? Sich auf einen Hocker gestellt? Die Muskeln spielen lassen? Ami, go home gerufen? - Die Amis sind ja bekanntlich beratungs- und erziehungsresistent.

Gerade wir als Deutsche müssten das eigentlich wissen.

Erschienen in der Weltwoche vom 18.7.13

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Leserpost

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Manfred Wetzel / 18.07.2013

„Gerade wir als Deutsche“ müssen darauf drängen, dass die Amerikaner Guantanamo schließen. Das ist aber ein schöner Satz. Da wollte der gute Obama doch Guantanamo schließen. Und das sollte wie folgt laufen. Obama macht den Laden dicht und hätte unglaublich toll dagestanden. Deutschland nimmt alle Häftlinge als politisch Verfolgte auf und hätte auch toll dagestanden. Aber leider scheitert es wieder an den bösen Deutschen. “Gerade wir als Deutsche” sollten doch jede Guttat begehen.

James Taylor / 18.07.2013

Also ich hätte mindestens von einem deutsch/bayrischen Innenminister erwartet, dass er sich in Lederhose und Hut vor das Tor der NSA in Maryland und stellt und brüllt: “Komm raus General, wir kämpfen um die Macht!”. Deutsche sind auch nicht mehr, was sie nie waren.

Stephan Kendzia / 18.07.2013

Broders °ähemmm° Analyse ist ja ganz nett, hat aber einen kleinen Fehler: Es gibt diese Linken, die “Gerade wir als Deutsche…” sagen, gar nicht. Man kann ja in etwa ahnen, was bzw. wer für Broder links ist, wahrscheinlich ja auch DIE LINKE! - - - Tja, dann… Dann geht natürlich alles. Wer “Gerade wir als Deutsche ...” sagt, ist nicht links, sondern bescheuert. Verwirrend - zumindest Broder verwirrend - ist aber, dass unter den Bescheuerten auch welche sind, die sich, weiß der Kuckuck, warum, “links” dünken und also der “Einsortierung” (Deutsche sortieren gern!!) als Linke nicht widersprechen. Also, für Broder zum auswendig Lernen: “Links” ist nicht, wenn einer “Ich bin ein Linker!” ruft, und auch nicht, wenn einer, der möglicher Weise gar nicht weiß, dass er als Linker gezählt wird, gegen diese Etikettierung keinen Einspruch erhebt. Was “links” genau sei, ist nicht irgendwo kodifiziert. Aber klar ist immer und überall von ein paar Dingen, das sie garantiert nichtlinks sind. Und dazu zählt - und ich denke, das weiß Broder - jedwedes Abheben auf Nationales in einem Wir-Sinn.

Markus Geier / 18.07.2013

Sorry, Herr Broder! Wir haben uns ja wohl nicht ganz umsonst vom “hässlichen Deutschen” zu den “Weltmeistern der Herzen” bzw. vom “Totalen Krieg” zum “Totalen Frieden” (und zwar koste er was er wolle) hochgestrampelt! Ich fürchte, wenn die Weltgemeinschaft dies weiter verkennt, hat man uns bald nicht mehr zu Füßen - sondern irgendwann wieder an der Gurgel!

Martina Maier / 18.07.2013

Ich frage mich, ob der Oppermann beim Friedrich in der Hosentasche gehaust hat, als er in Amerika war. Anscheinend kennt er auch die Dokumente über Prism nicht, weil sonst wüsste er, dass weder Friedrich noch der Kaiser von China, der Papst oder der Weihnachtsmann irgendwas an der Tatsache ändern könnte, dass Amerika überwacht, so wie es Russland und China und jede Nation macht. Hat eigentlich sich schon jemand über deren Spionageprogramme erkundigt? Leider gibt es dort keine Snowden, weil die in der Regel gar nicht soweit kommen, das Land zu verlassen. Das Prism-Programm ist mit allen führenden Internetdiensten vernetzt. Von Google bis zu Youporn. Letzteres dürfte wohl der Grund sein, warum manche so empfindlich auf die Überwachung reagieren ;-), obwohl es eigentlich alle machen, ist es schon peinlich, wenn die liebe Gattin das erfährt… Auch Personen, die illegal Daten, also Musik oder Filme saugen, dürften wohl Magenschmerzen und Alpträume bekommen, wenn sie das Wort “Abhören oder Spionage” vernehmen. Den Deutschen fällt mal wieder der Himmel auf den Kopf und keiner - außer Snowden - ist das, der das wieder beheben könnte.  Außerdem scheint auch Oppermann nicht zu wissen, dass sogar mit Wissen der SPD im Jahre 2004 Abhörstationen der Amerikaner in Deutschland eingerichtet worden sind. Und das sind nicht die einzigen. Das ist nur ein kleines Beispiel. “Auch der Dagger Complex bei Griesheim, auf dem die Amerikaner 2004 eine Abhöranlage installiert hatten, werden die Amerikaner vorerst nicht verlassen.” (Frankfurter Rundschau online) Ich stelle mir gerade vor, was Herr Friedrich denn hier erläutern hätte sollen und wie er sich blamiert hätte…......wahrscheinlich ist das der Grund, warum man ihn unter Druck setzen wollte. Er sollte so richtig schön ins Fettnäpfchen treten. Gerade wir Deutschen müssten doch wissen, dass der große Bruder und der Rest der Welt uns beobachtet und beäugt. Zumal ja dies nicht ganz grundlos ist, wenn man Terroristen und Islamisten die Tür noch aufhält und so ziemlich alles importiert, was der Markt hier zu bieten hat, damit sie unserem rechtsstaatlichen und von Bürgerrechten durchfluteten Land auch ihre Rechte durchsetzen können.

Andreas Döding / 18.07.2013

Sehr richtig. International kräht eh kaum jemand mehr nach Prism. Am Ende wird die grandiose “Aufklärung” durch Snowden freilich nicht zu einer Einschränkung oder gar Auflösung des Programms durch die USA kommen, sondern zu Prism 2.0 in Rußland und höchswahrscheinlich auch zu einer chinesischen Version. Die Welt darf sich also zukünftig über drei Komplettprogramme freuen, wovon dann zwei in Autokratien betrieben werden. Danke, Snowden, Vollpfosten!

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