Orit Arfa, Gastautorin / 20.11.2023 / 06:00 / Foto: Imago / 75 / Seite ausdrucken

Wie Deborah Feldman zur Extremistin wurde

Die Autorin Deborah Feldman positioniert sich als in Deutschland lebende Jüdin gegen Israel, wie gerade bei Lanz. Derzeit steht sie im Medienfokus, den sie dazu nutzt, sich zum Opfer ihrer Kritiker zu stilisieren. Ich kenne sie schon länger.

Im Frühjahr 2018 interviewte ich Deborah Feldman in einem Café in Berlin für einen Artikel in der Jerusalem Post. Ich sah in ihr einen verwandten Geist. Wir waren beide Autorinnen, beide Enkelinnen von Holocaust-Überlebenden, wir lebten beide in Berlin, und auch ich hatte die orthodoxe Gemeinschaft verlassen, wenn auch nicht die strenge Satmar-Gemeinde, in der sie aufwuchs. Unsere Debütbücher – ihre Memoiren, mein Roman – handeln beide von der Glaubenskrise einer intellektuell neugierigen jungen Frau.

Ich wollte sie bewundern und den Neid überwinden, den ich angesichts ihres Erfolges als Bestsellerautorin empfand, der ihr Buch „Unorthodox“ zu einer beliebten Netflix-Serie gemacht hatte – mein Traum. Ich erinnerte mich an ein talmudisches Sprichwort, das ich in meiner modern-orthodoxen High School gelernt hatte: „Kin'at sofrim tarbe chochma.“ „Der Neid auf Schriftgelehrte erhöht die Weisheit“, eine Abmilderung des Gebotes „Du sollst nicht begehren“. Ich fand Deborah nachdenklich, interessant und durchaus freundlich. Doch unsere Wege kreuzten sich nach unserem Gespräch nicht mehr. Unsere Gemeinsamkeiten führten nicht zu einer Freundschaft. Jetzt verstehe ich, warum.

Deborah Feldman taucht seit dem Massaker vom 7. Oktober im Süden Israels immer wieder in meinem X-Feed auf, zuerst durch einen viral gegangenen Clip ihres Interviews mit Markus Lanz im ZDF. Darin forderte sie den Vizekanzler Robert Habeck auf, „zu verstehen, warum die einzige legitime Lehre, die man aus den Schrecken des Holocaust ziehen kann, die bedingungslose Verteidigung der Menschenrechte für alle ist“.

Im Sinne der radikalen Linken

Ich war mir nicht sicher, was sie meinte. In typisch linksintellektueller Manier kommuniziert sie vage Banalitäten mit humanitär klingenden Worten. Will sie damit sagen, dass Israel sich zu Unrecht auf den Holocaust beruft, um in Gaza einen „Völkermord“ zu begehen? Ist sie der Meinung, dass Israel keine Vergeltung für das brutale Massaker üben sollte, bei dem 1.200 Juden ermordet, lebendig verbrannt, vergewaltigt und enthauptet wurden?

Es scheint so. Nach der Lektüre ihrer jüngsten Guardian-Kolumne mit dem Titel „Deutschland ist ein guter Ort, um Jude zu sein. Es sei denn, Sie sind wie ich ein Jude, der Israel kritisiert“, die so selbstverliebt war, dass sogar ihre Verbündeten sie zurechtweisen, ist klar, dass sie einen Standpunkt im Sinne der radikalen, israelfeindlichen Linken vertritt.

Am 11. November teilte sie auf X einen Artikel aus dem angesagten, linken Magazin New Yorker, in dem der Bürgermeister einer Stadt im Westjordanland/Samaria als Extremist mit einer expansionistischen Vision für Israel „geoutet“ wurde, und schrieb dazu die Warnung „Aufwachen“. Aufwachen wovon und wozu?

Offenbar dazu, die Verschwörungstheorie zu vertreten, dass die Hardliner unter den Israelis insgeheim froh sein müssen, dass die Hamas solche Gräueltaten begangen hat, damit sie nun ihre Träume von einem Großisrael verwirklichen können, „vom Fluss bis zum Meer“. Offenbar gilt ihr Aufruf zum „zivilen Diskurs“ und zur Bekämpfung von Bigotterie nicht für die 800.000 „Siedler“, die im biblischen Kernland leben. In der Zwischenzeit warte ich darauf, dass sie einen prominenten pro-palästinensischen Aktivisten postet, der die Gruppenvergewaltigung von Frauen durch die Hamas und die Gefangenschaft von Kindern und Holocaust-Überlebenden ebenso leidenschaftlich verurteilt, wie sie Israels Krieg gegen die Hamas verurteilt.

Intellektuelle Taschenspielertricks

In einer Zeit, in der Mitglieder des pro-palästinensischen Mobs auf den Straßen weltweit offen Hitler huldigen, zieht Feldman es vor, die wortgewaltigsten Verteidiger Israels und des jüdischen Volkes zu denunzieren. Sie veröffentlichte eine Diffamierung des britischen Intellektuellen Douglas Murray als „rechtsextremen Pseudo-Intellektuellen“, weil er es gewagt hatte, die Meinung zu vertreten, die Hamas-Terroristen seien noch schlimmer als die Nazis, weil sie auf ihre grausamen Verbrechen stolz seien.

Murray argumentierte, dass die Nazis tief im Inneren verstanden hätten, dass ihre mörderischen Taten Scham hervorrufen mussten. Jeder, der Auschwitz besucht hat, hat mit Entsetzen zur Kenntnis genommen, dass die Gaskammern so angelegt wurden, dass kein jüdisches Blut fließen konnte. Währenddessen filmten Hamas-Terroristen mit Vergnügen, wie sie einen Mann mit einer Schaufel enthaupteten, einer Frau vor den Augen ihrer Kinder die Brust abschnitten und ganze Familien auslöschten.

Feldman und ihresgleichen haben Murray wegen seines „Holocaust-Revisionismus“ angegriffen. Tatsächlich ist die Universalisierung des Holocaust, bei der es um „jedermanns Rechte“ und nicht eindeutig um die Verteidigung der Juden vor dem Völkermord geht, die ultimative Verharmlosung und Instrumentalisierung des Holocausts. Im Guardian, einer Publikation, die für die Verleumdung von Verteidigern des jüdischen Volkes berüchtigt ist, untermauert Feldman ihre intellektuellen Taschenspielertricks, indem sie die Namen von Intellektuellen, die den Holocaust überlebt haben, wie Primo Levi und Jean Améry, mit einfließen lässt.

Kampf zwischen Gut und Böse

Auf der Suche nach Weisheit und Inspiration wende ich mich an den großen Henryk Arfa, meinen in Polen geborenen Großvater und Auschwitz-Überlebenden. In den späten 1980er und 1990er Jahren schrieb er stapelweise Briefe und Leitartikel über seine Kriegserfahrungen, die ich gerade transkribiere. Vor allem beklagte er den jüdischen Verrat, der zum Holocaust beigetragen habe, und schrieb zum Beispiel, wie „Der Bund“, die sozialistische jüdische Bewegung in Polen, versuchte, sich bei den Polen beliebt zu machen, indem sie jüdische Kapitalisten anprangerte.

„Diese ‚guten Juden‘ bezeichneten ihre Blutsbrüder, die Fabrikanten, Ladenbesitzer und Immobilienbesitzer, als ‚Blutsauger‘ und ‚Parasiten‘ der Gesellschaft“, schrieb er. „Von da an kannten die Polen und die christliche Welt im Allgemeinen keinen anderen Juden mehr als den ‚blutsaugenden‘ Juden. Jetzt werfen wir Juden den Polen vor, dass sie keine Juden gerettet und ihr Leben für den ‚Blutsauger-Juden‘ riskiert haben?“

Über Juden, die freiwillig mit den Nazis kooperierten, in der Hoffnung, ihr Schicksal zu verbessern, schrieb er: „Auch sie wurden in die Gaskammer gesteckt.“ Feldman beklagt, dass sie in Deutschland ausgegrenzt wird, weil sie es wagt, Israel zu kritisieren, insbesondere dessen Krieg in Gaza. Sie beleidigt die Deutschen, indem sie suggeriert, dass die deutsche politische Unterstützung für Israel auf Schuldgefühlen beruht. Sie scheint nicht zu bedenken, dass der Kampf zwischen Israel/Juden und Hamas/Hamas-Apologeten wirklich ein Kampf zwischen Gut und Böse ist, unabhängig davon, was die Deutschen vor über 80 Jahren getan haben. Diesmal wollen die meisten Deutschen zum Glück auf der richtigen Seite der Geschichte stehen.

Die größten Übeltäter gegen Juden seit Hitler

Feldman war einst ein Vorbild für mich, aber jetzt ist sie ein abschreckendes Beispiel, egal wie sehr die Verkäufe ihres neuesten Buches, das sie aktiv bewirbt, durch die Aufmerksamkeit in die Höhe schnellen. Ich gebe zu, dass ich manchmal versucht bin, diesen Krieg ebenfalls um „mich“ zu führen. Was für eine tolle Gelegenheit, meinen Roman über die Evakuierung der Juden aus dem Gazastreifen zu promoten! Ich ertappe mich in meinem Narzissmus, obwohl es mir um die Verbreitung guter Ideen und nicht um Ruhm und Reichtum geht; sonst hätte ich einen Roman über die Unterdrückung der Palästinenser durch die Israelis geschrieben.

Auch ich bin eine „Ausgestoßene“, weil ich vom jüdischen Mainstream abweiche, den Zwei-Staaten-Wahn infrage stelle, Merkels Politik der unkontrollierten muslimischen Einwanderung kritisiere und als unabhängige Journalistin fair über die AfD berichte. Meine Romane sind voll von „Israelkritik“ und Kritik am organisierten Judentum, aber nicht aus der Perspektive, aus der sich die „Salon-Israelkritiker“ speisen. Ich habe berufliche, mediale und gesellschaftliche Chancen verloren. Aber Ablehnung ist der Preis dafür, ein unabhängiger Denker zu sein.

Feldman hat sich so sehr aus dem israelischen, jüdischen und sogar deutschen Mainstream herausgezogen, dass das Etikett „Extremistin“ nun auf sie zutreffen kann, genau wie auf die nicht-zionistische, ultra-orthodoxe Gemeinschaft, die sie verlassen hat. Bis auf einen kleinen Teil haben fast alle Israelis und Juden ihre zivile Feindschaft beiseite geschoben, um die größten Übeltäter gegen Juden seit Hitler zu besiegen. Wie mein Großvater schrieb: „In der Einigkeit sind wir Juden stark. Lasst uns anfangen, auf die Einheit hinzuarbeiten – besser spät als nie.“

„Ich gehöre nicht zu diesen ‚blutsaugenden‘ Besatzern!“

In diesen Tagen haben Feldman und ich noch etwas anderes gemeinsam: Wir sind beide alleinstehende jüdische Mütter. Seit dem 7. Oktober kann ich meine Tochter nicht mehr auf dieselbe Weise ansehen. Ich umarme sie jeden Tag, als ob es unser letzter sein könnte, denn wir haben gesehen, wozu diese extremistischen, expansionistischen palästinensischen Terroristen und ihre Apologeten fähig sind.

Alles, was ich im Moment tun kann, ist, Judenhasser zu bekämpfen, hier und in Israel, so gut es mir möglich ist. Ich würde alles tun, um meine Tochter zu schützen, auch wenn das bedeutet, dass ich den israelischen Verteidigungsstreitkräften verzeihe, dass sie Kinder aus dem Gazastreifen töten, die die Hamas in diesem Krieg ins Kreuzfeuer zerrt. Das mag mich in den Augen von Feldman zu einer unmoralischen Person machen, aber es macht mich zu einer verdammt guten Mutter.

Vielleicht hofft Feldman, wie die verräterischen Juden, die meinen Großvater so geärgert haben, tief im Innern, dass sie vom Judenhass verschont bleibt, indem sie zum Liebling der Intellektuellen und Aktivisten wird, die die Vorstellung verabscheuen, dass Israel zurückschlägt. Es ist, als würde sie flehen: „Ich gehöre nicht zu diesen ‚blutsaugenden‘ Besatzern!“

„Es gibt nur Juden“

Ich würde gerne glauben, dass sie eher naiv als opportunistisch ist, wie Vivian Silver, die kanadisch-israelische Gründerin von „Women Wage Peace“, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, Frieden zwischen Israelis und Palästinensern zu schaffen. Sie fuhr persönlich Gazaner zur medizinischen Versorgung nach Israel. Ihre sterblichen Überreste, die ursprünglich zu den Geiseln zählten, wurden schließlich in einem Aschehaufen in dem Kibbuz gefunden, in dem sie ermordet wurde.

Einer der in Gaza gefallenen IDF-Soldaten, Yossi Hershkowitz, Direktor einer Jungenschule in Jerusalem, veröffentlichte vor seinem Tod eine Videobotschaft mit einem Wunsch, von dem er nicht wusste, dass es sein letzter sein würde. „Ich bitte euch alle: Das Wichtigste für mich ist ein persönlicher Wunsch: Sprecht nicht ‚loshon hara‘ über ‚Am Jisrael‘ (das jüdische Volk). Nichts“, sagte er mit sanfter, freundlicher Stimme und bezog sich dabei auf das Verbot von „Loshon Hara“, was ich hier grob mit „schlecht reden“ übersetze. „Sagt nichts Schlechtes. Kehrt nicht zu dem zurück, was war. Es gibt keine Linken, keine Rechten, keine Ultra-Orthodoxen, nichts. Es gibt nur Juden. Den Hamas-Nazis war es egal, wen ihr gewählt und was ihr gedacht habt. Dieser Gewissensprüfung müssen wir uns stellen.“

Und was Feldman nicht begreift, während sie „Loshon Hara“ zu den Feinden der Juden spricht, ist, dass auch Hershkowitz sein Leben für sie riskiert – und verloren hat.

 

Orit Arfa, geb. in Los Angeles, lebte über 12 Jahre in Israel und schreibt regelmäßig für die Jerusalem Post, das Jewish Journal of Los Angeles und den Jewish News Service. Ihr erstes Buch, „Die Siedlerin“, behandelt die Folgen des Abzugs aus dem Gazastreifen; „Underskin“ ist eine deutsch-jüdischen Liebesgeschichte.

Foto: Imago

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Mathias Hartmann / 20.11.2023

“... die bedingungslose Verteidigung der Menschenrechte für alle” ist nicht möglich, wenn man einen Todfeind hat. Um zu überleben, muß zumindest dessen Handlungsfreiheit erheblich eingeschränkt werden. Wie soll das gehen, ohne die körperliche Unversehrtheit und die Bewegungsfreiheit zu beeinträchtigen?  - Bei medialen Auftritten mit extremen Positionen ist auch immer die Frage, inwiefern das Dargestellte ernst zu nehmen ist. Eine Kontroverse an sich mag schon da sein, aber sie wird in einer Weise aufgezogen, in der sie Aufmerksamkeit erregt.

Laura Mavrides / 20.11.2023

In der Achse möchte ich ehrlich gesagt nicht lesen, dass Personen mit anderen Meinungen und Ansichten in die Schmuddelecke der “Verschwörungstheoretiker” gesetzt und damit aus dem Diskurs herausgemobbt werden. Dieses Wort ist ein Trigger und steht für eine Diffamierungsmasche, die bestimmten Medien gut zu Gesicht steht. Möchte die Achse sich tatsächlich in deren Gesellschaft begeben?

Johannes Schuster / 20.11.2023

Teil 2: Das Judentum muß sich NICHT fragen, wie jüdisch oder nicht jüdisch es ist: Seit 1933 ist das Welt - Judentum (mit der Ausnahme der ursprünglichen Juden in den USA), einschließlich der Bewegungen nach der Emigration - - im Besitz - - der deutschen Geschichte ! DAS und nichts anderes ist das Problem, was als bauartbedingtes Problem in der jüdischen Aufstellung imponiert (und verdrängt wird). Die Deutschen hatte als Täter immer die Macht und jetzt am 07. 10 hat sich diese Frage der Macht erneut gestellt und sie heftet sich an eine Bedingung (Israel), die auf fatale Weise an der Opferrolle in der Identität selbst haftet. Was dahintersteckt ist das JÜDISCHE UR-TRAUMA als Ursache hinter allem und jedem. Der Nazi ist der Nazi in Yad Vashem, er hängt als Schlächter über jedem jüdischen Schritt. Nichts passiert ohne einen Dämon (Tilmann Moser) über den Gedanken. Dieser Dämon ist das Problem, dieses Trauma- Gewicht und die daraus folgende Aufstellung. An die jüdischen Leser: Stellt nicht die Frage, ob man Jude ist oder nicht, denn diese Frage stellt sich überhaupt nicht ! Setzt Euch hin und forscht in den Familien nach, wie sich TRAUMA in den - - Innenwertungen - - entwickelt haben und als Introjektion fortbestehen. Aus dem kollektiven Modell heraus muß man sich dann als “Volk Israel” begreifen als Summe aller familiaristisch inventarisierten Momente, d.h. es ist nichts heute jüdisch, was nicht gestern vom Nazi dazu gemacht wurde ! Und dieser Vergiftung innerhalb jüdischer Familien muß man jetzt mal endlich empirisch auf den Grund gehen, sonst treibt man selber die Verzinsung er Nazi - Verbrechen. Die psycho - soziale Analyse ist ein ganz wesentlicher politischer Aspekt. Das Narrativ vom Narrativ zum Narrativ führt nur zu einer Dynastie von Verdrängungen. Der Holocaust begann mit einer Mutter, die einen Mörder heranzog. An der deutschen Frau muß man die Ableitung auf den Täter und die Opfer errichten, in diesem Verstehen liegt die Entbindung aus Symbiosen.

Johannes Schuster / 20.11.2023

“als in Deutschland lebende Jüdin”.... Wer keine Persönlichkeit hat, der hat eine Eigenschaft. So könnte man das derb verkürzen. Da steckt aber etwas sehr bitteres dahinter: Das dritte Reich hat die Juden in eine narrative - utilitaristische Rolle gebracht. Und aus dieser Rolle ist das Judentum nach 1945 nie wieder heraus gekommen (Bergmann - Jucovy - Kestenberg: “Kinder der Opfer, - Kinder der Täter). Jeder Jude hat, wie jeder Nachfahre der Nazis eine Hypothek in der Menge der Introjekte und aus diesem Problem sprudeln alle anderen Erscheinungen (vgl. auch Tilmann Moser). Ich gehe mittlerweile sogar soweit zu behaupten, daß den Opferkindern die Urgründe des Leides weitaus entzogener sind als den Nachfahren der Täter. Das Problem mit Israel ist das Problem seiner Begründung in der Entstehung. Israel ist ein politischer Folger der NS - Zeit, wie die BRD auch. Über die psychologischen - damit kollektiven Moment hat sich nach 1945 nie jemand weiterreichende Gedanken gemacht, jedenfalls nicht in der offiziellen Geschichtsschreibung. Das Stockholm - Syndrom unter Juden, die unter den Nachfahren der NS - Täter wohnen ist ein gravierendes Artefakt. Nach dem Krieg (Hans Rosenthal, Ilja Richter) gab es eine mitunter selbst erotische Annäherung in Ohlendorfs BRD (unter Erhard) zwischen Opfer - und Täterkindern. Der Jude, der zu kaspern hatte und der Deutsche, der sich das gute Gewissen im jüdischen Hündchen hielt. Das sind aber alles BEWÄLTIGUNGSERSCHEINUNGEN und diese gehen in der Regel auf die Shoa zurück UND die Rolle aus Macht und Subordination wird fortgeschrieben. DAS ist das ursächliche Problem. Diese ganze verzerrte Ich - Erzählung nach 1945, diese in alle Himmelrichtungen aufgerichtete Lüge als Decke über dem Unbegreiflichen, was aber dann auch irgendwann narrativ als Unbegreiflich bequem “endgelagert” wurde und zwar von allen Seiten im Einvernehmen auf die Rollen hin. Das funktioniert jetzt nicht mehr und die ganze Probleme brechen auf.

Hajo Zeller / 20.11.2023

Die Autorin schreibt: »Ist sie der Meinung, dass Israel keine Vergeltung für das brutale Massaker üben sollte, bei dem 1.200 Juden ermordet, lebendig verbrannt, vergewaltigt und enthauptet wurden?« Seit wann sind Rache und Vergeltung legitime und legale Motive politischen Handelns?

Heiner Bussy / 20.11.2023

Aha. Jemand, die schreibt, dass “die Menschenrechte aller Menschen respektiert werden müssen” ist also eine “Extremistin”. Ich würde Frau Arfa raten, einmal den eigenen Standpunkt zu überdenken, um nicht selbst versehentlich in den Extremismus abzugleiten. Natürlich waren die Untaten vom 7. Oktober ein Terrorakt von ungeheuerlichen Dimensionen, und natürlich hat Israel das Recht, sich zur Wehr zu setzen. Und wenn die Hamas ihre Kommandozentralen in (bzw. unter) Krankenhäusern oder Kindergärten eingerichtet hat, ist es leider unvermeidlich, dass es dabei auch zivile Opfer geben wird. Aber: Ein palästinensischer Terroranschlag berechtigt nicht zur “Vergeltung”, also zu einem rein gegen palästinensische Zivilisten gerichteten Terroranschlag gleicher Dimension. Gott sei Dank scheint das auch der derzeitigen israelischen Führung klar zu sein - bei Frau Arfa wäre ich mir nach Lektüre dieses Beitrags leider nicht ganz so sicher. Die 800.000 Siedler im Westjordanland waren vor 30 Jahren noch nicht dort, und sie sind das grösste Hindernis für eine Zweistaatenlösung. So hat Israel diese Lösung (die auch von Ronald Lauder, dem Vorsitzenden des jüdischen Weltkongresses für unumgänglich gehalten wird) effektiv vereitelt. Ja, Hamas ist eine Terrororganisation, die zerschlagen gehört. Ja, es ist leider eine Tatsache, dass diese Organisation unter palästinensischen Zivilisten breite Unterstützung geniesst. Aber das alles bedeutet nicht, dass es für Israel eine “carte blanche” geben kann, also ein Recht, Terror mit Terror zu vergelten. Und wer darauf hinweist, ist deswegen kein “Antisemit”. Die von Frau Arfa angestrebte Diskursverengung, die darauf hinausläuft, den Gebrauch des Wortes “aber” zu untersagen, kann nicht hingenommen werden - sonsy sind wir bald selbst nicht besser als die Hamas.

Thomas Szabó / 20.11.2023

Deborah Feldman, Stockholm-Syndrom bei Juden?

B. Ollo / 20.11.2023

Ich habe in den letzten Tagen zwei Auftritte von Feldmann gesehen und möchte es einmal freundlich formulieren: Vor Gericht würde Feldmann, die in Talkshows als angebliche Sachverständige auftritt, wegen Befangenheit abgelehnt werden. Sie ist keine neutrale Person, sondern sie wird ja auch bewusst deshalb eingeladen, weil sie a) Jüdin IST (für die Gastgeber, auch wenn sie es nicht mehr ist, übrigens), und b) weil sie eine antijüdische Meinung vertritt. Von daher kann sie schon gar keine Sachverständige und Expertin sein, denn ihr fehlt erstens die Neutralität und zweitens darüber hinaus jegliche Expertise zur Situation in Israel. Eine Zeugin ist sie auch nicht, sie war nicht dort, noch verfügt sie über exklusive Erkenntnisse, die anderen nicht vorleigen. Repräsentativ für die jüdische Sicht ost sie genauso wenig, wie für die Sicht einer nennenswerten Minderheit. Die Zahl der Juden, die ihre Sicht teilen, dürfte verschwindend gering sein und fällt unter die statistische Fehlertoleranz. Sie ist nur eine Ex-Jüdin, die Probleme mit ihrem Elternhaus und ihrer Gemeinde hatte, die von sich auf alle Juden schließt, die seit Jahren damit verbittert beschäftigt ist, mit allen Juden eine Generalabrechnung zu machen. Das macht sie noch lange nicht zur Expertin in irgendwas.

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